33 Kündigungen gegenüber spielsüchtigem Mitarbeiter eines Ordnungsamtes

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.11.2014

Der vor kurzem vom ArbG Düsseldorf (Urteil vom 21.10.2014 - 2 Ca 3420/14) in erster Instanz (noch nicht rechtskräftig) entschiedene Fall ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen verblüfft die Anzahl der Kündigungen, die nicht unbedingt auf ein souveränes Kündigungsmanagement der Stadt Hilden schließen lässt. Ferner erstaunt die vom Kläger vorgebrachte Rechtfertigung für seine zugestandenen Verfehlungen. Der Sachverhalt stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: Der Kläger war seit ca. 23 Jahren im Ordnungsamt der beklagten Stadt Hilden als Verwaltungsfachangestellter beschäftigt. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, gebührenpflichtige Erlaubnisse, z.B. zum Betrieb einer Schankwirtschaft und zur gewerbsmäßigen Aufstellung von Spielgeräten, erteilt und die - zum Teil überhöht festgesetzten – Gebühren selbst vereinnahmt zu haben. Die insgesamt veruntreute Summe beläuft sich auf mehr als 100.000,00 Euro. Der Kläger hat die ihm zur Last gelegten Taten eingeräumt, aber die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihm gleichwohl nicht kündigen dürfen. Aufgrund seiner Spielsucht fehle ihm die Impuls- und Steuerungsfähigkeit, so dass ihm die Handlungen nicht vorwerfbar seien. Entsprechend einer bei ihr geltenden „Dienstvereinbarung Sucht“ sei die Beklagte verpflichtet gewesen, vor dem Ausspruch einer Kündigung zunächst ein abgestuftes Verfahren, bestehend aus Erstgespräch, Zweitgespräch, Ermahnung, 1. Abmahnung und weiterer Abmahnung, zu durchlaufen. Die Beklagte, für die seine Spielsucht offensichtlich gewesen sei, habe ihre Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt. Das Arbeitsgericht hat die gegen die Kündigungen (insgesamt 33 Tat- bzw. Verdachtskündigungen) gerichtete Klage abgewiesen und bereits die erste Kündigung als wirksam erachtet. Es hält die „Dienstvereinbarung Sucht“ für nicht einschlägig. Die Auslegung der Vereinbarung ergebe, dass das darin geregelte abgestufte Sanktionsverfahren Pflichtverletzungen wie z.B. Verspätungen oder qualitative Fehlleistungen betreffe, die auf typischen, suchtbedingten Ausfallerscheinungen beruhten, nicht aber strafbare Handlungen. Die Darlegungen des Klägers zu seiner angeblichen Steuerungsunfähigkeit seien nicht hinreichend konkret. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar erklärt worden, warum der Kläger – was unstreitig ist – seine Pflichten immer wieder auch ordnungsgemäß habe erfüllen können. Im Übrigen könne eine außerordentliche, fristlose Kündigung, für die das Gesetz nicht zwischen verhaltens-, personen- und betriebsbedingten Gründen differenziere, auch auf eine nicht schuldhaft begangene, schwere Pflichtverletzung gestützt werden.

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5 Kommentare

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Es sieht so aus, als ob  bei der Entscheidung ein wenig  "schwarzweiss" gemalt wurde, ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Spielsucht ist eine Krankheit, so dass esich vorliegend nicht um einen verhaltensbedingten Kündigungsgund handelt, sondern um einen personenbedingten Grund, sofern der Sachverhalt wie beschrieben zutreffend war. Richtig ist auch, dass es grundsätzlich eine personenbedingte außerordentliche Kündigung geben kann. Jede Kündigung, die unter das KSchG fällt, unterliegt jedoch dem Ultima-Ratio-Prinzip. Dies bedeutet, dass vorliegend hätte überprüft werden müssen, ob es Einsatzmöglichkeiten des Arbeitnehmers bei seinem Arbeitgeber gab, bei denen er überhaupt keine Möglichkeiten hatte , Gelder zu veruntreuen.

 

Also: alles sehr schnell über einen Kamm geschert das Ganze. Nach dem Motto: Straftat, daher außerordentliche Kündigung. Dass Spielsucht eine Krankheit ist, dürfte doch mittlerweile auch bei den Arbeitsgerichten durchgesickert sein.

 

 

Daher :  in Berufung gehen und weiter kämpfen!

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Ein Mitarbeiter im Ordnungsamt, der Gewerbeerlaubnisse erteilt. räumt ein, sich selbst nicht mehr steuern zu können. Jeder Vorgesetzte begeht ein Dienstvergehen, wenn er diese Person weiter im Ordnungsamt einsetzt! Der Schutz der Allgemeinheit vor unfähigen Amtswaltern wiegt deutlich höher als der Kündigungsschutz im Krankheitsfall. 

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@Jonathan Forster:

 

genau deswegen hätte kündigungsschutzrechtlich überprüft werden müssen, ob der Mitarbeiter auf einen anderen freien Arbeitsplatz hätte versetzt werden müssen.

 

Für dne Schutz der Allgemeinheit ist das Strafrecht zuständig, nicht das Kündigungsschutzrecht.

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