OWi-Verfahren: Vollmacht beschränkt auf einen Verteidiger - Zustellung an Kanzlei reichte nicht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.10.2014
Rechtsgebiete: VerjährungAG LandstuhlVerkehrsrecht|7800 Aufrufe

Kommt immer mal wieder vor: Es meldet sich ein Verteidiger mit einer auf ihn lautenden Vollmacht bei der Verwaltungsbehörde. Der Verteidiger ist in einer größeren Kanzlei ansässig. Die Verwaltungsbehörde stellt dann den Bußgeldbescheid an die Kanzlei insgesamt zu. Folge: Zustellung ist unwirksam. Dies führt dann dazu, dass die Verjährung durch den Bußgeldbescheid bzw. dessen nachfolgende Zustellung nicht unterbrochen wird und auch dazu, dass der Übergang von der 3-Monats-Verjhährungsfrist auf eine 6-Monats-Verjjährungsfrist nicht stattfindet. Es kann so schnell zur Verjährung kommen, weil der Fehler erst zu spät entdeckt wird. So war es beim AG Landstuhl:

1.    Das Verfahren wird wegen Vorliegens des Verfahrenshindernisses
der Verjährung eingestellt.
2.    Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, ihre notwendigen Auslagen trägt die Betroffene selbst.

Gründe:
Nachdem im Rahmen der Hauptverhandlung festgestellt wurde, dass eine ordnungsgemäße Zustellung. des Bußgeldbescheides nicht stattgefunden hat, war das Verfahren wegen Verjährung einzustellen, §§ 260 Abs. 3 StPO, 71, 46 OWiG. Hier hatte sich der Verteidiger für die Betroffene bei der Ausgangsbehörde bestellt und eine Vollmacht zur Akte gereicht, die nur auf ihn ausgestellt war. Dennoch wurden sowohl der Anhörungsbogen als auch der Bußgeldbescheid an die Sozietät übersandt bzw. zugestellt. Dies ist unzulässig.

Für die Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWIG ist nicht nur ein wirksamer Bußgeldbescheid, sondern auch dessen wirksame Zustellung erforderlich ist (BGH, Beschl. v. 28.10.1999 - 4 StR 453/ - BGHSt 45, 261, 263; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2005 - 3 Ss OWi 1354/05 - NJW 20 6, 1078; Gürtler in: Göhler, OWiG, 15. Aufl. 2009, § 33 Rn. 35a). Eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger liegt nicht vor, wenn die Zustellung ausdrücklich an die Kanzlei als solche und ohne jeden namentlichen Hinweis auf den bevollmächtigten Verteidiger erfolgt ist (OLG Celle, Beschl. v. 30.08.2011 - 311 SsRs 126/11 — juris). Dabei muss, selbst bei dessen Tätigkeit in einer Sozietät oder gar in einer Bürogemeinschaft, der Verteidiger Adressat des Bescheides sein, wenn denn die Zustellung an ihn verjährungsunterbrechende Wirkung haben soII (OLG Celle, Beschl. v. 15.10.2004 - 211 Ss 106/04 (Owi); OLG Celle, Beschl. v. 09.06.2005 - 2 22 Ss 116/05 (Owi); OLG Celle, Beschl. v. 16.10.2006 - 222 Ss 269/06 (Owi); OLG Celle, Beschl. v. 16.04.2007 - 322 Ss 60/07 (Owi); OLG Celle, Beschl. v. 02.04.2009 - 322 SsBs 225/08; Burhoff in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl. 2011, S. 1691-1693). Allerdings gilt auch hier zu beachten, dass diese strikte Zustellungsregel nur dann so gilt, wenn auch die Vollmacht explitit auf den Verteidiger ausgestellt ist. Wird die Vollmacht auf die Kanzlei X oder die Sozietät ausgestellt muss das Gericht ggf. durch Auslegung ermitteln, ob ein verjährungsunterbrechende Wirkung stattgefunden hat. Hier war aber der Vollmacht nur auf den Verteidiger ausgestellt.

Hinzu kommt die Problematik, dass eine Ersatzzustellung auf der PZU vermerkt ist, sodass nicht sicher davon ausgegangen werden kann, dass der Bußgeldbescheid tatsächlich den Verteidiger erreicht hat. Deshalb wurde der Mangel nicht nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 8 VwZG durch tat- sächlichen Zugang beim Empfangsberechtigten geheilt. Ein solcher wäre nur dann anzunehmen, wenn der Verteidiger das zuzustellende Schriftstück vorgelegt bekommen hätte. Auch wenn bereits aufgrund des zutreffend in dem Schriftstück angegebenen Aktenzeichens des Verteidigers davon auszugehen ist, dass in einer gut strukturierten Rechtsanwaltskanzlei eingehende Post dem zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt wird, lässt sich jedenfalls positiv ein tatsächlicher Zugang des Bußgeldbescheids beim Verteidiger innerhalb der laufenden Dreimonatsfrist nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 467 StPO. Ohne die Verjährungsproblematik wäre eine Verurteilung der Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt.

AG Landstuhl, Urt. v. 11.09.2014- 2 OWi 4286 Js 4901/14

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