Beleidigung des Chefs („Psychopath“ „Irrer“ „Arschloch“) rechtfertigt nicht ohne weiteres eine Kündigung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 09.09.2014

Pöbelnde Mitarbeiter, die in Abwesenheit ihres Chefs im Kreise der Kollegen oder in sozialen Netzwerken über diesen herziehen und dabei beleidigende Ausdrücke verwenden, beschäftigen die Gerichte immer wieder. Hier stellt sich meist die Frage, ob der Arbeitgeber solche Vorkommnisse zum Anlass einer – häufig außerordentlichen – Kündigung nehmen kann. Die Linie der Instanzgerichte ist nicht einheitlich. Mal kann der Arbeitnehmer auf Milde hoffen, ein anderes Mal hingegen wird er in seine Schranken verwiesen. Zwar sind selbstverständlich die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu würdigen, auf der anderen Seite sollte es doch absolute Grenzen geben, die nicht überschritten werden sollten. In die Kategorie „bemerkenswert großzügig“ fällt ein neueres Urteil des LAG Rheinland-Pfalz (24.07.2014 - 5 Sa 55/14, BeckRS 2014, 72059). Folgendes hat sich ereignet: Am 10.07.2013 gegen 12:45 Uhr hielt sich der Kläger im Rauchercontainer auf. Ebenfalls anwesend waren die Arbeitskollegen G. und K. sowie ein Leiharbeitnehmer. Der Kläger schimpfte in diesem Kreis über seinen Vorgesetzten, der in tags zuvor aus seinem Büro verwiesen hatte. Er äußerte wörtlich: „Der ist irre, der dürfte nicht frei rumlaufen“, „der ist nicht normal“. Als der Vorgesetzte am Rauchercontainer vorbeilief, äußerte er: „Da läuft er ja, der Psycho“, „der wird schon sehen, was er davon hat“. Nach dem Vorbringen der Beklagten soll der Kläger geäußert haben: „Da läuft ja der Psychopath“, „der ist nicht richtig im Kopf“, „der gehört in die Psychiatrie, weil er psychisch krank ist“, „der gehört eingesperrt“. Außerdem soll er seinen Vorgesetzten als „Arschloch“ bezeichnet und gedroht haben: „Der wird sich noch wundern, ich lasse mich nicht einfach aus dem Büro werfen“, „der wird schon noch sehen, was er davon hat“. Die Arbeitskollegen meldeten den Vorfall dem Vorgesetzten. Daraufhin wurde dem Kläger gegenüber die außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Das LAG Rheinland-Pfalz hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Zwar stelle das Verhalten des Klägers „an sich“ einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, denn der Kläger habe in grober, drastischer und damit völlig unangebrachter Weise seine Missachtung des Vorgesetzten zum Ausdruck gebracht. Allerdings ist das LAG der Ansicht, dass der Kläger darauf vertrauen durfte, dass sein verbaler Ausbruch von den Arbeitskollegen, die sich mit ihm im Rauchercontainer aufhielten, nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden nicht gestört bzw. das Vertrauensverhältnis der Parteien nicht beschädigt wird. Der Kläger habe nicht mit einer Weitertragung seiner Äußerungen durch seine Arbeitskollegen rechnen müssen, denn es gälte der allgemeine Erfahrungssatz, dass anfechtbare Äußerungen über Vorgesetzte, sofern sie im Kollegenkreis erfolgen, in der sicheren Erwartung geschehen, dass sie nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausdringen werden. Hinzu komme, dass sich der Kläger zu den beleidigenden Äußerungen habe hinreißen lassen, weil er am Vortag von seinem Vorgesetzten aus dem Büro geworfen worden sei. Diesen Rauswurf habe er als höchst demütigend empfunden. Vor diesem Hintergrund erscheine seine inadäquate emotionale Reaktion, wenn auch hierdurch nicht entschuldigt, so doch in einem milderen Licht. Unter diesen Umständen sei vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich gewesen. Weder gäbe es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiege dessen Pflichtverletzung so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre.

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3 Kommentare

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In der Tat, äußerst milde.

Aber das kennen wir ja mittlerweile von den Arbeitsgerichten, Arbeitnehmerfreundlichkeit bis kurz vor Rechtsbeugung. Es wäre schön, wenn da wenigstens Stringenz erkennbar gewesen wäre. Wurde den in dem Fall eine hilfsweise ordentliche Kündigung erklärt ?

 

 

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Es ist schon ein Unterschied, ob man das dem Chef vor anderen ins Gesicht sagt (das waren bisher die Fälle, in denen die Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde) oder ob man über andere redet. Da ist das Herziehen über Chefs eher die Regel als die Ausnahme. Den Rest bzgl. Vertrauen s.o.

Leider schreibt die Presse und auch die Betroffenen in diesem Fall nicht die ganze Wahrheit. Man muss also immer auf den Einzelfall achten und dabei sollte man nicht aus den Augen lassen, dass wir alle Menschen sind. Leider gibt es Vorgesetzte die nicht in der Lage sind mit Mitarbeitern menschenwürdig um zu gehen und dann kommt es eben zu solch einem Prozess.

MfG der Betroffene

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