Der Fall Pistorius und die deutsche Strafrechtsdogmatik

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 21.10.2014

Die heute gegen Oscar Pistorius verhängte fünfjährige Haftstrafe wegen fahrlässiger Tötung – in der Mitte zwischen den von der Anklage geforderten zehn Jahren und dem von der Verteidigung für angemessen erachteten Hausarrest mit Sozialarbeit  –  wird in den nächsten Tagen in den Medien zu Diskussionen führen. Dogmatisch ist der Fall deshalb so knifflig und interessant, weil sich zwei Irrtümer ineinander verschrauben: der für den Tötungsvorsatz unbeachtliche error in persona mit dem speziellen Fall des Irrtums über den Kausalverlauf in Form der aberratio ictus (dogmatisch gelöst als versuchtes Tötungsdelikt in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung). Näheres dazu führt Prof. Dr. Klaus Lüderssen in seinem Beitrag in faz.net aus.

Und im Zusammenhang mit diesen dogmatischen Fragen spielt jetzt auch das verhängte Strafmaß eine Rolle. Obwohl die Richterin einen (bedingten) Tötungsvorsatz verneinte, verhängte sie wegen fahrlässiger Tötung eine langjährige Freiheitsstrafe, der das Odium der Verdachtsstrafe für eine  mögliche vorsätzliche Tötung der Freundin anhaftet.

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24 Kommentare

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Den Satz im Artikel der FAZ

"Wenn im vorliegenden Fall also ein Dolus eventualis verneint, trotzdem aber eine vieljährige Gefängnisstrafe verhängt würde, wäre das Odium der Verdachtsstrafe für vorsätzliche Tötung (der Freundin) kaum zu vermeiden"

verstehe ich so, dass hypothetisch, wenn ein deutsches Gericht von fahrlässiger Tötung ausgehen würde, bei einer so "hohen" Strafe naheliegen würde, dass das Gericht sich vom Verdacht des Vorsatzes leiten lassen hätte. Die in Deutschland verhängten Strafen sind im allgemeinen sehr niedrig, wenn man sie mit Ländern außerhalb Europas vergleicht. Ich habe aus dem FAZ-Artikel nicht den Eindruck gewonnen, dass der Autor behaupten will, sich mit den südafrikanischen Maßstäben auszukennen. Tun Sie es?

 

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Daß der error in persona für den Vorsatz unbeachtlich ist, trifft war zu. Die Formulierung erweckt jedoch den Eindruck, als sei er gänzlich unbachtlich für das Ergebnis. Hätte Pistorius die Person in seinem Bad tatsächlich für einen Einbrecher gehalten, griffe auch nach deutschen Recht das - von der Rechtsprechung leider zu Unrecht häufig eingeschränkte - "John Wayne Prinzip": erst schießen, dann fragen.

 

Ein Einbrecher im Badezimmer ist eine ganz klare Notwehrsituation, bereits ein Angriff auf Hausfrieden und Eigentum, potentiell auch auf Leib und Leben. Zur Verteidigung eigener Rechtsgüter, soweit "erforderlich", darf auch tödliche Gewalt angewandt werden (§ 32 StGb), auch wenn sich die Rechtsprechung damit schwer tut und mitunter eine im Gesetz nicht vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführt. Ich muß nicht abwarten, ob der Einbrecher sich als bewaffnet erweist oder gar auf mich schießen will. Wer unberechtigt ein fremdes Haus betritt, ist irgendwie selbst schuld daran, wenn er es nicht lebend verläßt. Wir alle kennen das (Extrem-) Beispiel aus Vorlesungen, daß grundsätzlich auch auf den flüchtenden Handtaschendieb geschossen werden darf, wenn er nicht anders aufzuhalten ist. Ich würde es allerdings niemanden empfehlen, weil sich die Rechtsprechung insoweit zu Unrecht von der zutreffenden Lehre entfernt.

 

Insofern hätte sich Pistorius, seine Einlassung als zutreffend unterstellt, nicht nur über die Person geirrt, sondern infolge dessen auch über das Vorliegen eines Rechtfertigungs- und/oder Entschuldigungsgrundes.

 

Auch in Deutschland kann die fahrlässige Tötung mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren betraft werden. Auch hierzulande wäre dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung anzulasten, daß er sich nicht, zumindest durch Anrufung der Person im Badezimmer ("Gib' Dich zu erkennen oder ich schieße!"), vergewissert hat, wer sich im Bad aufhält.

 

Im übrigen steht es uns nicht zu, das Justizsystem eines fremden Landes zu beurteilen. Wenn ich in einem deutschen Gerichtssaal argumentiere, daß in anderen Ländern ein hier strafbares Verhalten nicht strafbar ist oder sehr viel milder bestraft wird, bestimmte Beweise aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht verwertet werden dürften, u. ä., interessiert das auch keinen deutschen Richter, die Bevölkerung und die Journalisten schon einmal gar nicht. Es verwundert daher, daß man in Deutschland meint, Strafprozesse in fremden Ländern kommentieren zu dürfen. Wir haben genug eigene Mißstände in unseren Strafprozessen, die der gesellschaftlichen und journalistischen Beachtung wert wären. Es ist wohlfeil, für "pussy riot" in Rußland zu demonstrieren statt sich über die Verurteilung eines Gottesdienststörers in Bayern aufzuregen.

 

 

 

 

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Das das Ganze nicht eher error in persona gemischt mit einem Erlaubnistatbestandsirrtum bzw. Putativnotwehrexzess [intensiv] (wie auch immer man den jetzt dogmatisch einordnet und ob man dabei § 33 StGB [analog] enwenden möchte). 

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Ich würde auch §17 StGB prüfen.

Der FAZ Beitrag ist wenig erhellend, sondern zielt ja geradezu darauf die Abgrenzungen unhandlich zu "verschrauben".

Als praktisch könnte sich doch in diesem Falle ausnahmsweise einmal die Gegenprobe erweisen.

Wäre da wirklich ein Einbrecher gestanden, hätte er m.E. zwar immer noch billigend den Tod in Kauf genommen, aber juristisch passiert wäre ihm nichts. 

Sozusagen ein error in personam im umgekehrten Fall.

Er hätte sich auf alle Fälle viel erspart, hätte er ein kurzes "Who`s this?" von sich gegeben...

 

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naja, § 17 wäre ja nicht gänzlich verkehrt, schlösse man sich der der strengen schuldtheorie an................

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Aberratio ictus liegt hier nicht vor, da P die Person getroffen hat, auf die sich sein Vorsatz (wenn man den annimmt) konkretisiert hat, nämlich die im Badezimmer. Selbst wenn er nur "auf eine Tür" schoss, und sich dahinter eine wider Erwarten eine Person befunden hätte, wäre das keine aberratio ictus sondern eben mangelnder Tötungsvorsatz. Es ist ein error in persona mit ETBI.

Erst am Montag im Hamburger Examen gelaufen, allerdings m.E. witzlos, ohne dass man in den ETBI einsteigen musste: Der Täter schießt dort in dem Glauben und mit bedingtem Tötungsvorsatz, eine psychisch gestörte (nicht gefährliche) Nachbarin zu treffen, die sich schon einmal in seine Wohnung verirrt hatte. Von daher schon keine hypothetische Rechtfertigung, da solche Notwehr bei zutreffender Tätervorstellung nicht erforderlich und nicht geboten gewesen wäre.

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Zu #1

Nein, mit den südafrikanischen Maßstäben kenne ich mich nicht aus. Aber der Fall bietet sich an, ihn daraufhin zu prüfen, wie er in unserer Rechtsordnung zu behandeln wäre.

 

Aus meiner Sicht sprechen viele Indizien für ein bedingt vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt (näher dazu hier http://blog.beck.de/2014/05/27/pistorius-verteidigung-am-wendepunkt im Blog in meinen beiden Zuschriften). Dann würden sich allerdings die Irrtumsprobleme gar nicht stellen.

 

 

JBY.bernd.heintschel-heinegg schrieb:
Aus meiner Sicht sprechen viele Indizien für ein bedingt vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt
Sehe ich auch so - und auch die Richterin hat mehrmals betont, dass Pistorius die Möglichkeit gehabt hätte, sich und seine Freundin anderweitig in Sicherheit zu bringen (auch unter Mitnahme seiner bereitliegenden Pistole zur Verteidigung) und die Polizei oder die Sicherheitskräfte seiner gated community zu rufen. Andere Abhilfe - die zwingende Voraussetzung für Notwehr - wäre also möglich gewesen. Er hat sich aber dazu entschieden, die Konfrontation zu suchen, den vermeintlichen Eindringling zu stellen und hat als geübter Waffenbesitzer und Schütze in einer Weise auf die Tür geschossen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit  für den dahinter Befindlichen den Tod oder schwerste Verletzungen zur Folge hatte.

@ Alan Shore: der Grundsatz der Verhältnismäßgkeit ergibt sich aus der Verfassung. Nicht alle Rechtsgüter genießen uneingeschränkten Schutz wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit - konkretisiert wird das u.a. im StGB, wo die Strafrahmen für Straftaten gegen das Leben ganz andere sind als die für Hausfriedensbruch. 

Eine "stand your ground"-Rechtsprechung, die das gegenseitige Abknallen aus nichtigem Grund erlaubt, können Sie sich doch nicht ernsthaft auch für Deutschland wünschen?

Mein Name schrieb:

@ Alan Shore: der Grundsatz der Verhältnismäßgkeit ergibt sich aus der Verfassung. Nicht alle Rechtsgüter genießen uneingeschränkten Schutz wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit - konkretisiert wird das u.a. im StGB, wo die Strafrahmen für Straftaten gegen das Leben ganz andere sind als die für Hausfriedensbruch. 

Eine "stand your ground"-Rechtsprechung, die das gegenseitige Abknallen aus nichtigem Grund erlaubt, können Sie sich doch nicht ernsthaft auch für Deutschland wünschen?

Weder Leben noch körperliche Unversehrtheit genießen nach dem Grundgesetz "uneingeschränkten Schutz".

Die Notwehrhandlung muss erforderlich sein in dem Sinne, dass kein gleich geeignetes milderes Mittel zur Verfügung stehen darf, den Angriff unmittelbar zu beenden. "Sich in Sicherheit zu bringen" beendet den Angriff nicht. An der Erforderlichkeit scheitert es im Strafrecht daher etwa so selten wie hinsichtlich der gleichwertigen Zweckerreichung im öffentlichen Recht. Was Sie vorschlagen, entspricht einem abgestuften Notwehrrecht, wie es bei schuldunfähigen Angreifern in Betracht kommt.

Das deutsche Notwehrrecht ist einer US-amerikanischen Stand-your-ground-Regel nicht unähnlich, eben weil es hierzulande grundsätzlich keine duty-to-retreat gibt, die mit stand-your-ground erst gekontert wird.

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@Mein Name

 

Andere Abhilfe ist gerade nicht die zwingende Voraussetzung für die Notwehr, jedenfalls nach deutschem Recht. Notwehr ist nicht nur Schutz-, sondern auch Trutzwehr. Der Angegriffene muß nicht ausweichen (außer bei Kindern und anderen offenkundig schuldlos Handelnden), sondern darf aktiv "zurückschlagen".  Notwehr muß nicht verhältnismäßig, sondern nur erforderlich sein. Mit dem in der Verfassung verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit können Sie nicht argumentieren, da dieser nur die Staatsorgane bindet.

 

Verhältnismäßigkeit muß nur zwischen Angriff und Abwehr gegeben sein, nicht zwischen den betroffenen Rechtsgütern.  Wenn ein flüchtender Dieb anders nicht aufgehalten werden kann, ist der Einsatz einer Schußwaffe das relativ mildeste Mittel, um den Angriff auf das Eigentum zu stoppen. Die Frage ist dann nur, wohin man schießen darf (sicher nicht gezielt in den Kopf oder den Oberkörper). Der Einsatz einer lebensgefährlichen Waffe muß ggf. angedroht werden. Fruchtet dies beim Angreifer nicht, darf geschossen, zugestochen, o.ä., werden. Wäre ja auch noch schöner, wenn man sich von irgendeinem Honk verprügeln lassen müßte, nur weil dessen Tod gesellschaftlich "nicht wünschenswert" sei.

 

Es geht nicht darum, was "wünschenswert" ist, sondern was das Gesetz erlaubt. Das "Abknallen" ist nur bei einem ganz groben Mißverhältnis nicht von der Notwehr gedeckt, z. B. Schußwaffeneinsatz wegen Diebstahls von 1 Euro. Aber ansonsten findet bei der Notwehr keine Güterabwägung statt. Recht muß dem Unrecht nicht weichen, weil es gerade kein Weicheirecht ist.

 

Allein aus beweisrechtlichen Gründen und weil die Rechtsprechung das Notwehrrecht zunehmend gering schätzt, würde ich niemanden empfehlen, von seinem Notwehrrecht gebrauch zu machen, wenn ein Ausweichen möglich ist. Zu oft schon habe ich erlebt, daß derjenige, der Notwehr oder Nothilfe geübt hat, später auf der Anklagebank saß, nicht der Angreifer.

 

 

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Sie übersehen, dass in Notwehr eben nur zum erforderlichen Mittel gegriffen werden darf, nicht zu jedem verfügbaren geeigneten Mittel. Wenn ein schmächtiger Betrunkener einen körperlich weit überlegenen, kampfsporterfahrenen Nüchternen angreift und der dann mit einem Messer zusticht, dann war das zwar ein geeignetes Mittel, aber kein erforderliches.

Das hat mit Geringschätzung durch die Rechtsprechung nichts zu tun, sondern einfach mit richtigem Sprachverständnis beim Lesen von Gesetzestexten.

@ Mein Name

Das geht m. E. etwas weit. "Alan Shore" hat eine durchaus vertretbare Meinung aufgetan, die man m. E. nicht so wegwischen kann. Das Gesetz eröffnet einen gewissen Beurteilungsspielraum, was man noch als Notwehr ansieht und was nicht. Was da noch als erlaubt angesehen wird und was nicht, ist umstritten und einem gewissen Wandel unterworfen.

Wäre im Fall "Sven G." eine andere Beurteilung nicht auch möglich gewesen?

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/streitfall-notwehr-student-sven-g-...

Oder im umgekehrten Fall "Eisenberg"?

http://www.sueddeutsche.de/bayern/regensburg-fall-eisenberg-zweifel-an-n...

Die Rechtsprechung legt gegenwärtig jedenfalls nicht immer die maximal mögliche Auslegung zu Grunde. Damit darf man durchaus der Meinung sein, dass die Rechtsprechung dieses Recht geringschätzt, verkürzt o. ä. Man muss diese Meinung ja nicht teilen, aber es ist kein "Unverständnis", sie zu vertreten, sondern nur eine andere Meinung.

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@ Gast #13:

Bei Pistorius fand eben kein Angriff eines (vermeintlichen) Eindringlings auf die Person des Todesschützen statt - Notwehr kommt darum genauso wenig in Betracht wie wenn man einem fliehenden Einbrecher bzw. Räuber ohne Warnung in den Rücken schießt.

@ Leser #12:

"Sven G." hätte sich laut Richter auch anders wehren können als gleich mit dem Messer zuzustechen und hat sich im zweiten Prozess auch zu seiner Täterschaft bekannt.

Mein Name schrieb:

@ Gast #13:

Bei Pistorius fand eben kein Angriff eines (vermeintlichen) Eindringlings auf die Person des Todesschützen statt...

Das hat niemand behauptet. Hinsichtlich der hypothetischen Notwehrlage, die Voraussetzung des Erlaubnistatbestandsirrtums ist, ist gleichwohl kein Angriff auf "die Person" des Schützen/des Irrenden erforderlich, sondern auf eines seiner Rechtsgüter. An der Stelle vermögen Sie oben offenbar nur einen Hausfriedensbruch zu sehen und verkennen dabei (neben der Erwägung, dass der Hausfriedensbruch schon reichen könnte), dass der Irrtum des Schützen sich nicht auf die Identität der anvisierten Person beschränkt sondern mit der Anwesenheit einer anderen Person logisch verknüpfte Gesichtspunkte einschließt, wie deren Absichten und die notwendigen Voraussetzungen, unter denen diese Person dorthin gelangt wäre, wo sie sich befände. In der Vorstellung des P lag seinen Angaben nach ein zumindest versuchter Wohnungseinbruchdiebstahl mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren vor.
Im Rahmen der Gebotenheit dieser hypothetischen Notwehr kann man vieles vertreten, wie Prof. Müller schon andeutete.
Die Notwehr abzulehnen, wird faktisch überwiegend auf dem Umstand beruhen, dass P auf eine geschlossene Tür feuerte, was ggf. die Kriterien der Heimtücke erfüllt und damit (weil in der Toilette kein Isolierter Angriff auf ein Rechtsgut stattfinden dürfte) in einem natürlichen Widerspruch zu einem gegenwärtigen Angriff steht (anders in der Situation, ina der jemand mit hochwertigem Raubgut davon läuft). Da es viele Gründe gibt, die Tür lieber geschlossen zu lassen, kann diese Überschreitung der Notwehr wiederum von § 33 StGB gedeckt sein.

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Zu dem von Mein Name erwähnten Fall des 77jährigen Überfallopfers, der einen flüchtendne Täter erschoss, habe ich eben einen Beitrag eingestellt; dort kann darüber diksutiert werden. Der Fall unterscheidet sich ganz gravierend vom Pistorius-Fall: Der größte Unterscheid ist, dass es sich bei Pistorius nie objektiv um eine Notwehrlage gehandelt hat und man sich zusätzlich fragt, ob Pistorius auch bei Tatsächlichkeit des nur eingebildeten Angriffs sich durch Schüsse auf die geschlossene Tür hätte wehren dürfen.

 

Um ein wesentlich härteres Urteil zu erreichen, hat die  – nach südafrikanischem Recht über der Anklagevertretung stehende – Nationale Strafverfolgungsbehörde (NPA) am Montag angekündigt, Berufung einzulegen. Angefochten werden soll sowohl der Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung als auch das Strafmaß. Nach den Medienberichten muss das zuständige Gericht die Berufung erst einmal annehmen, bevor es weitergeht.

 

Es könnte also doch noch zu einer Verurteilung wegen Mordes kommen. Darauf steht in Südafrika lebenslang, was nach der üblichen Rechtspraxis des Landes auf 25 Jahre Haft hinausläuft.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-pistorius-gericht-laesst-beru...

Seltsames Rechtssystem: die Richterin entscheidet selbst, ob sie Berufung gegen ihr eigenes Urteil zulässt - und zwar nur darüber, ob das Recht richtig angewendet wurde, aber nicht über die Höhe der Haftstrafe. Wäre interessant, ob das Berufungsgericht daran gebunden ist.

 

Am vergangenen Freitag scheiterte die Verteidigung im Hohen Gericht von Pretoria mit dem letzten Versuch, dass der Prozess im Berufungsverfahren überprüft wird.

 

Richterin Thokozile Masipa hatte – wie berichtet – von der Mordanklage freigesprochen, aber zu fünf Jahren Haft wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt. Bereits im Dezember hatte die Richterin die Berufung zugelassen. Seither bemühte sich die Verteidigung, einen weiteren Prozess mit verfahrensrechtlichen Argumenten zu verhindern. Vergebens! Am Freitag erklärte die Richterin, sie könne dem Antrag der Verteidigung nicht stattgegeben, dass sie damit ihre eigene Entscheidung widerrufen würde.

 

Zwar werden im Berufungsverfahren keine Zeugen gehört oder neue Beweismittel zugelassen, sondern es werden nur die erstinstanzlichen Prozessunterlagen überprüft. Sollte aber das Berufungsgericht Pistorius wegen Mordes für schuldig befinden, kann es ein neues Strafmaß festsetzen.

 

Auf Mord stehen mindestens 15 Jahre – und die strebt die Staatsanwalt an.

 

Nachtrag: die von deutschen Medien verbreitete Meldung, es gebe keine höhere Strafe, ist Unsinn. Das (neue) Strafmaß wird - wie im ursprünglichen Prozess - in separater Verhandlung vom High Court (also dem Gericht, vor dem auch die HV stattgefunden hat) ausgesprochen. Das wird nicht vor Januar geschehen.

https://twitter.com/BBCKarenAllen/status/672336458527711232

Volltext des Urteils online: http://justpaste.it/pf6e

Die entscheidenden Passagen:

[20] It was pursuant to this finding that the State sought, and obtained, the trial court’s leave to appeal to this court in respect of questions of law reserved under s 319 of the CPA. The questions, so reserved, were the following:

1.Whether the principles of dolus eventualis were correctly applied to the accepted facts and the conduct of the accused, including error in objecto.
2. Whether the court correctly conceived and applied the legal principles pertaining to circumstantial evidence and/or pertaining to multiple defences by an accused.
3. Whether the court was correct in its construction and reliance on an alternative version of the accused and that this alternative version was reasonably possibly true.

...

[58] The following order is made:

1 The first two questions of law reserved are answered in favour of the Director of Public Prosecutions.
2 The accused’s conviction and sentence on count 1 are set aside and replaced with the following:

‘Guilty of murder with the accused having had criminal intent in the form of dolus eventualis.’

3 The matter is referred back to the trial court to consider an appropriate sentence afresh in the light of the comments in this judgment.

Hier noch die Absätze zum Eventualvorsatz und zu error in persona:

"Although he may have been anxious, it is inconceivable that a rational person could have believed he was entitled to fire at this person with a heavy-calibre firearm, without taking even that most elementary precaution of firing a warning shot, which the accused said he elected not to fire as he thought the ricochet might harm him.
The accused must have foreseen and, therefore, did foresee that whoever was behind the toilet door might die, but reconciled himself to that event occurring and gambled with that person's life.
...
The identity of his victim is irrelevant to his guilt.
A person who causes a bomb to explode in a crowded place will probably be ignorant of the identity of his or her victims, but will nevertheless have the intention to kill those who might die in the resultant explosion."

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