Lehrbeauftragte an Universitäten – prekäre Beschäftigung?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.11.2014

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse findet man heutzutage in unterschiedlichsten Formen quer durch alle Branchen, auch an den Universitäten. Sie vergeben vielfach Lehraufträge an nicht angestellte externe Personen. Eigentlich dienen solche Lehraufträge der Ergänzung des Lehrangebots, indem auswärtige Expertise in die Hochschulen getragen wird. Doch in so manchen Fällen decken Lehrbeauftragte offenbar auch die Pflichtlehre ab und müssen von wenigen befristeten Lehraufträgen leben. Der Rückgriff auf kärglich bezahlte Lehrbeauftragte entlastet dabei die notorisch klammen Kassen der Universitäten bzw. der Länder. Darauf haben die Lehrbeauftragten Anfang November im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages aufmerksam gemacht. Auch Stefan Laube greift in einem Beitrag für die FAZ vom 12.11.2014 dieses Thema auf. Die Überschrift ist provokant: „Prekariat der Lehre – über Hungerlöhne als Normalfall an Hochschulen“. Besonders betroffen sind nach Angaben des Autors die Musik- und Kunsthochschulen sowie die Geisteswissenschaften und Sprachenzentren an Universitäten. Offenbar gibt es hier unterschiedliche Kulturen. Der Verf. dieser Zeilen hat mehrere juristische Fakultäten kennengelernt und solche Beobachtungen nicht machen können. Lehrbeauftragte an juristischen Fakultäten sind meistens renommierte Praktiker, die finanziell gut situiert sind und oftmals sogar auf die Vergütung ihres Lehrauftrags verzichten. Meist geht ihr zeitliches Engagement auch nicht über zwei Semesterwochenstunden hinaus. Das stellt sich jedoch offenbar in anderen Bereichen grundlegend anders dar. Es lässt schon aufhorchen, dass an der FU Berlin 12,3 Prozent der Lehrstunden von Lehrbeauftragten wahrgenommen werden. Die Bezahlung pro Stunde bewegt sich im Bereich der Mindestlohngrenze, die jedoch mangels Arbeitnehmerstatus dieser Personen keine Anwendung findet. Laube spricht von einem „akademischen Niedriglohnsektor, ohne den der Lehrbetrieb nicht aufrechtzuerhalten wäre.“ Eine schlagkräftige Lobby scheint dieser Personenkreis nicht zu haben. Es sind zwar mehrere Resolutionen und Petitionen verfasst worden, in denen die Verantwortlichen aufgefordert werden, überall dort Dauerstellen einzurichten, wo Daueraufgaben durch Lehraufträge abgedeckt werden. Zudem sollten die Honorare der Lehrbeauftragten erhöhte werden. Bewegung ist in die Sache bislang jedoch nicht gekommen, obwohl hier tatsächlich einiges im Argen zu liegen scheint. Geboten ist eine gründliche Bestandsaufnahme, um sodann über die sich daraus ergebenen strukturellen und finanziellen Konsequenzen zu diskutieren. 

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9 Kommentare

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Die Beschäftigung von Lehrbeauftragten mit weit unter dem "Mindestlohn" liegenden Vergütungen ist auch im Bereich der Juristerei üblich. Rechnet man die Vorbereitungszeit und die bei manchen Lehraufträgen ohne besondere Vergütung inkludierte Korrektur- und Prüfungsarbeit ein, kommt man auf Stundenlöhne von unter 4 EUR brutto. Dabei sind nicht alle Lehrbeauftragte "gut situierte" Juristen, die das ehrenhalber machen, sondern Mitglieder des akedemischen Nachwuchses, denen man die Wurst einer späteren Hochschullaufbahn vor die Nase hält, damit sie möglichst lange für möglichst wenig dieser hinterher laufen. Da der Nutznießer aber der Fiskus ist, kann man getrost eine Ausnahme vom Mindestlohn machen. Auch über Sittenwidrigkeit wird an dieser Stelle nur selten (vor Gericht) diskutiert. Leider.

Grüße von einem früheren Lehrbeauftragten, der zu dieser Zeit noch jung war und eine angemessene Vergütung für den Lebensunterhalt seiner Familie gut hätte gebrauchen können.

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@RA Splendor:

 

Vielen Dank Herr Kollege, dass ein tatsächlich Betroffener sich  hier mal zu Worte meldet, wenn auch ein ehemals Betroffener. Leider sind die Mitglieder unserer Zunft zu "feige" oder zu "devot", um derartige Missstände anzuprangern. Doch wer ewig kriecht, kann irgendwann seine Schwingen zum Fluge nicht mehr ausbreiten.

 

Welche Lobby sollte sich denn zum Schutz der Lehrbeauftragten entwickeln? Der Staat? Sicherlich nicht , denn dieser profitiert doch von derartigen "Versklavungsverhältnissen". Die etablierten Professoren? Diese ganz sicherlich auch nicht, denn die Lehrbeauftragten nehmen Ihnen ja die nTätigkeiten ab und daher bleibt dann mehr Zeitraum für lohnende Nebentätigkeiten.

 

@Prof.Stoffels:

 

Ihre Feststellung, dass an den juristischen Fakultäten alles im Reinen ist, kann ich ich nicht teilen. Die Tatsache, dass sich dort niemand beklagt, bedeutet nicht, dass es dort keine Missstände gibt.

 

Also, was tun?: Die Schwingen ausbreiten und fliegen, anstatt auf dem Boden herumzukriechen.

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siehe schon hier:

DIE ZEIT Nr.  16/2000,  Akademische Tagelöhner - Ohne Lehrbeauftragte an Hochschulen wäre die Qualität der Lehre in Gefahr. Doch sie verdienen schlecht, und ihr Unmut wächst

 

VON WALTER SCHMIDT

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Aus Erfahrungen sowohl als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer universitäten juristischen Fakultät, universitärem Klausur-/Hausarbeitenersteller- und Korrektor sowie als Lehrbeauftragte an einer Hochschule sind meine Erfahrungen die Folgenden:
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter hat man viel Arbeit mit den Lehrveranstaltungen nur dann, wenn man sich wirklich engagiert und den Studenten viel mitgeben möchte. Leider sind das die Wenigsten, die Meisten schreiben lieber schnell ihre Diss runter und sind weg. Das Hauptproblem hierbei ist, dass zu wenige Stunden bezahlt werden - wenn man Lehrstuhlarbeit und Vorlesungen / Arbeitsgemeinschaften zusammenzählt kommt zumeist doch mehr als die übliche halbe Stelle raus.

Klausuren/Hausarbeiten erstellen und korrigieren wird deutlich zu gering bezahlt. Mich verwundert die 4-Punkte-Mentalität à la "viele Fehler sowohl im Inhalt als auch im Aufbau, vgl. im Einzelnen die Besprechung, aber wegen erkennbarer Ansätze noch 4 Punkte" nicht mehr - wenn man eine Klausur richtig korrigiert, mit ausreichend verwendbarem Feedback für die Studenten, dauert das für eine 2-3stündige Klausur gut 30 Minuten, plus Vor- und Nachbereitung der Korrektur (Einarbeiten in den Sachverhalt, ggf. Erstellen einer Lösungsskizze, Erstellen von Listen... ca. 2 h). Dafür gibt es je Klausur ca. 4-6 Euro. Von Hausarbeiten fange ich gar nicht erst an.

Lehrbeauftragte erhalten meist einen guten Stundenlohn für die Unterrichtszeit, aber eben nichts für die sehr aufwändige Vorbereitung. Rechnet man diese mit ein lohnt sich so ein Auftrag keinesfalls (es sei denn man hält dieselbe Vorlesung mehrfach hintereinander und verwendet immer wieder dieselben Materialien). Allerdings ist es schon so, dass alle, die ich kenne, einen solchen Lehrauftrag parallel zu ihrer Haupttätigkeit ausführen und nicht auf das Geld angewiesen sind. Motivation sind eher die Reputation, das Vitamin-B und das Interesse daran, Wissen weiterzugeben.

 

Quintessenz: Jedem ist es selbst überlassen, ob er in irgendeiner Form wissenschaftlich / lehrend / korrigierend tätig wird. In jedem Fall ist es - theoretisch - möglich, den Aufwand sehr in Grenzen zu halten und den Stundenlohn relativ hoch zu halten. Allerdings sollte man sich der Verantwortung bewusst sein, die mit solch einer Tätigkeit verbunden ist. Daher wünsche ich mir vermehrt solche Leute, die so etwas aus Überzeugung machen und das in Anbetracht der geringen Vergütung eher als eine ehrenamtliche Tätigkeit betrachten.

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D.R. schrieb:
Daher wünsche ich mir vermehrt solche Leute, die so etwas aus Überzeugung machen und das in Anbetracht der geringen Vergütung eher als eine ehrenamtliche Tätigkeit betrachten.

Wenn das die Regel sein soll, werden akademische Meriten nur noch Menschen einsammeln können, die entweder zölibatär und in geradezu mönchischer Bescheidenheit leben oder aus wohlhabender Familie kommen. Ist der Doktor-Titel oder die Hochschullehrerlaufbahn den Kindern der Oberschicht und oberen Mittelschicht vorbehalten? Ich dachte, das hätten wir hinter uns.

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Wissenschaftlicher Mitarbeiter muss man ja nicht zwangsläufig sein, um zu promovieren, das geht auch neben einer anderen Beschäftigung - oder man lässt sich eben (so wie ich, die weder "zölibatär" gelebt hat noch aus einem wohlhabenden Elternhaus kommt) etwas länger Zeit mit der Diss und macht seine Aufgaben mit ein bisschen mehr Zeitaufwand (und mal ehrlich: Welcher 40h/Woche-Angestellter kommt nach 40h raus? ;)). Im Zweifelsfall sind mir die paar Stunden extra pro Woche, die ich in meine Arbeitsgemeinschaften/Seminare/Vorlesungen investiert habe, zu Gute gekommen, weil sie bei mir nochmals für eine andere Wissensverarbeitung gesorgt haben und mir das insbesondere im anschließenden Referendariat geholfen hat.

Auch Korrektor oder Lehrbeauftragter muss niemand werden, im Gegenteil: Nur wer wirklich Spaß daran hat und es nicht nur wegen des Geldes macht, ist zumeist ein wirklich guter Korrektor bzw. Dozent.

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@D.R.:

 

Wenn wir argumentieren, dass ein Lehrbeauftragter ja nicht gezwungen sei, als Lehrbeauftragter tätig zu ein und es deswegen keinen Grund zu "klagen" gäbe, dann wären wir arguemntativ wieder im tiefsten Mittelalter unserer Arbeitsrechtsordnung angelangt. Insofern stimmt der Einwand von RA Splendor, dass dann die universitäre Lehrlaufbahn der Oberschicht vorbehalten wäre, die es sich leisten kann, eine Tätigkeit auszuüben, ohne davon leben zu müssen.

 

Ein Arbeitnehmer, der für einen sittenwidrigen Lohn arbeitet, muss grundsätzlich diese Tatigkeit auch nicht ausüben. Er kann auch von Hartz-IV leben oder sich eine andere Tatigkeit suchen.Trotzdem gibt es so etwas wie den Wucherlohn.

 

Eine Lösung des Problems wäre, diejenigen Professoren, die zwischenzeitlich den Großteil ihres Einkommens aus Nebentätigkeiten, wie Bücher, Fortbildungen, Gutachten etc. beziehen, aus der staatlichen Alimentierung herauszunehmen und die dadurch frei werdenden Gelder anderweitig zu verteilen.

 

Das Argument der "Freude an der Tätigkeit" müsste für Professoren gleichermaßen gelten. Ferner sollte das Prinzip "Gleiches Honorar für gleiche Arbeit" gelten. Gebt den Professoren doch den gleichen Stundensatz für eine Lehrstunde wie für den Lehrbeauftragten und schafft die dauerhafte Staats-Alimentierung unserer Professoren ab.

 

 

 

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Ich verstehe durchaus, dass man da unterschiedlicher Auffassung sein kann, und will gar nicht sagen, dass meine Meinung die "einzig Richtige" ist. Aber es sind meine persönlichen Erfahrungen aus insgesamt 5 Jahren Lehr- und Korrekturtätigkeit.

Müsste man Ihrer Auffassung nach auch sämtliche ehrenamtliche Tätigkeiten als gegen geltende Entlohnungsgrundsätze verstoßend untersagen? 

Kein Lehrbeauftragter ist in einem solchen Ausmaße tätig, dass diese Tätigkeit sein Haupteinkommen darstellen kann und soll. Hinzu kommt, dass gerade Praktiker mit ausreichend - gerade auch parallel erworbener Erfahrung - ihr Wissen weitergeben sollten. Dies impliziert aber doch, dass eine Lehrtätigkeit nur wenige Stunden pro Woche umfasst, mithin muss sie mE nicht wie normale Hauptätigkeiten bezahlt werden.

Des Weiteren erhalten nicht diejenigen Juristen einen Lehrauftrag, die gerade so kürzlich ihre Examina geschafft haben und sich nun anfangs mühsam mit freier Mitarbeit & Co. ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern in der Regel diejenigen, die ausreichend Erfahrung sowohl in der Lehre als auch in der Praxis vorweisen können - damit sollte man aber auch anderweitig in der Lage sein, genug zu verdienen.

Hinzu kommt, dass man es eben - wenn man dies mit sich vereinbaren kann - auch so hinbekommt, dass ein guter Stundenlohn herauskommt, aber dann stelle ich mich wirklich nur vor die Studenten und erzähle, was mir gerade in den Sinn kommt. Eine gute Lehre sieht zwar anders aus, aber mei...

Als weiterer Denkanstoß: Wer soll etwaig höhere Vergütungen für Lehrbeuauftragte zahlen? Die Studenten? Ach nein, stop, geht ja nicht, Studiengebühren sind ja abgeschafft (die waren in dieser Höhe auch wirklich untragbar *Ironie off*). Der "Staat"? Das heisst, dass die Krankenschwester/der Frisör/die Bürokauffrau - die sich teilweise selbst tausende von Euro für ihren Meister über Jahre hinweg mühsam zusammensparen müssen - nun noch mehr für deutsche Hochschulen und Universitäten zahlen müssen?

Fakt ist: Ich (ich spreche nicht für andere) habe sehr gerne unterrichtet und auch von frischen Ideen und anderen Herangehensweisen profitiert und werde dies auch weiterhin - ggf. auch  "ehrenamtlich", dh ganz ohne Bezahlung, tun. Und Letzteres nicht, weil ich aus einem reichen Elternhaus komme (ganz im Gegenteil!) oder weil ich jetzt unglaublich viel verdienen würde, sondern weil ich mir als Studentin Mitarbeiter und Lehrkräfte mit etwas mehr Motivation und Liebe zur Lehre gewünscht hätte und mir mein Hauptberuf ein halbwegs sorgenfreies Leben ermöglicht.

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Als Lehrbeauftragter, der von den Honoraren tatsächlich lebt und leben muss, möchte ich meinem Vorredner vehement wiedersprechen: Zumindest in Berlin ist es gang und gäbe, dass ein sehr großer Teil (50-60%) von Lehrbeauftragten (ich rede hier primär von Fachhochschulen und Berufsakademien, da ich mich in diesem Markt besser auskenne) geleistet wird. Es gibt also durchaus eine Reihe von sehr gut qualifizierten Personen (mit Promotion), die de facto hauptberuflich in diesem Markt arbeiten.

Nun ist das eigentlich Tragische, dass es eigentlich gut und richtig ist, dass Lehrende - zumindest zum großen Teil - Freiberufler sind. Grundsätzlich ist freiberufliches Lehren wünschenswert aus folgenden Gründen wünschenswert:

1. Hohe fachliche Qualifikation

2. Hohe Qualität in der Lehre durch Aufbauen von Routinen und pädagogisch-didaktischen Fertigkeiten.

3. Entlastung der Arbeitsorganisation (Hochschule) durch fexibel einsetzbare Fachkräfte.

4. Hohes Maß an Input durch Externe Lehrende (damit auch die Verhinderung von Verkrustung der Lehre)

5. Ständige Verbesserung der Lehre durch Evaluation der Lehre. Hierbei hat der freiberuliche Dozent den Vorteil, dass er, wenn es gut läuft, mehr unterrichtet  - und, wenn es nicht "gut läuft" (z.B. er kommt mit den Studierenden an einem bestimmten Fachbereich nicht klar, dort weniger unterrichtet). Mit anderen Worten findet also ein ganz normaler Prozess der besten Allokation von Arbeitskraft statt.

6. Was könnte für die Lehre besser sein als wenn der Lehrende seine Kurse flexibel an vielen verschiedenen Hochschulen unterrichtet? Nichts schult mehr (und ist interessanter) als in unterschiedlichen Kontexten zu lehren; und an Universitäten/Hochschulen sollten doch unterschiedliche Lehrmeinungen und Lehrstile vorkommen.

 

Ein solches System von Lehren ist wesentlich flexibler und innovativer als das System vom verbeamteten Hochschullehrer und Lehrern. Diese lässt sich - pointiert so beschreiben:

a) Für Hochschullehrer: Mit viel Leistung, viel Networking, vielen Publikationen, guten "Buckelfähigkeiten", Glück usw. gelangen wenige zur verbeamteten Professur (die anderen werden aussortiert; eine Verschwendung von ideellen und materiellen Ressourcen). Wer dann schließlich Professor ist, mag in allem gut sein - wie Organisation, Forschung, Networking usw.; - aber ist er deshalb ein guter und motivierter Hochschullehrer?

b) Lehrer an Schulen: hier ist es sicher einfacher an einen festen und recht gut dotierten Job zu kommen, was bekanntlich viele (auch Minderinteressierte und Begabte) zum Lehrerberuf treibt. Problematisch ist, dass es hier keine Flexibilität mehr gibt. Wer einmal Lehrer ist, wird - auch, wenn er eigentlich keine Lust mehr darauf hat weiter Lehrer bleiben: Ich weiß, dass ich Klischees bediene, aber frühpensionierte, genervte und ausgebrannte Lehrer gibt es nun wirklich genug (und an den Hochschulen ist das Äquivalent der gelangweilte Professor, der sein Pflichtlehrdeputat noch absitzt).

Zwar wird es immer die Notwendigkeit geben die Lehre an Hochschule teilweise durch feste Mitarbeiter (Stabilsierung von Standards und Routinen) zu bestreiten; zugleich ist freiberufliche Dozententätigkeit aber insgesamt sehr wünschenswert.

 

Das Problem ist die Ausgestaltung der Sozialsysteme und die niedrigen Honorare.

a) Ausgestaltung der Sozialsysteme: Dass Geringverdiender von der Degression der Sozialssysteme benachteiligt werden, ist ein allgemein und immer wieder von der OECD kritisierten Problematik, die natürlich auch freiberufliche Dozenten betrifft. Hinzu kommen die hohen Mindestbeiträge (fiktive Bemessung) bei der Krankenkasse (bei GKV).

b) Eine besondere "Sauerei" - hier kann man nur noch den umgangssprachlichen Begriff verwenden - ist, dass Lehrbeauftragte, die dies als Nebenberufliche Tätigkeit ausüben und tatsächlich ggf. gut verdienen, dies i.d.R. steuer- und sozialversicherungsfrei einnehmen dürften. Mit anderen Worten: Wer gut verdient, darf die niedrigen Honorare komplett steuer und abgabenfrei behalten; - wer dagegen tatäschlich davon leben muss, der muss Steurn und Sozialabgaben hierauf entrichten.

c) Die sehr niedrigen Honorare: Eine Lehrerstunde kostet bei einem angestellten Lehrer ca. 55 €, bei einem verbeamteten ca. 75 €.; ein Professor dürfte bei ca. 120 € liegen (hier könnte man natürlich weiter differenzieren Besoldungsgruppe, Beamtenstatus, Universitäten oder Fachhochschule usw.). Demgegenüber erhalten Lehrbeauftragte zwischen 21,60 (z.B. Humboldt Universität) bis ca. 50 € (hierin bereits eingepreist ist das höhere Risiko, ob ein Folgeauftrag gegeben wird und weitere Risiken, z.B. Krankheit usw.). Dies entspricht einem Jahrebruttoeinkommen von ca. 12000 bis ca. 30000 €. Wenn man Sittenwidrigkeit ( wie im Arbeitsrecht üblich) a) "Ausnutzung einer Zwangslage" (empirisch häufig die instabile Situation nach Studienabschluß und temporäre Lehraufträge) und die Unterschreitung des üblichen Lohnes um 30% als sittenwidrig definiert, so kann nur von sittenwidrigen Honaren die Rede sein. 

d) Wenige gestresste Professoren (guter Status, gutes Einkommen, hoher Arbeitsaufwand), viele gestresste und prekäre Wissenschaftler (schlechter Status, schlechtes und unsicheres Einkommen, hoher Arbeitsaufwand oder Unterbeschäftigung).

Wir verschwenden Humanressourcen und produzieren Armut.

 

Die Lösung ist einfacht: Echte Honorare zahlen (wie in der Schweiz)

1. Honorare - wie bereits mein Vorredner vorschlug - anpassen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Das bedeutet pro Lehreinheit sollten ca. 100 bis 120 € (je nach Qualifikaitonsniveau; - hier könnte man beispielsweise auch nach Honorierung abhängig von Lehrerfahrung nachdenken) gezahlt werden. Das entspräche dann bei 600 Unterrichtseinheiten pro Jahr (ich habe hier einfachheitshalber ein annäherungsweises Fachhochschullehrerdeputat zugrunde gelegt). Das würde dann (bei 100 €) einem Jahresverdienst von ca. 60000 (bzw. 72000 bei 120 €) Arbeitgeberbrutto entsprechen. Legt man 55000 € für eine Lehrerstelle (altes BA II) zugrunde und bedenkt man, dass Dozierende an Hochschulen die späteren Schulleher unterrichte, so ist dies wohl gerechtfertigt (siehe zu dieser Argumentation auch das BVerfG zu der Frage, der Anpassung der Professorenbesoldung).

2. Eine - zumindest teilweise Gegenfinanzierung - könnte man dadurch erreichen, dass man die Steuer- und Abgabenbefreiung der Lehraufträge aufhebt. Dies wäre verteilungspolitisch (wer mehr verdient zahlt mehr Steuern- und Abgaben und, wer weniger verdient, eben weniger) sinnvoll. Zudem könnte hierdurch zumindest teilweise eine Gegenfinanzierung stattfinden  (Extrembeispiel: 50 € steuer- und abgabenbefreites Honorar heute entsprechen im Extremfall (wenn Person im Stitzensteuersatz ist und an allen Beitragsbemessungsgrenzen) in etwa 100 bis 120 €). Zudem sollte berücksichtigt werden, dass höhere Honorare (die dann natürlich versteuert und verbeitragt werden) zumindest teilweise wieder zurück fließen. Ich möchte das Ganze hier nicht schön rechnen: Es wird ein zutätzlicher Finanzierungsbedarf entstehen. 

Ich denke aber, dass es auf die Dauer nicht gut ist, wenn der staatliche Akteuer wie Hochschulen sittenwidrige Löhne zahlt.

Viele Grüße,

JH

 

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