Vereinfachtes Verfahren nicht einfach

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 14.10.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht1|2518 Aufrufe

Unter den Voraussetzungen des § 1626 a II 2 BGB

„Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.“

soll das Gericht gemäß § 155 a FamFG über einen Antrag auf Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden (vereinfachtes Verfahren).

Aus meiner Sicht war abzusehen, dass die Frage, was Gründe sind, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, zu heftigem Streit führen würde.

Dazu ein Fall des OLG Karlsruhe:

Die Mutter war dem Antrag des Vaters entgegengetreten. Sie hatte schriftlich vorgebracht: Die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge widerspreche eklatant dem Wohl des Kindes. Der Vater habe sich bis Dezember 2013 überwiegend in Frankreich und nur einmal im Monat in Deutschland bei der Familie aufgehalten. Deshalb habe sich kein Vater-Sohn-Verhältnis entwickeln können. Auf Bitten der Mutter, häufiger und intensiver Kontakt zum Kind aufzunehmen, habe der Vater nicht reagiert. In den Monaten Oktober bis Dezember 2013, nach dem Auszug der Mutter, habe der Vater überhaupt keinen Kontakt zum Kind unterhalten. Der Vater könne deshalb verantwortlich keine Entscheidungen für das Kind treffen. Im Übrigen habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass der Vater wegen des Auslandsaufenthalts praktisch nicht erreichbar gewesen sei.

Das interessierte das Amtsgericht wenig. Es hat im schriftlichen Verfahren die gemeinsame elterliche Sorge hergestellt.

Die Beschwerde der Mutter, war insoweit erfolgreich, als das OLG den Beschluss aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen hat.

Ob die von der Mutter genannten Gründe die gesetzliche Vermutung nach § 1626 a II 2 BGB letztlich erschüttern können, müsse - so der Senat - für die Frage der Verfahrensart unerheblich sein und der materiell-rechtlichen Prüfung vorbehalten bleiben. Die Anforderungen für einen Wechsel vom vereinfachten schriftlichen Verfahren zum Regelverfahren nach § 155 III FamFG dürfe im Hinblick auf das Kindeswohl sowie auf den Anspruch auf rechtliches Gehör der Eltern nach Art. 103 GG nicht überspannt werden. Andernfalls wäre die materiell-rechtliche Prüfung der Voraussetzungen einer gemeinsamen Sorge mit der verfahrensrechtlichen Frage betreffend die Überleitung vom vereinfachten in das Regelverfahren identisch. Eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung könne jedoch sinnvoll nur im Verfahren nach § 155 III FamFG nach persönlicher Anhörung der Eltern, Mitwirkung des Jugendamts sowie Erörterung erfolgen. Ungeachtet dessen könne im Rahmen der Erörterung mit den Eltern auf ein Einvernehmen, etwa die Abgabe der Sorgeerklärung im Termin, hingewirkt und damit eine bessere Akzeptanz für die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge geschaffen werden.

OLG Stuttgart v. 13.6.2014 – 18 UF 103/14 = NJW 2014, 3044

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1 Kommentar

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Hallo Herr Burschel,

Gründe gibt es immer, liegt im Ermessen der Richter wie relevant er diese hält.

Aber wenn selbst eine psychische Erkrankung mit langem Psychiatrieaufenthalt dazu führt das ein Gutachten abgelehnt wird, würden mich aber mal relevante Gründe interessieren die einem GSR entgegenstehen!

Mfg J.Krug

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