Fall Mollath - Einige Anmerkungen zur schriftlichen Urteilsbegründung des LG Regensburg

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.11.2014

Die schriftlich verfassten Gründe des noch nicht rechtskräftigen Urteils im wiederaufgenommenen Prozess gegen Gustl Mollath liegen seit 14 Tagen  vor.

Ein erster Blick in die mit 120 Seiten außergewöhnlich umfangreiche Begründung bestätigt meinen Eindruck aufgrund der Pressemitteilung am Tag der mündlichen Urteilsverkündung.

Damals hatte ich von einem „salomonischen Urteil“ geschrieben und bin dafür kritisiert worden. Vielleicht habe ich das Wort „salomonisch“ unangemessen gebraucht – gemeint war, dass dieses Urteil für Herrn Mollath einerseits einen Erfolg darstellt, andererseits auch nicht. Erfolgreich für ihn ist es insofern, als die jahrelange Unterbringung aufgrund einer nachgewiesenen gefährlichen Wahnerkrankung, Ergebnis des Urteils des LG Nürnberg-Fürth, nun vom LG Regensburg nachträglich als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen wurde. Herr Mollath ist für die Unterbringungszeiten zu entschädigen.

Dieses Urteil ist aber nur Teil eines außergewöhnlichen Gesamterfolgs: Vor gut zwei Jahren, Anfang November 2012, war Herr Mollath ein seit sechseinhalb Jahren in der forensischen Psychiatrie Untergebrachter und nahezu ohne Chance in absehbarer Zeit freigelassen und rehabilitiert zu werden. Auf seiner Seite standen zwar schon damals einige private Unterstützer, eine Strafverteidigerin und einige Journalisten. Auf der Gegenseite, die ihn als nach wie vor gemeingefährlichen Wahnkranken ansah, standen aber nicht nur das seit 2007 rechtskräftige Urteil, sondern  auch seine Behandler in der Psychiatrie, mehrere psychiatrische Gutachter, die Strafjustiz an drei bayerischen Standorten und die zunächst noch vom Ministerpräsidenten gestützte bayerische Justizministerin. Gegen diese Institutionen hat Gustl Mollath im Verlauf eines knappen Jahres die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens, und zwar in einmaliger Weise auf Antrag der Staatsanwaltschaft (!), die Freilassung aus der Unterbringung, eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde und nunmehr auch ein neues Urteil erreicht. Im Verlauf dieser Zeit wurden anhand des „Falls Mollath“ außerdem wichtige Fehlkonstruktionen aufgedeckt, was in ein Bundesgesetzgebungsverfahren (StGB) sowie ein Landesgesetzgebungsverfahren (Maßregelvollzugsgesetz) mündete. Ohne dies aktuell empirisch überprüft zu haben: Ein solcher Erfolg ist in der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte einmalig. Wer nun davon spricht (sei es auf Seiten Herrn Mollaths oder auf der Gegenseite), Herr Mollath sei insgesamt gescheitert, der hat einen verzerrten Blick auf die Wirklichkeit. Allerdings: Die verlorenen Jahre kann ihm niemand zurückgegeben; die zu erwartende Entschädigung kann diesen Verlust nicht ansatzweise ausgleichen.

Zugleich enthält das Urteil auch einen „Misserfolg“ für Gustl Mollath, weil  der schwerste Vorwurf, seine Frau am 12.08.2001 geschlagen, gebissen und gewürgt zu haben, als seine rechtswidrige Tat festgestellt wurde. Seiner Darstellung, diese Tat habe so gar nicht stattgefunden bzw. er habe sich nur gegen einen Angriff seiner Frau gewehrt, ist das LG Regensburg nicht gefolgt. Dieser Misserfolg fällt allerdings gegenüber den oben genannten Erfolgen geringer ins Gewicht.

Die  Beweiswürdigung zum Tatvorwurf am 12.08.2001, ausgeführt auf  mehr als 50 Seiten der Urteilsgründe, ist nicht nur ausführlich, sondern akribisch und auch logisch stimmig. Im Kern glaubt das Gericht den Angaben der Nebenklägerin, die sie im früheren Verfahren gemacht hat, und den Beobachtungen des Arztes, den sie zwei Tage nach der Tat aufsuchte. Eine sehr kritische Würdigung dieser Angaben war geboten, denn die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung nicht ausgesagt, aber dennoch auf den geschilderten Vorwürfen beharrt. In einem Strafprozess, der als Prinzipien die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung kennt, ist ein solches Aussageverhalten  problematisch. Der BGH hat es dennoch zugelassen, die früheren Angaben eines Hauptbelastungszeugen zu verwerten, auch wenn dieser  die Aussage in der Hauptverhandlung (berechtigt) verweigert. Allerdings erweist sich eine derartige Beweiswürdigung auch im Fall Mollath als bedenklich: Die schriftlich niedergelegten Angaben der Nebenklägerin konnten praktisch nur untereinander und indirekt über die Vernehmung von Drittzeugen geprüft werden, ohne dass die Nebenklägerin in Gefahr geraten konnte, sich bei Rückfragen  in Widersprüche zu verwickeln. Da das Gericht die Nebenklägerin nie persönlich gesehen hat, konnte ein Gesamteindruck der entscheidenden personalen „Quelle“ der Vorwürfe nicht gewonnen werden. Wenn sich das Gericht dann zentral auf die früheren Aussagen stützt, muss diese Würdigung mit Leerstellen auskommen, die positiv gefüllt werden. So spricht nach Auffassung des Gerichts für die Glaubhaftigkeit der Angaben zentral, dass die Nebenklägerin zum Zeitpunkt ihrer ersten Angaben über die Tat noch nicht die Absicht gehabt habe, sich von ihrem Mann zu trennen bzw. ihn anzuzeigen. Vielmehr habe sie ja noch Monate mit ihm zusammengelebt. Gerade dieser Umstand kann aber auch umgekehrt interpretiert werden: Dass sie noch so lange mit ihm zusammengeblieben ist, könnte eher gegen einen lebensgefährlichen Angriff sprechen. Welche Absicht die Nebenklägerin mit dem Attest positiv verfolgte, ist unbekannt. Dass es keine Motive gewesen sind, die dem Wahrheitsgehalt ihrer Angaben entgegenstanden, wird vom Gericht unterstellt. Dass die Gründe in der "Vorsorge" für ein späteres Scheidungsverfahren gelegen haben könnten, wird vom Gericht nicht diskutiert. Im Übrigen stützt sich die Kammer darauf, dass es sich bei den Tatschilderungen im Kern um konstante und darum auch zuverlässige Äußerungen handele. Das Konstanzkriterium ist allerdings ein recht schwaches Wahrheitsindiz, weil es auch einer lügenden Person ohne Weiteres gelingen kann, eine konstante Tatschilderung in mehreren Vernehmungen aufrecht zu erhalten. Angaben zum Randgeschehen (wie kam es zur Tat, was passierte vorher und nachher?) sind in den verwerteten Angaben nicht enthalten. Hierzu hätte es zur Aufklärung der mündlichen Vernehmung der Nebenklägerin bedurft.

Anders als die Nebenklägerin hat sich der Angeklagte als Beweismittel gegen sich selbst auch in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt. Seine Äußerung, er habe sich gewehrt, wird vom Gericht dahingehend gewürdigt, dass es jedenfalls am 12.08.2001 zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sein müsse. Diese Würdigung ist nachvollziehbar. Wenn es eine Auseinandersetzung gab, bei der sich der Angeklagte gewehrt hat, dann kann erwartet werden, dass dieser die Auseinandersetzung auch im Einzelnen schildert. Hierzu aber schwieg der Angeklagte in der Hauptverhandlung. Es trifft allerdings nicht zu, dass sich – wie das Gericht meint (S. 66) – die Verteidigungsstrategien Mollaths (einerseits: Verletzungen vom Sprung aus dem Auto, andererseits: Verletzungen von einer Gegenwehr) widersprechen: Es ist denkbar, dass beides zutrifft und die Verletzungen von der Nebenklägerin beim Arzt als von einem einzigen Ereignis herstammend geschildert wurden.

Zentral ist der Zeuge Reichel, nach dessen Aussage er die Nebenklägerin zwei Tage nach der vorgeworfenen Tat gesehen hat und Verletzungszeichen schildert, die zu den Schilderungen der Nebenklägerin passen. Auch hier bemüht sich die Kammer, eventuelle Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen. [Update 22.02.2015: Das Zustandekommen des Attests und des zugrundeliegenden Krankenblattinhalts ist sowohl inhaltlich als auch datumsmäßig  nach wie vor nicht eindeutig nachvollziehbar, diesbezügliche Widersprüche in der Darstellung Reichels wurden in der HV nicht geklärt.]

Insbesondere bleibe ich bei meiner schon kurz nach dem Urteil geäußerten Auffassung, dass die Frage der gefährlichen Körperverletzung durch eine das Leben gefährdende Handlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) für mich nicht zweifelsfrei erwiesen ist. Da es keine Fotografien der Hämatome gibt, war das Gericht allein auf die – von ihm selbst eingeräumt – unzuverlässige Erinnerung des Arztes angewiesen und auf die durch den Arzt indirekt vermittelte Angabe der Nebenklägerin. Zum Würgen (auch mit Würgemalen) gibt es eine umfassende,  im Kern auch differenzierende Rechtsprechung. Die Schlussfolgerung, nicht näher dokumentierte Würgemale gingen in jedem Falle mit einer Lebensgefährdung einher, wird in der BGH-Rechtsprechung nicht geteilt. Die Angabe der Nebenklägerin, sie sei kurzfristig bewusstlos gewesen, beruht allein auf ihrer nicht überprüfbaren und auch von keinem weiteren objektiven Indiz bestätigten Angabe.

Das Gericht kommt hinsichtlich der Schudfrage zu dem Schluss, Herr Mollath habe am 12.08.2001 nicht ausschließbar unter Einfluss einer schwerwiegenden Störung gehandelt, die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB geführt habe. Obwohl dies in dubio pro reo zu einer Entlastung Mollaths führt, so dass er für den Angriff auf seine Frau weder bestraft noch untergebracht werden kann, wird diese Wertung von ihm als belastend empfunden. Ob diese subjektive Belastung als „Beschwer“ für eine Rechtsmittel (Revision) genügt, wird sicherlich Gegenstand der Begründung des von Mollath und seinem neuen Verteidiger eingelegten Rechtsmittels  sein.

Ohne auf diese verfahrensrechtliche Frage näher eingehen zu wollen, kann man aber bezweifeln, dass die materiellen Maßstäbe, die das Gericht hier an eine Subsumtion der Merkmale des § 20 StGB (und sei es auch nur in dubio pro reo) angelegt hat, zutreffend sind.

Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden.

Die Beweiswürdigung zu den anderen Tatvorwürfen hingegen stimmt mit meiner Einschätzung nach der Hauptverhandlung überein.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil kann hier nachgelesen werden: Urteil des LG Regensburg

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Mit dem Fall Mollath zusammenhängende Fragen werden jedoch von mir weiter verfolgt. Schon für demnächst ist ein  Beitrag zur (speziellen) Frage der Revisionszulässigkeit geplant. Zu dieser Frage kann dann auch wieder diskutiert werden. 

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1753 Kommentare

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Nachfragen: welche zwei Rechtsfolgen im Fall Mollath und mit welcher Begründung ist die Rechtsfolge mit § 20 FÜR den Angeklagten?

Henning Ernst Müller schrieb:

Inhalt: Kommen bei eindeutiger Tatsachenlage zwei verschiedene Rechtsfolgen in Betracht, dann gilt nicht i.d.p.r. (i.d.p.r. nötigt dann nicht dazu, die Rechtsfolge mit dem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis zu wählen). Das LG Regensburg wendet i.d.p.r. insofern richtig an, weil es hinsichtlich der zugrundeliegenden Tatsachen - nicht hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen - wirklich  zweifelt. Das LG Regensburg ist nicht sicher, ob Herr Mollath zum Tatzeitpunkt eine "schwere andere seelische Abartigkeit" aufwies oder nicht. Und deshalb findet i.d.p.r. Anwendung, mit der Rechtsfolge, die sich aus § 20 StGB ergibt. Ich weiß nun auch nicht, warum die Kammer es für nötig hielt, dazu das BGH-Zitat anzuführen, das ja einen anderen Fall betrifft und eine Materie, die hier gar nicht fraglich war.

Zunächst mal Danke für die Auskunft, die mich schon etwas weitergebracht hat.

Henning Ernst Müller schrieb:

Fraglich ist ja hier etwas anderes, nämlich, ob es überhaupt genügende Anhaltspunkte dafür gibt, an der Schuldfähigkeit des Herrn Mollath bei einer Körperverletzung am 12.08.2001 zu zweifeln.

Schön, dass Sie auf diesen wirklich wichtigen Punkt noch einmal hinweisen

Ist es denn korrekt, alle die Zweifelgründe nicht ausdrücklich aufzuführen, Pro und Kontra einander gegenüberzustellen?

73% Unkorrektzitatrate im Urteil ist schon ein Ding

Ich verstehe das immer weniger, wenn ich bedenke, dass der drei mal zitierte BGH-Fischer ja durchgängig wenigstens GENAU zitiert und so gesehen ein direktes Vorbild liefert, das ja nur nachgemacht zu werden braucht. Das jedenfalls habe ich den drei BGH-Fischer Zitatstellen aus der Urteilsbegründung des LG entnommen. Kann es sein, dass die bayerische Gerichtsbarkeit gegenüber der höheren Gerichtsbarkeit außerhalb Bayerns einen besonderen bayerischen  Eigensinn entwickelt hat?

 

 

Sehr geehrter "Aufgeklärter",

da Sie ja "aufgeklärt" sind, sollten Ihnen die Differenzen zwischen Sollen und Sein, zwischen Natur- und Geisteswissenschaft schon bekannt sein. Rechtswissenschaft ist eine Geisteswissenschaft. Das Verhältnis zwischen Rechtswissenschaft und Justiz ist komplexer als das zwischen einer Naturwissenschaft und deren Anwendung. Ich maße mir nicht an, irrtumsfrei zu sein. Voraussagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, regelmäßig noch schwieriger, wenn es um Gerichtsentscheidungen geht. 

Ich bekenne mich offen dazu, kein Experte der Befindlichkeiten des "deutschen Volkes" zu sein. Das  überlasse ich gern den Aufgeklärten.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

# 46 Ich denke bei der Einstufung der Straftat als "gefährliche Körperverletzung" geht es auch nicht darum, ob das Opfer diese tatsächlich erlitten hat, sondern ob die Körperverletzung zum Tode  hätte führen können.

Sie schreiben es gäbe durchaus lebensbedrohliche Attacken in der Halsgegend, aber eine solche sei nicht vorgelegen, sonst hätte es die Betroffene nicht mehr alleine bis zum Arzt geschafft.

Also, die Straftat einer gefährlichen Körperverletzung hängt nicht davon ab ob die Behandlung tatsächlich zum Tode, oder in dessen Nähe geführt hat, sondern ob dies theoretisch möglich gewesen wäre, einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht.

§ 224 Abs 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden; einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht.

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Was die In-dubio-pro-reo-Lösung des LG Regensburg betrifft, so zeigt m.E. bereits eine schlichte Kontrollüberlegung, daß sie in der bisherigen Praxis zum Zweifelsatz keine Stütze hat. Sie entfernt sich, ohne nähere Begründung, so weit davon, daß sich der Eindruck aufdrängt, daß sie auf sachfremden Motiven beruht.

 

Was wäre denn die Folge, wenn der hier angelegte "in dubio"-Maßstab für einen vollständigen Schuldausschluß Schule machen würde? Immer dann, wenn man nichts Näheres über den Angeklagten weiß außer daß er gewisse Verhaltensauffälligkeiten an den Tag legt und vor allem, wenn er eine Exploration verweigert, würde er von nun an nach der "Regensburger Lösung" eine Art "Pauschalimmunität" vor Strafverfolgung erhalten. Er könnte wegen § 20 StGB in dubio pro reo nicht bestraft werden, aber er könnte auch nicht nach § 63 StGB untergebracht werden, weil §§ 20, 21 StGB nicht positiv feststehen. Gerade in besonders verstörenden Fällen müßten Angeklagte wie Breivik oder der kürzlich verurteilte Autobahnschütze (http://dejure.org/2014,32681) oder der Bremerhavener Schlachter (http://dejure.org/2014,30861) nach dem Regensburger Maßstab auf freien Fuß gesetzt werden.

 

Zur dieser "Sanktionslücke" hat sich der frühere BGH-Senatsvorsitzende Basdorf anläßlich eines Falles geäußert, der - wie er sagte - ihn "einigermaßen traumatisiert" hat. Dabei ging es in diesem Fall nur um die Gefahr, daß ein Angeklagter "zu wenig" weggesperrt wird, weil in dubio pro reo § 21 StGB angewandt wird. Die Traumatisierung Basdorfs müßte sich jedoch zu einem nicht enden wollenden Alptraum wandeln, wenn künftig - nach Regensburger Muster - gegenüber "merkwürdigen" Angeklagten großflächig § 20 StGB in dubio pro reo ausgeworfen würde. Näher: http://hiesige-meinung.de/2014/11/der-schlachter/comment-page-1/#comment-67

 

In http://blog.delegibus.com/2014/08/28/fall-mollath-zum-freispruch-verurte... habe ich argumentiert, daß die In-dubio-pro-reo-Lösung des LG Regensburg als Willkür im Sinne der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung behandelt werden sollte.

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In dem Zusammenhang möchte ich nochmal daran erinnern, dass P3M bei all der Inkonsistenz ihrer Aussagen zum Thema Misshandlungen einen Punkt immer gleich behauptet hat, nämlich sie sei gewürgt worden (abweichend wurde sie da "nur" darin, wie oft, wie lange, von vorne oder hinten, auf dem Boden oder Bett, da hatte sie ja diverse Varianten gegeben) Aber es war immer würgen.

Die Varianten, die hier noch mit ins Spiel gebracht wurden, welche schon innerhalb kürzester Zeit (Während "normales" (er-) würgen eben doch eine gewisse Zeit braucht) lebensbedrohlich sind (bestimmte Griffe an bestimmte Stelle am Hals, oder Schläge gegen gewisse Stellen am Hals, oder gar Kehlkopf direkt eindrücken) hat P3M nie behauptet. Insofern ist die Diskussion darüber wohl wenig zielführend.

Oder ist es so, dass schlichtweg jeder Griff an den Hals eines Menschen (mal bildlich vorgestellt, schom beim jemanden" am "Kragen packen" (im Sinne von vorne am Hemdkragen packen) angefangen) eine potentiell lebensgefährliche Behandlung und somit gefährliche Körperverletzung darstellen würde, (eben weil es ja die von mein Name und Gast dargelegten Punkte gibt, deren "Behandlung" auch sofort zu lebensgefährlichen Zuständen führen können, wenn man weiß, wo und wie man das machen muss? Oder sie versehentlich erwischt)

Gibt es dazu verbindliche juristische Aussagen, Herr Prof. Müller?

Und wenn das so wäre, wie kann es dann überhaupt noch eine "einfache" Körperverletzung geben?
Nimmt man nicht schon bei einer einfachen Schelln (oder Watsch, je nach Dialekt) schon in Kauf, dass derjenige dabei unglücklich stürzt, mit dem Kopf irgendwo aufknallt und daran im blödesten Fall stirbt?

Oder dass jemand, den man mit einem Messer bedroht (ohne ihn auch nur zu berühren) vor Schreck an einem Herzinfarkt stirbt.

Irgendwie könnte man dann doch gar keine klare Grenzlinie mehr ziehen, wenn man das alles so auslegen könnte, oder sehe ich da was völlig falsch?

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@ atropa belladonna und f&f: die Formulierung "sonst hätte sie es nicht mehr alleine zum Arzt geschafft" war vielleicht etwas drastisch; Tatsache ist aber, dass ein fester Griff an den Hals und selbst kurzes Würgen nicht per se lebensgefährlich sind.

Selbst bei einem - bei entsprechender Dauer - tatsächlich lebensgefährlichen Angriff, dem bekannten "Schwitzkasten" (mit dem Polizisten auch in Deutschland bereits mehrfach Menschen getötet haben), geht der BGH nur von "einfacher" Körperverletzung aus, wenn er nur kurz angewendet wird (2 StR 400/10). Hier wird also eindeutig differenziert. Um den Tatbestand der gefährlichen KV zu erfüllen, muss tatsächlich Lebensgefahr bestehen (Beispiel: rechtsmedizinisches Gutachten). Ach ja: wenn Polizisten das Opfer sind, dann ist natürlich jeder Schwitzkasten "gefährliche" KV, zumindest in Pinneberg (wo Polizisten als Vorbilder auf dem Rad ohne Licht unterwegs sind).

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Korrekturnachtrag: in Pinneberg waren es zwei gegen einen (egal ob Freund und Helfer oder nicht), daher gemeinschaftlich -> gefährliche KV, 7 Monate auf Bewährung.

und um meine vorangegangenen Überlegungen noch zu ergänzen, wenn das so wäre, müsste es dann grundsätzlich ja schon ausreichen, einfach zu behaupten, jemand habe einen gewürgt (oder wie auch immer an den Hals gepackt), um denjenigen wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen, weil kurzes an den Hals packen ja noch nicht mal ein Hämatom hinterlassen würde/könnte (welches anschließend dann von einem Arzt stümperhaft beschrieben in einem in vielerlei, wenn nicht gar jeder, Hinsicht dubiosen Attest bescheinigt werden könnte. Welches man ja nicht mal fotograpfieren könnte, weil es gar nicht da wäre?)

All das wären doch zwingend logische Schlussfolgerungen aus der Regensburger Denkweise, von dem, was OGarcia so treffend auf den Punkt gebracht hat, noch ganz abgesehen.

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@ mein Name , Beitrag 7:

Sehe ich ja genauso wie Sie ;-)

Nur scheinbar eben die Regensburger Richter nicht, das ist ja das Problem.

Ich fand Ihre Formulierungen übrigens nicht zu drastisch, sondern hatte sie (hoffentlich richtig) so verstanden, als dass man nach solchen Griffen dann eben so angeschlagen (nicht aber tot) wäre, dass man direkt danach nicht mehr selbst zum Azt "spazieren" könnte und es sicherlich keinesfalls erst mit zwei Tagen Verspätung, wie P3M tun würde.

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@ f&f: ein Würgen im Schwitzkasten kann einfache oder gefährliche KV sein, je nachdem ob tatsächlich Lebensgefahr bestand (s.o. #7).

@mein Name:

Leider funktioniert im Moment bei mir die Kommentier-/Zitierfunktion nicht, aber ich hatte mich auf die logischen Folgen aus dem von Atropa Belladonna zitierten Paragraphen bezogen (Ich kopier mal das rein, was Atropa da geschrieben hatte:)

§ 224 Abs 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden; einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht.

So, und wenn das SO ist, dann ist eine tatsächliche Lebensgefahr ja nicht erforderlich.

Und wenn die nicht erforderlich ist, müssten zwangsweise Griffe an den Hals, welche ja die hier in verschiedenen Beiträgen beschriebenen, lebensgefährlichen Folgen haben KÖNNEN, wenn auch nicht müssen, bereits (und das grundsätzlich!) als gefährliche KV eingestuft werden.

Um jetzt hier wieder auf Regensburg, GM und P3M zurückzukommen, tatsächlich nachgewiesen wurde ein längeres Würgen durch den Gutachter ja schließlich ausdrücklich nicht bzw eine konkrete, damals vorhandene, Lebensgefahr. (Wie denn auch, bei der faktischen Beweislage)

Er hat es lediglich nicht ausgeschlossen (und noch extra dazugesagt, vorausgesetzt die Hämatome waren damals so vorhanden, wie vom Arzt (fachlich nicht korrekt) beschreben), dass ein längeres Würgen lebensbedrohlich sein könne (und das war bei der Verhandlung, wenn ich mich recht entsinne, "mundgerecht" durch Meindl aus ihm herausgefragt worden)

Und genau das, nur das, MEHR nicht, hat ja gereicht, um daraus eine gefährliche KV als bewiesen anzusehen.

Zumindest für das Regensburger Gericht.

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Sehr geehrte Kommentatoren,

zur "gefährlichen Körperverletzung" nach § 224 Abs.1 Nr.5 StGB ist die herrschende Ansicht, dass es keiner konkreten Lebensgefahr bedarf (wie z.B. in § 315c StGB) . Aber auch eine rein abstrakte Gefährdung (wie in § 316 StGB) genügt nicht: Die Behandlung muss nach den Umständen geeignet sein, das Leben zu gefährden, also den Tod des Opfers herbeizuführen. "Diese konkrete Eignung ist weniger als eine konkrete Gefährdung, aber mehr als eine abstrakte Gefährdung" (Hardtung in MüKo-StGB § 224, 38). Entgegen der Annahme von Mein Name ist eine "tatsächliche" Lebensgefährdung nach h.M. nicht erforderlich. Nicht jedes Würgen erfüllt also die Anforderungen der Leben gefährdenden Behandlung, sondern nur eines, das nach den konkreten Umständen im Einzelfall geeignet ist...

Nun zum Fall Mollath: Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist ein Würgen, das Würgemale (Hämatome) zur Folge hat, schon regelmäßig lebensgefährlich i.S. der konkreten Eignung zur Gefährdung des Lebens. Aber ob es sich bei dem, was der Zeuge R. aus der Erinnerung (13 Jahre!) beschrieb, um "Würgemale" gehandelt hat, ist eben nicht hinreichend nachgewiesen. In der Hauptverhandlung ist nach meiner Wahrnehmung das Zeugnis des Zeugen R. durch die Rückfragen des Sachverständigen erheblich erschüttert worden. Aus Versatzstücken der Erinnerung die erforderliche Einzelfallprüfung zur Eignungs-Lebensgefährlichkeit im konkreten Fall zu subsumieren, erscheint mir jedenfalls nicht überzeugend.  

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

@f&f

Da ich andeswo sozialisiert wurde, war mir der Begriff der "gefährlichen KV" als Besonderheit des deutschen Strafrechtes  vorher nicht vertraut.

Wie läuft denn das für denn für die subj. TBM ab?

Das Gericht unterstellt GM ja Vorsatz.

Es muss ihm also bewusst gewesen sein, dass das potentiell lebensbedrohlich ausgeht?

Ich muss sagen, dass dieses zusätzliche Qualitätsmerkmal mir reichlich Mühe macht.

Selbst wenn wir unterstellen, P3M wäre wirklich bewusstlos gewesen.

Mir ist immer noch nicht hinreichend klar, wie man aufgrund der Hämatombeschreibung sicher den Kausalzusammenhang herstellen will.

Die könnt doch auch vor lauter Stress ohnmächtig gewesen worden sein, dürr wie sie immer war.

Das man im deutschen Strafrecht an so einem schwammigen TB festhält, wundert mich eigentlich.

 

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Sehr geehrter Herr Prof. Müller!

Wenn man wenigstens wüßte, dass es irgendeinen Sinn hätte, müßte man tatsächlich die Vernehmungsprotokolle von Eisenmenger nochmal durchlesen.

Tatsache aber ist, dass die von P3M beschriebenen Würgeszenarien überhaupt nicht mit den von Dr. R beschriebenen Hämatomen übereinstimmen KONNTEN, denn: es gab ja nur e i n e n einzigen Würgevorgang an besagtem 12.8. 2001 (laut P3M)

Diesen hatte sie aber sehr verschieden beschrieben: Mal von vorne, mal von hinten, mal im Stehen, mal im Liegen, mal auf dem Boden, mal auf dem Bett, ich glaube sogar mal mit einer Hand und mal mit beiden.

Und diese ja sehr verschiedenen Würgevorgänge hätte ja sehr unterschiedliche Hämatome hervorgerufen (Sprich entweder Abdruck eines Fingers oder von vier Fingern, vorne oder hinten oder an der Seite des Halses, mehr streifig oder mehr als Fingerabdruck etc.pp).

Maximal e i n e der Varianten hätte zu DEN Hämatomen führen können, an deren exaktes Aussehen und Lage sich der Arzt ja nicht mehr erinnern konnte und die er damals schon zu unkonkret (und medizinisch gesehen auch mit z.T. falsch verwendeten Begriffen) beschrieben hat, die sie damals (angeblich) hatte.

Da ich die schriftliche Urteilsbegründung nicht gelesen habe, frage ich hiermit mal nach:

WELCHE von P3Ms Versionen des Würgevorgangs hat das Regensburger Gericht denn für nachgewiesen erachtet?
Und mit den damals (in einer unechten Urkunde!) attestierten Spuren für übereinstimmend befunden?

Oder reicht es, um jemandem eine gefährliche Körperverletzung NACHZUWEISEN, einfach zu sagen, na, i r g e n d w i e wurde da wohl einer etwas länger gewürgt ?

Und hat dann, um den andere Fall auch noch zu beleuchten, jemand, der von einem Fachkundigen mit einem gezielten Griff am Hals in eine vorrübergehend lebensbedrohliche Situation gebracht wurde, welche aber aufgrund der angewendeten Technik keine äußerlich sichtbaren Spuren hinterlässt (und für eine Obduktion müsste man daran ja gestorben sein), die man sich von einem Arzt auch nur attestieren lassen könnte, einfach Pech gehabt, weil seinem Angreifer ja keine gefährliche KV bewiesen werden kann?

(So langsam kriegt Urteilsfindung bei Gericht (ob mit oder ohne Gutachter) ja echt ein bissl was von Würfeln, wenn das alles so ist, wie es sich hier darstellt.............)

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@ Max Mustermann:

Obwohl schon hier (sprich in Deutschland) sozialisiert war mir der tiefere Hintergrund des Begriffes der gefährlichen KV ebenfalls nicht klar ;-)

Oder besser gesagt die Definition der dafür notwendigen Voraussetzungen, welche, wenn man es sich genauer überlegt, ja offensichtlich ausgesprochen gummiartig dehn-, dreh- und wendbar sind.

Wie ja schon geschrieben funktioniert, warum auch immer grade die Zitierfunktion (oder Kursiv-Fettschreibung etc. pp. bei mir nicht) aber was meinen Sie mit subj. TBM?

Und, also vielleicht bringe ich ja hier grade alles durchnander, aber wie und wieso wurde GM denn ein Vorsatz unterstellt bei der gefährlichen KV? Würden sich Vorsatz und vorübergehend nicht zurechnungsfähig (oder zumindest nicht ausschließbar nicht zurechnungsfähig) nicht völlig ausschließen?

Und mal generell gefragt, also z.B. an Prof Müller, ist Vorsatz denn ein Bedingungsmerkmal für eine KV, egal ob einfach oder gefährlich? Wohl eher nicht, oder?

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@f&f

Mit subj. TBM habe ich  subjektive Tatbestandsmerkmale abgekürzt.

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass GM mit Wissen und Wollen in Bezug auf die objektiven TBM gehandelt hat.

Den Rechtsfertigungsgrund der Notwehr hält es für nicht ausreichend dargestellt.

Soweit ich es verstanden habe, wird der Schuldbegriff im Strafrecht durchgehend negativ definiert, d.h. es hält im vorliegenden Fall die Willensbildung für "fehlerhaft" zustande gekommen und daher kann dem Verhalten eine Strafwürdigkeit nicht zugerechnet werden. Es fehlt also an der Schuld.

(war jetzt nicht unbedingt schön formuliert)

 

Auf Ihre letzte Frage würde ich antworten, dass neben dem vorätzlichen Handeln auch ein fahrlässiges existiert. Eine KV ist im Strafrecht auch bei fahrlässiger Begehung strafbar.  

(wahrscheinlich auch nicht optimal formuliert)

 

Letztlich ist mir der strukturelle Konflikt Vorsatz vs. kaputte Willensbildung auch aufgefallen.

Da die Schuld -meines Wissens- auch nicht positiv ausformuliert ist, sondern angenommen wird, solange kein Ausschlussgrund gefunden wird, bleibt diese logische Spannung ungelöst. Ich werde mich aber Weihnachten mal hinsetzen und nachforschen, was für erquikliche Metaphysische Vorstellungen zum Schuldbegriff in den Juristenhirnen rungeistern.

 

Zuerst habe ich ja gedacht, am besten würden man die Unzurechnungsfähigkeit über den Vorsatz regeln, quasi als Unterform des Irrtums. Dies vorallem, damit man die Sachverständigen als Systemverunreiniger rausdrücken könnte.

 

Da Riin Escher in ihrer frehändigen geistigen Bankrotterklärung aber bewiesen hat, dass auch Juristen in absurde Überlegungen verfallen können, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob die Abschaffung der Sachverständigen die Situation massgeblich verbessern wird. Ein normativer Schaumschläger wird durch einen anderen ersetzt...

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Zum Thema "Würgemale": na hoffentlich bringt dieser Superforensiker R. nicht noch reihenweise fränkische Teenager hinter Gittern, weil er Knutschflecke für Anzeichen von Mordversuchen hält.

@ Fotobiene: bitte richtig recherchieren - den Schwachfug mit dem geplanten WA-Verfahren hat die Mittelbayrische selber verzapft und für ihre Pressemeldung formuliert, dieser Blödsinn ist nicht auf dem Mist von finanzen.net gewachsen (die haben nur 1:1 die PM der MZ übernommen).

Wer "Schwachfug" übernimmt hat ihn sich zu eigen gemacht

Mein Name schrieb:

@ Fotobiene: bitte richtig recherchieren - den Schwachfug mit dem geplanten WA-Verfahren hat die Mittelbayrische selber verzapft und für ihre Pressemeldung formuliert, dieser Blödsinn ist nicht auf dem Mist von finanzen.net gewachsen (die haben nur 1:1 die PM der MZ übernommen).

... wenn er sich nicht distanziert ...

 

Lieber Professor,

da ich massenhaft negative Bewertungen zu meinem obigen Beitrag zu sammeln scheine und ich deshalb annehmen darf, dass ich mich in einem Geisterzug befinde, würde ich Sie -als Lehrstuhlinhaber des Schuldstrafrechtes- bitten, einmal darzustellen, was das eigentlich sein soll, diese Schuld von der alle reden.

Wäre mir ein echtes Anliegen, das mal in Erfahrung zu bringen.

Vielleicht erbarmen Sie sich zu dieser Volksschuldbildung.

Beste Grüße

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Esoterische Entwicklung und Persönlichkeit der Nebenklägerin vom LG völlig ausgeblendet

Die esoterische Entwicklung der Nebenklägerin läuft mit den Ehekonflikten und den Schweizerbankgeschäften parallel. Das ist für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit  von nicht zu unterschätzender Bedeutung und erfordert in einem fairen und

unparteiischen Verfahren natürlich vom Landgericht eine angemessene Auseinandersetzung. Leider findet sich in der schriftlichen Urteilsbegründung darüber nichts, obwohl das Gericht klar erkennen lässt, dass es die entsprechenden Unterlagen, nämlich den Duraplus-Ordner einbezog. Dort finden sich wenigstens vier Quellen mit denen eine Auseinandersetzung hätte stattfinden müssen:

Ansinnen der NK mit GM den Mond anzubeten, Duraplus "Was mich prägte" Bl. 6

auch erwähnt in einem Brief an AF am 8.10.2002 ebenfalls mit Hinweis auf Bücherliste; Beleg 32, S. 52 Anlage Duraplus.

Bücherliste (Beleg 56, S. 98 Anlage Duraplus: Bücherliste 4 S. Zwei mal 2, zweite 2 ist 3. S. 4 = S. 1) mit zahlreichen esoterischen Titeln (3 Seiten).

Prüfbare Hinweise in den oben genannten Quellen auf Besuche esoterischer Kurse

Die Ausübung des Gewerbes einer Geistheilerin zeigt die durchgängige Kontinuität seit der Jahrtausendwende.

Folgende Suchwort(teile) in der schriftlichen Urteilsbegründung führten zu den Ergebnissen:

<esoteri> soll esoterisch oder Esoterik finden: 0 Treffer.

<mond> soll Mond oder Vollmond finden: 0 Treffer.

<beten> soll beten oder anbeten (Mond, Vollmond) finden: 0 Treffer

<Persönlichkeit> findet viele Treffer, aber keinen einzigen, der die Persönlichkeit der Nebenklägerin betrifft: siehe S. 38, 69, 70,  71, 72, 73, 74, 81, 82, 83, 86.

In Bezug auf die Nebenklägerin erweckt die Kammer mit ihrer vollständigen Ausblendung der Auffälligkeiten der Nebenklägerin durchweg den Anschein, als sei sie parteiisch und einseitig. Möglicherweise spielt hier auch die Geschlechtsbesetzung der Kammer eine entsprechend negative Rolle: vier Frauen (80%) und ein Mann (20%).

Quelle:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/MkUAPA1.htm#Esoterische%20...

 

@ Dr. Sponsel

Frau M. kann eine esoterische, religiöse, politische Entwicklung durchmachen, die Ihnen und anderen nicht gefallen mag. Aber was tut das zur Sache? Nicht einmal die Frage der Glaubwürdigkeit ist aus meiner Sicht tangiert, da sehe ich deutlich schwerwiegendere Einschränkungen, nämlich gerade die Hinweise auf ein äußerst strategisches Vorgehen, was ja mit Ihrer Esoterik-Betrachtung nicht wirklich vereinbar ist.
 

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Glaubwürdigkeit, Persönlichkeit und Beweiswürdigung

Gast schrieb:

@ Dr. Sponsel

Frau M. kann eine esoterische, religiöse, politische Entwicklung durchmachen, die Ihnen und anderen nicht gefallen mag. Aber was tut das zur Sache? Nicht einmal die Frage der Glaubwürdigkeit ist aus meiner Sicht tangiert, da sehe ich deutlich schwerwiegendere Einschränkungen, nämlich gerade die Hinweise auf ein äußerst strategisches Vorgehen, was ja mit Ihrer Esoterik-Betrachtung nicht wirklich vereinbar ist.

Hier geht es nicht um gefallen, sondern um schwere Mängel in der Urteilsbegründung(Beweiswürdigung). Zunächst aber sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Betrachtung der Gesamtpersönlichkeit, u.a. politische, menschenrechtliche und persönliche Entwicklung, die auf Mollath Anwendung fand, natürlich auch auf die Hauptbelastungszeugin angewendet werden muss. Sodann gilt selbstverständlich, dass zur (Zeugen-) Beweiswürdigung die (Gesamt-) Persönlichkeit gehört, wie sich ja schon aus der großen Bedeutung, die das LG der Glaubwürdigkeit zumisst, ergibt.

Psychopathologische Entwicklungen bei der Nebenklägerin wurden ganz offensichtlich trotz der von mir nun dokumentierten bedeutsamen Anzeichen von vorneherein gar nicht erwogen. Das ist weder fair noch sachgerecht.

Auch die in der  eidesstattliche Versicherung  -  selbst wenn Dr. B. durch seine Folkloreentgleisung sich als "Kronzeuge" schwer beschädigt hat -  "Wenn Gustl mich und meine Bank anzeigt, mach ich ihn fertig. Ich habe sehr gute Beziehungen, dann zeig ich ihn auch an. Das kannst ihm auch sagen. Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen und dann hänge ich ihm auch was an. Wenn er die Klappe hält, kann er 500.000 € von seinem Vermögen behalten." (auch Urteil S. 32) zeigt eine Allmachtsüberzeugung, der, gerade im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen auch  nachzugehen gewesen wäre.

Die vollständige Ausblendung all der die Hauptbelastungszeugin belastenden Merkmale zeigt hier eine auch oft bei forensischen Psychiatern zu beobachtende Technik alles niederzubügeln z.B. durch Nichtbeachtung oder Entwertung. Ich habe das vor nicht allzu langer Zeit auch LG Stuttgart auch erlebt - ein unvergesslicher Fall schon deshalb, weil die psychiatrikritischen Zuschauer in einer Sitzungspause die Marseillaise sangen und dazu tanzten (Erinnerung an die unvergessliche Szene in Casablanca).

 

Sehr geehrter Herr Mustermann,

die Strafrechtswissenschaft hat für die Prüfung v on Lebenssachverhalten einen differenzierten Aufbau der "Straftat" entwickelt. Nach der allg. Auffassung (die sich schon seit einigen Jahrzehnten als sinnvoll und vernünftig hält, aber natürlich nicht sakrosankt ist) gehört der Vorsatz als subj. Merkmal zum Tatbestand und nicht mehr (wie früher auch vertreten) zur Schuld. Das bedeutet, die Frage, ob jemand bewusst und die Folgen billigend in Kauf nehmend die Merkmale des Tatbestands erfüllt hat, wird getrennt von der Frage, ob er dabei einsichts- und steuerungsfähig gewesen ist. Bei bestimmten persönlichen Einschränkungen (s. dazu § 20 StGB) kann man sicher schon den Vorsatz bezweifeln, aber in den meisten Fällen macht diese Differenzierung Sinn: Wer sich z.B. aufgrund einer Psychose von mysteriösen Kräften verfolgt fühlt, kann durchaus vorsätzlich einen der vermeintlichen Verfolger verletzen oder gar töten. Diese Person hätte dann zwar vorsätzlich und rechtswidrig einen Straftatbestand verwirklicht, aber an ihrer Schuldfähigkeit bestünden doch erhebliche Zweifel.

Eine negative Schulddefinition lässt sich aus § 20 StGB im Umkehrschluss herleiten: Schuldhaft handelt derjenige, der nicht aufgrund der dort genannten vier Kriterien einsichts- und/oder schuldunfähig ist.

Für eine positive Schulddefinition ist ein Blogkommentar nicht der richtige Ort. Wenn ich dies kurz aufzeichnen sollte, bliebe es doch an der Oberfläche.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Der Fall Gustl Mollath steht exemplarisch für viele ähnlich gelagerte Fälle in denen der dringend zu behandelnden Thematik Persönlichkeitsstörungen vor Gericht Ihre Bedeutung in Bezug auf einen gerechtes Urteil die notwendige Aufmerkamkeit gegeben werden muß. Das schwerwiegend destruktive Verhalten der Ex-Frau spricht für eine Opfer-Täter-Verschiebung und weist m.E. offensichtliche Parallelen zum Fall Arnold auf.
 
Professor Maneros (früher Uni Halle) hat sich sehr intensiv mit dieser Problematik befasst und beim Psychiatrie-Kongreß in München 2014 einen beeindruckenden Vortrag zu dieser Thematik gehalten.

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Sehr geehrter Horst,

den von Ihnen mir als wörtliches Zitat zugeschriebenen Satz (betreffend das Plädoyer von RA Strate) habe ich NICHT geschrieben. In meinem Beitrag antworte ich dem Leser "Menschenrechtler", von dem dieser Satz stammt. Ich selbst habe diesen Satz von Menschenrechtler wiederum nur zitiert. Ich bitte dies zu beachten!

Ob die im Plädoyer von Herrn RA Strate erwähnten Sachverhalte alle Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung waren, können Sie gern selbst nachprüfen (ist aber aufwändig). Sie müssen dazu auch  berücksichtigen, dass infolge von abgelehnten Beweisanträgen der Verteidgung und Herrn Mollaths einige Sachverhalte vom Gericht als wahr unterstellt wurden, also durchaus gewürdigt werden konnten, auch wenn sie nicht Gegenstand der HV waren.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

vielen Dank für Ihre Antwort und ich entschuldige mich, dass ich Ihnen eine Äußerung unterstellt habe.

Horst

5

@Menschenrechtler, Sie fragen:

Es stellt sich mir die Frage, auf welcher juristischen Grundlage die Ex-Frau das Erscheinen vor Gericht und damit notwendige Zeugenaussagen für die Wahrheitsfindung und eine realistische, lebensnahe Rechtssprechung verweigern kann. Dies erschließt sich mir nicht. P3M ist nicht angeklagt und auch nicht mehr mit G.M. verheiratet. Ist dies juristisch eindeutig geregelt o d e r  liegt es im Ermessen des Gerichts das Nichterscheinen zu akzeptieren?

Das Zeugnisverweigerungsrecht der Ehefrau ist in § 52 Abs.1 Nr. 2 StPO geregelt. Es gilt auch nach einer Scheidung fort. Dieses Recht, im Prozess gegen ihren früheren Mann zu schweigen,  konnte ihr niemand streitig machen. Normalerweise bedeutet die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigeruinsgrechts, dass dann auch alle früheren nichtrichterlichen Vernehmungen von einer Verwertung im Prozess ausgeschlossen sind (§ 252 StPO). Frau M. hat allerdings deren Verwrertung zugestimmt. Die Verwertung  früherer belastender Aussagen, wenn  der Angehörige, der  in der HV das Zeugnis verweigert, wenn dieser Angehöriger dem zustimmt, wird von der BGH-Rechtsprechung zugelassen. Allerdings müsse der Zeugenbeweis besonders kritisch geprüft werden.

Das LG Regensburg hätte darauf bestehen können, dass die Zeugin im Gerichtssaal persönlich die Inanspruchnahme ihres Rechts geltend macht. Das erschien dem Gericht aber unnötig, da sich die Zeugin vorab eindeutig geäußert hatte.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Menschenrechtler,

wurden alle Tatsachenbehauptungen aus dem Plädoyer in der Hauptverhandlung angesprochen, so dass nur die Schlussfolgerungen von Herrn Dr. Strate "neu" waren? Haben Sie die aufwändige Arbeit geleistet?

Beste Grüße

Horst

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

die geschiedene Ehefrau macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und stimmt einer Verwertung der bisherigen Aussagen zu. Dieser Satz ist für mich widersprüchlich. Entweder ich sage aus oder ich lasse es sein. Aus diesem Satz ergibt sich für mich der Schluss, dass die Geschiedene keine Lust hat, neu in einer Hauptverhandlung auszusagen, alles was sie bisher gesagt hat, kann gegen den Ex-Mann verwendet werden. Vielleicht hätte sie ausgesagt, wenn es eine Videovernehmung gegeben hätte ... Es ist für mich verständlich, dass sie keine Lust hatte, als Zeugin in der Hauptverhandlung zu erscheinen, aber hätte ihr das Gericht da keine geschützte Vernehmung anbieten müssen?

Beste Grüße

Horst

 

5

@Sponsel:
Sie bringen einiges durcheinander. Dass bei Mollath die persönliche Entwicklung eingehend abgehandelt wurde, hat damit zu tun, dass es um die Feststellung eines Eingangsmerkmals der §§ 20, 21 StGB ging und nicht mit der Glaubhaftigkeitsprüfung seiner eher fragmentarischen Einlassung.

Für die Frage der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage Petra M   rutschen Sie wieder in das alte Kriterium der "Glaubwürdigkeit der Person" ab, das nach der "Jahrhundertentscheidung" des BGH und aussagepsychologisch  praktisch irrelevant geworden ist. Ihre These von psychopathologischen Auffälligkeiten - die nach der Rechtsprechung  eine intensivere Auseinandersetzung mit der Frage der psychischen Konstitution der Zeugin erfordern würden -  steht auf recht dünnem Eis. Vor allem finde ich recht kurios, dass Sie nunmehr selbst gestützt auf ein paar  höchst unbelegten Angaben Mollaths  über seine Ex im "Duraplus" eine psychopathologische Ferndiagnose der Zeugin Petra M. aufstellen.   Frau Koch, die das Fernattest zu Gustl M. erstellte, haben Sie für eine solche Vorgehensweise mehr oder weniger als verantwortungslose Quacksalberin dargestellt und auch sonst lassen Sie keine Gelegenheit aus,  jeden zu geißeln, der es wagt, ein Aktenlagegutachten zu erstellen.

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Korrektur: Krach, nicht Koch...

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Trübe Revisionsaussichten? Revisionsrecht eine Farce?

Habe heute eine Zitatstichprobe* von Geipels Handbuch der Beweiswürdigung durchgeführt (nebenbei: 100% korrekte Zitierrate) und bin dabei auf folgende Ausführung gestoßen:

"Der in der Praxis geäußerte Befund, dass Angriffe gegen die Beweiswürdigung nahezu aussichtslos sind,9 wird statistisch bestätigt. [W2-Z10] Selbst eine Auswertung von 658 elaborierten Rügen eines Revisionsrechtsspezialisten ergibt, dass die Erfolgsquote je 0 % beträgt, sofern Denkverstöße (42-mal gerügt mit 0 % Erfolg), Verstöße gegen Erfahrungssätze (8-mal gerügt mit 0 % Erfolg) und Bewertungswidersprüche (46-mal gerügt mit 0 % Erfolg) gerügt werden und lediglich 13 % beträgt, sofern lückenhafte Feststellungen (48-mal gerügt, 6-mal erfolgreich) gerügt werden.10 Ist der Angriff auf die Beweiswürdigung aber nahezu aussichtslos, so haben Verteidiger zwischenzeitlich versucht, das Beweisergebnis wenigstens vor bewussten und unbewussten Verfälschungen zu sichern und der Willkür des erkennenden Gerichts zu entziehen. Gleichwohl war auch dieses Unterfangen aussichtslos."

Ist das wirklich so? Und falls: ist dann das Revisionsrecht nicht eine bloße Farce, so eine Art wir spielen Kontrolle/ Rechtsstaat?

 

*

http://www.sgipt.org/wisms/Zitieren/ZitRecht.htm#W2%20Geipel,%20Andreas%...

 

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Rudolf Sponsel schrieb:

Trübe Revisionsaussichten? Revisionsrecht eine Farce?

Habe heute eine Zitatstichprobe* von Geipels Handbuch der Beweiswürdigung durchgeführt (nebenbei: 100% korrekte Zitierrate) und bin dabei auf folgende Ausführung gestoßen:

"Der in der Praxis geäußerte Befund, dass Angriffe gegen die Beweiswürdigung nahezu aussichtslos sind,9 wird statistisch bestätigt. [W2-Z10] Selbst eine Auswertung von 658 elaborierten Rügen eines Revisionsrechtsspezialisten ergibt, dass die Erfolgsquote je 0 % beträgt, sofern Denkverstöße (42-mal gerügt mit 0 % Erfolg), Verstöße gegen Erfahrungssätze (8-mal gerügt mit 0 % Erfolg) und Bewertungswidersprüche (46-mal gerügt mit 0 % Erfolg) gerügt werden und lediglich 13 % beträgt, sofern lückenhafte Feststellungen (48-mal gerügt, 6-mal erfolgreich) gerügt werden.10 Ist der Angriff auf die Beweiswürdigung aber nahezu aussichtslos, so haben Verteidiger zwischenzeitlich versucht, das Beweisergebnis wenigstens vor bewussten und unbewussten Verfälschungen zu sichern und der Willkür des erkennenden Gerichts zu entziehen. Gleichwohl war auch dieses Unterfangen aussichtslos."

Ist das wirklich so? Und falls: ist dann das Revisionsrecht nicht eine bloße Farce, so eine Art wir spielen Kontrolle/ Rechtsstaat?

 

*

http://www.sgipt.org/wisms/Zitieren/ZitRecht.htm#W2%20Geipel,%20Andreas%...

 

 

Sehr geehrter Herr Sponsel,

man kann dem Verfasser genauso wenig entgegen halten wie Herrn Professor Müller in seiner pessimistischen Haltung. Ich denke aber, dass die Kritik an dem Urteil des LG Regensburg auch völlig unabhängig von den dürftigen Erfolgsaussichten geübt werden kann und sollte.

Hier ausnahmsweise eine Entscheidung des 1. Senats (1 StR 493/06) über eine erfolgreiche Beweiswürdigungsrevision:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

Wie Sie aus der Entscheidung entnehmen können, muss die Zurechenbarkeitshürde genommen werden oder es muss der Revision gelingen, dem BGH zu vermitteln, dass sie Blödsinn ist. Es gibt Stimmen, die aus der BGH-Rechtsprechung Tendenzen erkennen wollen, dass der BGH die Zurechenbarkeit als Voraussetzung für seine Beweiswürdigungslösung angeblich aufgeben oder lockern wolle. Einen überzeugenden Beleg dafür habe ich aber noch nicht gesehen.

Sehr geehrter Herr Sponsel,

das mit den"trüben" Aussichten muss leider bestätigt werden, insbesondere wenn es um Angriffe auf die Beweiswürdigung geht. Deshalb habe ich mich ja auch so pessimistisch ausgedrückt hinsichtlich der Erfolgschancen, was dann wieder einen Kommentator dazu gereizt hat, meine Wissenschaftlichkeit in Frage zu stellen. Es wird halt häufig missverstanden, wenn man etwas zur Realität sagt, so als ob man damit gleichzeitig  dieser Realität zustimmen würde. Ja, das Revisionsrecht ist z.T. eine Farce und ist lebendig nur insofern, als die Tatgerichte dadurch genötigt sind, Urteilsbegründungen zu schreiben, die einigermaßen sinnvoll sind (ein gewisser Abschreckungseffekt). Ein bisschen erfolgreicher (aber bislang nicht in Bayern) sind Revisionen, die Verfahrensfehler außerhalb der Beweiswürdigung rügen. Deswegen war es ja so absurd, dass Frau Merk und Herr Groß (Vors. des Bay. Richtervereins) darauf abhoben, das Urteil des LG Nürnberg-Fürth aus dem Jahr 2006 sei vom BGH "geprüft" und für richtig befunden worden. Der 1. Senat hat damals gar nichts geprüft, sondern die Revision als offensichtlcih unbegründet verworfen. Alleridngs hatte damals auch die Verteidigung versagt und gar keine der massiven Verfahrensfehler gerügt.

Zu Ihren Ausführungen: In der Tat findet sich zum psychologischen Zustand der Zeugin in den Urteilsgründen nichts, aber das ist auch nicht Thema des Strafprozesses. Zumal man - ebensowenig wie beim Angeklagten - aus einer späteren Entwicklung bzw. späteren Verhaltensweisen nicht rückwärts argumentieren kann. Deshalb geht ein großer Teil Ihrer Kritik ins Leere bzw. ist widersprüchlich: Es geht bei Frau M. um die Aussage am 14.08.2001, wie es bei Herrn Mollath um sein Verhalten am 12.08.2001 geht. Für beides halte ich es für völlig verfehlt, aus viel späteren Anhaltspunkten auf das Verhalten im August 2001  zurückzurechnen. Wie soll das gehen? Ich dachte, da wären wir uns einig.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@Sponsel: Wenn man das Revisionsrecht so wie Sie auf Beweiswürdigungsfehler verengt und die "Auswertung von 658 elaborierten Rügen" (wer hat sie ausgewertet, ab wann ist eine Rüge "elaboriert", wer hat die Qualität der Rügen geprüft?) als ausreichende Befundgrundlage nimmt, könnte man zu dem Schluss kommen, den Sie ziehen.
Revisibel sind aber nicht nur Beweiswürdigungsfehler. Und (nicht nur) deshalb ist die Revision keine Farce.

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Lieber Professor,

vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Da ich mr einbilde, Sie verstanden zu haben, ist es beruhigend für mich festzustellen, dass die Kenntnisse, die ich mir da zusammenfantasiere, gar nicht so jenseits von Gut und Böse sind.

 

Es erscheint auf alle Fälle drollig, dass Land auf, Land ab, täglich Dutzendemale in unseren Gerichtssäälen den Ganoven ein forsches "Schuldig!" entgegenschallt und es sich noch knifflig erweisen wird, rauszufinden, was das eigentlich bedeutet.

 

Meine Neugier ist damit auf alle Fälle erst einmal geweckt. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich darum bemühen werde rauszufinden, in was für Figuren sich die herrschende Lehre beim Schuldbegriff  denn nun schon wieder hineingesteigert hat.

 

Am Ende steht nämlich die m.E. berechtigte Frage im Raum, ob die positive Schulddefinition überhaupt mit den Ausschlusskriterien zu korrespondieren vermag.

 

Das wäre natürlich ein Ding. Und da sich Ihr Fachbereich in hübscher Regelmässigkeit als Kuriositätenkabinett erweist, wage ich einfach mal frech zu behaupten, auch dieses Mal nicht enttäuscht zu werden.

Das wär der absolute Oberhammer. Nach all dem, was dem Mann wiederfahren ist, weil ein Huhn bei irgendeinem Kaffee mal gerufen hat "Der ist doch irre!". Und das zieht sich durch bis zum BGH, der jetzt die Postannahme von so einem verweigert. Und am Ende würde sich rausstellen, dass das gar kein systemgerechtes Ausschlusskriterium ist.

Naja, wir werden sehen...

Beste Grüsse

 

 

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Sehr geehrter Horst,

natürlich kann ein Zeuge sich die Umstände seiner Vernehmung nicht nach dem "Lustprinzip" aussuchen. Wenn Frau M. aussagen wollte, hätte sie schon im Gerichtssaal unmaskiert auftreten müssen. Ausnahmen gibt es nur für tatsächlich durch ihre Aussage gefährdete Zeugen. Jetzt mal ehrlich: Wie soll denn eine Hauptverhandlung aussehen, in der jeder Zeuge sich nach Lust und Laune aussuchen kann, wie er vernommen wird?

Im Übrigen stimme ich Ihnen zu: Es dürfte nicht zulässig sein, dass man die belastenden Aussagen aufrecht erhält, aber nicht bereit ist, in der Hauptverhandlung auszusagen. Insofern bin ich mit der Rechtsprechung des BGH überhaupt nicht einverstanden (steht aber so ähnlich schon oben in meinem Beitrag).

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Horst,

natürlich kann ein Zeuge sich die Umstände seiner Vernehmung nicht nach dem "Lustprinzip" aussuchen. Wenn Frau M. aussagen wollte, hätte sie schon im Gerichtssaal unmaskiert auftreten müssen. Ausnahmen gibt es nur für tatsächlich durch ihre Aussage gefährdete Zeugen. Jetzt mal ehrlich: Wie soll denn eine Hauptverhandlung aussehen, in der jeder Zeuge sich nach Lust und Laune aussuchen kann, wie er vernommen wird?

Im Übrigen stimme ich Ihnen zu: Es dürfte nicht zulässig sein, dass man die belastenden Aussagen aufrecht erhält, aber nicht bereit ist, in der Hauptverhandlung auszusagen. Insofern bin ich mit der Rechtsprechung des BGH überhaupt nicht einverstanden (steht aber so ähnlich schon oben in meinem Beitrag).

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Genau. Man kann mit der Rechtsprechung des BGH hierzu nicht einverstanden sein.

Z.B die Zulässigkeit des Verzichts auf das Verwertungsverbot früherer Aussagen des sie später in der HV verweigerten Zeugen, begründet der BGH damit, dass der Zeuge Rechtsinhaber und daher dispositionsbefugt sei. So weit so gut. Wieso dann aber kann der Angeklagte in der Revision mit Erfolg die Verwertung rügen, wenn der Zeuge auf das Verwertungsverbot nicht ausdrücklich verzichtet (BGH, Beschl.v.13.06.2012 - 2 StR 112/12). Er ist doch angeblich nicht Rechtsinhaber. Es ist doch angeblich nicht sein Recht, das unmittelbar verletzt wurde.

Diese Unstimmigkeit ist die Folge davon, dass nach BGH Zeugen über Verfahrensrechte disponieren können.

Sehr geehrter Herr Prof. Müller!

Das Zeugnisverweigerungsrecht für Anghörige hat doch den (Hinter-) Grund, dass man nicht gezwungen werden soll, Verwandte zu belasten. Davon abgesehen, dass viele das auch nicht wollen würden, könnte sich das ja auch im Einzelfall sehr nachteilig auswirken, selbst wenn man aussagen will, aber z.B. von demjenigen abhängig ist (als Kind, Ehepartner o.ä.) Daher macht dieses Recht ja durchaus Sinn.

So, also erstens ist jemand, der (willentlich und auf eigenes Betreiben hin) sich von jemanden scheiden lässt, sprich die verwandtschaftliche, freiwillig eingegangene, Beziehung somit ja wieder beendet, da meiner Ansicht nach im Grunde wieder raus (sofern das, was ich oben mal grob ausgeführt habe, der Grund für dieses Recht ist.)

Aber, und das finde ich dabei jetzt im konkreten Fall doch wesentlich erheblicher, P3M hat damals, also zu einem relativ "frisch" geschiedenen Zeitpunkt nicht im Ansatz von diesem Recht Gebrauch machen wollen, sie ist ganz im Gegenteil (inhaltlich) massivst als Hauptbelastungszeugin aufgetreten.

Sprich also sie wollte dieses Recht ausdrücklich n i c h t in Anspruch nehmen.

Und jetzt nimmt sie es in Anspruch, stimmt aber ausdrücklich zu, dass ihre früheren Aussagen verwertet werden.

Das führt doch den Grund und Sinn dieses Rechtes, nämlich nicht GEZWUNGEN zu sein, einen Angehörigen zu belasten, komplett ad absurdum, oder sehe ich da was falsch?

Denn sie hat erst den Angehörigen bewußt belastet und verhindert dann dass er entlastet werden könnte, in dem ihre Aussagen direkt vor Gericht auf Glaubwürdigkeit überprüft werden können UND kann dabei aber noch ihre belastenden Aussagen von damals weiter gegen den Angeklagten wirken lassen.

Diese Konstellation ist doch durch den Sinn des Aussageverweigerungsrechts für Angehörige nicht im Ansatz abgedeckt, ganz im Gegenteil.

Wäre sowas nicht eine Frage, mit der sich das Bundesverfassungsgericht mal befassen sollte?

Und was mich ebenfalls wirklich interessieren würde, reicht es, wenn ein Gericht i r g e n d e i n e n Würgevorgang annimmt, wo die Zeugin doch verschiedene Würgevorgangsversionen angeboten hat, und das Gericht sich dann einen aussucht, der so gaaanz in etwa pi mal Daumen mit den nicht konkret vom Arzt beschriebenen Hämatomen einigermaßen übereinstimmen könnte?

Mal ganz abgesehen davon, dass es ausgesprochen seltsam ist, sich an eine angeblich lebensbedrohliche Situation nicht erinnern zu können (was allenfalls durch eine vorübergehende Amnesie abgedeckt wäre, die dann aber zur Folge hätte, dass sie sich an NICHTS erinnert und nicht an x verschiedene Vorgänge.)

Also auch in diesem Punkt eine völlig lebensfremde Beweiswürdigung, oder?

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und um das noch anzufügen, stellt P3M nicht gerade durch diese ihre ganz spezielle Nutzung des Aussageverweigerunsgrechts ausschließlich zu UNGUNSTEN des Angeklagten (was ja eben NICHT der Sinn dieses Rechtes ist) ihren massiven Belastungseifer unter Beweis?

Der wiederum als solcher vom Gericht hätte gewürdigt und in die Urteilsfindung miteinbezogen werden MÜSSEN?

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#32, 28.11.2014 Prof. Müller

Psychische Entwicklung - Verwertungsverbot nachträglicher Entwicklungen?

Sehr geehrter Herr Prof. Müller, Sie schreiben:

"Deshalb geht ein großer Teil Ihrer Kritik ins Leere bzw. ist widersprüchlich: Es geht bei Frau M. um die Aussage am 14.08.2001, wie es bei Herrn Mollath um sein Verhalten am 12.08.2001 geht. Für beides halte ich es für völlig verfehlt, aus viel späteren Anhaltspunkten auf das Verhalten im August 2001  zurückzurechnen. Wie soll das gehen? Ich dachte, da wären wir uns einig."

Hm, meinen Sie, es geht um die Aussagen AM 14.08.2001 oder, worauf ich mich einlassen kann, um die Aussagen ZU den mutmaßlichen Ereignissen am 14.08.2001? Bei ZU wären wir uns einig. Es werden ja auch spätere Aussagen ZU den mutmaßlichen Ereignissen am 14.08.2001 erörtert und bewertet. Den Duraplus-Ordner hat Gustl Mollath - erschlossen aus seiner Datierung - am 24.09.2003, einen Tag vor der HV zusammengestellt. (1) Dürfen die Informationen in dieser Ordner nicht verwertet werden, weil sie gut zwei Jahre später zusammengestellt wurden? Oder meinen Sie (2): es dürfen nur solche Informationen aus dem Duraplus-Ordner verwertet werden, die bis einschließlich zum 14.08.2001 reichen?

 

geastchen #29 28.11.2014

Die Glaubwürdigkeit bringt das Gericht dauernd ins Spiel - selektive Sachverhaltsauswahl ein unerträglicher Zustand

wobei das Gericht nicht erklärt, wie es um das Verhältnis Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit in seiner Beweiswürdigung bestellt ist, warum es an welcher Stelle von Bedeutung ist. Auch das ein großer Fehler in diesem Urteil. Wenn ich das Urteil kritisiere, dann will ich das nicht (nur) von außen tun, sondern auch von innen und prüfen, ist die Methodik und Argumentation konsistent? Das ist sie mehrfach und erheblich nicht: das LG misst mit zweierlei Maß bei Mollath, seiner Umgebung  und seiner Frau und deren Umgebung.

   Zwischen-Anmerkung: Ich fürchte, das mit dem Durcheinanderbringen beherrschen Sie besser, denn die Glaubwürdigkeitskarte ist durch die Aussagepsychologie nicht gänzlich ausgespielt (Motivation, Aussageentwicklung, Hypothesenorientierung, Bandenmitglieder; Beziehungsnetzwerke, Komplotte), aber die alten Vorurteile sind glücklicherweise hinweggefegt und auch der frühere generelle und falsche Schluss: glaubwürdig, also glaubhaft.  Es scheint mir, das Gericht spielt ja auch nur Aussagepsychologie, wie aus der ganzen sehr eigenen Terminologieanwendung hervorgeht und der Tatsache, dass das Jahrhunderturteil noch nicht einmal erwähnt wird. Damit verschmiert es gängige aussapsychologische Begriffe mit eigenen, meist nicht erklärten Bedeutungen. Das wird in meinem Teil 5 Klarheit, Verständlichkeit, Nachollziehbarkeit der Urteilsanalyse noch eine stärkere Rolle spielen. Hier gibt es noch allerhand zu klären, da stimmte ich Ihnen zu, wenn Sie das meinen.

   Ich stelle auch keine Diagnosen auf, sondern ich sage, hier liegen Merkmale vor, die eine sorgfältige Prüfung erfordert hätten (es gibt sozusagen einen "Anfangsverdacht"). Es geht nicht, alles, was nicht passt, auszublenden oder mit Leerformeln niederzubügeln. Denn das bringt den strengen Geruch von Befangenheit und Parteilichkeit auf. Man darf nicht einerseits Mollath Äußerungen als Beleg hernehmen und andererseits dort, wo sie nicht passen, vollständig ignorieren, jedenfalls dann nicht, wenn es sich um ein faires und sachgerechtes Verfahren handeln soll - das schien über weite Strecken nur so wie nun der Blick mit Abstand deutlicher macht. Im Grunde ist die selektive Sachverhaltsauswahl* ein unerträglicher Zustand; weder die Rechtsprechung noch die Rechtswissenschaft scheint hiegegen eine wirkungsvolle Methode entwickelt zu haben, vielleicht fehlt auch das Problembewusstsein oder die Motivation. Schön wäre, wenn Herr Prof. Müller dazu noch was sagt, wir diskutieren ja gerade, welche Informationen sozusagen zulässig verwertet werden dürfen und welche nicht. Das ist ein wirklich spannendes Thema.

*

http://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRG/BewF.htm#Methodik%20Beweis%20und%20Be...

Herr Prof. Dr. Müller schreibt oben:

"Der 1. Senat hat damals die Revision als offensichtlcih unbegründet verworfen."

Frage: Wo gibt es dieses BGH-Urteil?

Auf dejure.org wird zwar das Aktenzeichen genannt (BGH, 13.02.2007 - 1 StR 6/07), aber ich habe nur den Beitrag "Höchstrichterlich geprüft" aus der Feder von Prof. Dr. Müller gefunden.

Das Urteil 1 StR 6/07 selbst wird offenbar vom BGH geheimgehalten, denn dieses unveröffentlichte BGH-Urteil beweist die Einsichtsunfähigkeit der BGH-Richter, die dieses Urteil erlassen haben.

Wenn die BGH-Richter einsichtsfähig wären, dann hätten sie das Urteil 1 StR 6/07 nicht erlassen.

Wenn die BGH-Richter aber bereits bei ihrem Urteil 1 StR 6/07 einsichtsunfähig waren, dann werden sie auch jetzt wieder einsichtsunfähig sein.

Einsichtsunfähige BGH-Richter sollen also jetzt noch einmal darüber entscheiden, ob Gustl Mollath damals einsichtsunfähig war.

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Sehr geehrter No Name,

die Entscheidung des BGH im Fall Mollath ist eine von hunderten, ja tausenden, die den gleichen Wortlaut haben, ausgedrückt in zwei oder drei Sätzen. Daran gibt es nichts zu veröffentlichen und auch nichts zu verheimlichen. Die Erledigung einer Revision als "offensichtlich unbegründet" nach § 359 Abs.2 StPO ist eine Routine, die häufigste Entscheidung überhaupt (ca. 75% der Revisionen), das können Sie hier gern nachlesen:

http://www.strafrecht.jurion.de/thema-des-monats/2014/november-2014-scho...

Ihre Vermutung, der BGH wolle etwas verheimlichen, beruht auf Unkenntnis dieser Hintergründe. (Vorsorglich, da dies sicherlich wieder Kommentatoren zum Anlass nehmen, mich zu beschimpfen: Diese Praxis ist nicht meine Idee, es ist einfach die durchaus kritikwürdige Praxis.)

Allerdings ist der BGH hier nicht allein schuld: Die damalige Verteidigung hat es versäumt, Verfahrensfehler zu rügen und zu begründen. Die Revision befasst sich aber nur mit den gerügten Rechtsfehlern, das war hier allein die Sachrüge.

 

Sehr geehrtes gastchen,

wenn Sie meinen, andere Revisionsrügen als die Beweiswürdigungsrüge seien wesentlich erfolgsträchtiger, dann sind Sie auf dem Holzweg. Nur 3% der Revisionen von Verteidigern haben vollen Erfolg, weitere 4% einen Teilerfolg, ca. 93% scheitern vollkommen, die meisten (s.o.) als offensichtlich unbegründet. Der Fall Mollath hat auch hier einen Skandal aufgedeckt: Das grottenschlechte Urteil des LG Nürnberg-Fürth von 2006 mit seinen schlimmen Folgen hätte nie rechtskräftig werden dürfen.

 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

# 43 - Mustermann.

Bisher kam ich mir vor wie der einsame Rufer in der Wüste, wenn ich das für mich einzig sinnvolle Motiv der Exfrau für die Belastung des Gatten mit dem Angriff auf Leib und Leben aufgezeigt habe, nämlich die Abwehrung von nachehelichen Unterhaltsverpflichtungen, die leicht den Betrag von einer halben Mio. € hätten erreichen können, über den Weg mit der "Unzumutbarkeit".

Wäre schön es zu einer Revision käme und wenn dieses Motiv ins Blicklicht gerückt werden könnte. Die bisher mit dem Fall befassten Richter und StAe sahen nämlich keinerlei Motiv für eine Falschbeschuldigung und bauten darauf die Glaubwürdigkeit der Exfrau auf.

Habgier ist aber keine besonders exotische Triebfeder für Falschbeschudigungen und/oder für das Provozieren von gefährlichen Körperverletzungen.

Die Exfrau hat das Publikum mehfach miterleben lassen welchen Stellenwert Vermögen für sie hat.

U. a. hat sie auch die Ferndiagnostikerin Krach einmal gefragt, wer denn nach einer Scheidung die Krankversicherung für ihren Gatten zahlen solle, was m. M. nach implizierte, dass sie selber keine Lust dazu hatte.

 

 

 

 

 

5

Hier konfligieren nach meinem Verständnis zwei konkurrierende Rechte

#41 Kolos, 28.11.2014

WR Kolos schrieb:

... Hier ausnahmsweise eine Entscheidung des 1. Senats (1 StR 493/06) über eine erfolgreiche Beweiswürdigungsrevision:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

Wie Sie aus der Entscheidung entnehmen können, muss die Zurechenbarkeitshürde genommen werden oder es muss der Revision gelingen, dem BGH zu vermitteln, dass sie Blödsinn ist. Es gibt Stimmen, die aus der BGH-Rechtsprechung Tendenzen erkennen wollen, dass der BGH die Zurechenbarkeit als Voraussetzung für seine Beweiswürdigungslösung angeblich aufgeben oder lockern wolle. Einen überzeugenden Beleg dafür habe ich aber noch nicht gesehen.

Danke für den Hinweis. Ich sehe aber nicht nur die Zurechenbarkeitshürde, sondern zwei konkurrierende Rechte. Ich verfüge leider (noch) über keine Methoden, dieses Standardproblem  der JuristInnen, zu lösen: welcher Wert ist unter welchen Bedingungen vorrangig? Einerseits, wie Prof. Müller in #27 darlegte:

Henning Ernst Müller schrieb:

"Das Zeugnisverweigerungsrecht der Ehefrau ist in § 52 Abs.1 Nr. 2 StPO geregelt. Es gilt auch nach einer Scheidung fort. Dieses Recht, im Prozess gegen ihren früheren Mann zu schweigen,  konnte ihr niemand streitig machen. Normalerweise bedeutet die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigeruinsgrechts, dass dann auch alle früheren nichtrichterlichen Vernehmungen von einer Verwertung im Prozess ausgeschlossen sind (§ 252 StPO). Frau M. hat allerdings deren Verwrertung zugestimmt. Die Verwertung  früherer belastender Aussagen, wenn  der Angehörige, der  in der HV das Zeugnis verweigert, wenn dieser Angehöriger dem zustimmt, wird von der BGH-Rechtsprechung zugelassen. Allerdings müsse der Zeugenbeweis besonders kritisch geprüft werden."

und andererseits das von Ihnen mitgeteilte konfrontative Fragerecht. An dieser Stelle muss ich leider passen, dafür reichen meine juristischen Kenntnisse nicht, obwohl das natürlich ein außerordentlich spannendes Thema ist. Meine Juristen-Logikbücher führen hier auch nicht so richtig weiter.  Es geht hier ja um Wertigkeit und Rang von Normen.

Intuitiv meine ich:  wenn die Sachlage ziemlich unklar ist und die "konfrontative" Aussage (N1) wesentlich zur Klärung beitragen kann, dann sollte das Zeugnisverweigerungsrecht (N2) zurückstehen. Ich neige also aus dem Bauchhirn/ Rechtsgefühl heraus zu einem bedingten Vorschlag.

RSponsel schrieb:

Hier konfligieren nach meinem Verständnis zwei konkurrierende Rechte

#41 Kolos, 28.11.2014

WR Kolos schrieb:

... Hier ausnahmsweise eine Entscheidung des 1. Senats (1 StR 493/06) über eine erfolgreiche Beweiswürdigungsrevision:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

Wie Sie aus der Entscheidung entnehmen können, muss die Zurechenbarkeitshürde genommen werden oder es muss der Revision gelingen, dem BGH zu vermitteln, dass sie Blödsinn ist. Es gibt Stimmen, die aus der BGH-Rechtsprechung Tendenzen erkennen wollen, dass der BGH die Zurechenbarkeit als Voraussetzung für seine Beweiswürdigungslösung angeblich aufgeben oder lockern wolle. Einen überzeugenden Beleg dafür habe ich aber noch nicht gesehen.

Danke für den Hinweis. Ich sehe aber nicht nur die Zurechenbarkeitshürde, sondern zwei konkurrierende Rechte. Ich verfüge leider (noch) über keine Methoden, dieses Standardproblem  der JuristInnen, zu lösen: welcher Wert ist unter welchen Bedingungen vorrangig? Einerseits, wie Prof. Müller in #27 darlegte:

Henning Ernst Müller schrieb:

"Das Zeugnisverweigerungsrecht der Ehefrau ist in § 52 Abs.1 Nr. 2 StPO geregelt. Es gilt auch nach einer Scheidung fort. Dieses Recht, im Prozess gegen ihren früheren Mann zu schweigen,  konnte ihr niemand streitig machen. Normalerweise bedeutet die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigeruinsgrechts, dass dann auch alle früheren nichtrichterlichen Vernehmungen von einer Verwertung im Prozess ausgeschlossen sind (§ 252 StPO). Frau M. hat allerdings deren Verwrertung zugestimmt. Die Verwertung  früherer belastender Aussagen, wenn  der Angehörige, der  in der HV das Zeugnis verweigert, wenn dieser Angehöriger dem zustimmt, wird von der BGH-Rechtsprechung zugelassen. Allerdings müsse der Zeugenbeweis besonders kritisch geprüft werden."

und andererseits das von Ihnen mitgeteilte konfrontative Fragerecht. An dieser Stelle muss ich leider passen, dafür reichen meine juristischen Kenntnisse nicht, obwohl das natürlich ein außerordentlich spannendes Thema ist. Meine Juristen-Logikbücher führen hier auch nicht so richtig weiter.  Es geht hier ja um Wertigkeit und Rang von Normen.

Intuitiv meine ich:  wenn die Sachlage ziemlich unklar ist und die "konfrontative" Aussage (N1) wesentlich zur Klärung beitragen kann, dann sollte das Zeugnisverweigerungsrecht (N2) zurückstehen. Ich neige also aus dem Bauchhirn/ Rechtsgefühl heraus zu einem bedingten Vorschlag.

 

Bei genauer Betrachtung gibt es diesen Konflikt nicht. Zeugnisverweigerungsrecht und Fragerecht beißen sich überhaupt nicht. Auch völlig unproblematisch ist das gesetzlich in 252 StPO geregelte Verwertungsverbot für frühere Aussagen, die vor dem Gebrauch des Zeugnisverweigerungsrechts gemacht wurden. Bei richtiger Betrachtung ist 252 StPO eine Rechtsfolgennorm. Verweigert ein Zeuge seine Aussage, dann löst er automatisch die Rechtsfolge des 252 StPO aus. Das Verwertungsverbot ist kein subjektives Recht irgendeiner Person, die darüber frei verfügen könnte. Daher kann auch niemand darauf verzichten. Wenn ein Zeuge das allgemeine Verwertungsverbot als Rechtsfolge des Zeugnisverweigerungsrechts nicht auslösen will, dann steht es ihm frei, die Aussage nicht zu verweigern.

Das sieht der BGH bekanntlich anders. Er sieht es als zulässig an, dass ein Zeuge seine Aussage verweigert, gleichwohl auf das Verwertungsverbot des 252 StPO bezüglich früherer Aussagen verzichtet. Das ist das Problem! Hier allein liegt der Konflikt begraben. Dieses angebliche Dispositionsrecht des Zeugen schafft erst den Widerspruch zu dem Fragerecht des Angeklagten oder seiner Verteidigung, zu dem Unmittelbarkeitsprinzip und dem Grundsatz der Mündlichkeit und damit zu den elementaren Prinzipien eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens, also der unverzichtbaren Basis der freien richterlichen Beweiswürdigung (261 StPO). Abgewogen werden muss also zwischen diesen Rechten.

Das Dispositionsrecht des Zeugen über das Verwertungsverbot ist eine Erfindung des BGH und m.E. ein Beispiel für unzulässige Rechtsfortbildung durch Richterrecht. Der BGH leitet dieses Recht aus dem 252 StPO ab. Wie mager er das begründet, kann u.a. in seiner Entscheidung 4 StR 189/99, RdNr. 21 ff nachgelesen werden. Dennoch fügt er dem anschließend hinzu:

Freilich wird das Tatgericht bei der Würdigung des so erhobenen Beweises zu beachten haben, daß der Beweiswert der Aussage wegen der erheblich eingeschränkten Möglichkeiten zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage wesentlich geringer ist als bei einer unmittelbaren Aussage des Zeugen.

Der "wesentlich geringer Beweiswert" ist quasi die Asche der verbrannten Maximen eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens zu Gunsten eines Dispositionsrechts, das niemand braucht. Wie wenig dieser Rückstand der so hohen Verfahrenswerte wert und wie flüchtig er ist, dafür steht das Urteil des LG Regensburg.

@atropa b e l l a d o n a @Mustermann @Dr. Sponsel- Mein Kommentar #4 vom 25.11.14

Sie habe entscheidend die Unglaubwürdigkeit der P3M auf den Punkt gebracht.

Die Beschäftigung der Ex-Frau mit Esoterik muss m.E. nicht im vornherein für die Unglaubwürdigkeit sprechen. P3M hat eindeutig schwer destruktive, inhumane, gezielte und vorausschauende Handlungen gegen ihren langjährigen Ehemann begangen und sich gleichzeitig mit Spiritualität, Bewußtwerdung befasst und gibt vor als H e i l e r i n  tätig sein zu können. Dieser eklatante Widerspruch deutet auf eine schwere Gespaltenheit hin. Echte Spiritualität und Religiosität ist untrennbar mit Empathie, Menschlichkeit, Wahrheitsliebe und Ethik verbunden. Ihren Ehemann durch ihre Handlungen ursächlich wegzuräumen zu lassen, belastet ihr Gewissen und um in der Esoterik zu bleiben, ihr Karma schwerwiegend.

5

Prof. Dr. Müller schreibt:

"Die Entscheidung des BGH im Fall Mollath ist eine von hunderten, ja tausenden, die den gleichen Wortlaut haben, ausgedrückt in zwei oder drei Sätzen. Daran gibt es nichts zu veröffentlichen und auch nichts zu verheimlichen."

"Dank" der Entscheidung der BGH wurde Gustl Mollath jahrelang widerrechtlich weggesperrt.

Dank der Entscheidung der Richterin Escher wird Mollath jetzt entschädigt für dieses jahrelange widerrechtliche Wegsperren, das Mollath den BGH-Richtern zu verdanken hat, die mit "zwei oder drei Sätzen" dafür sorgten, dass Mollath jahrelang widerrechtlich weggesperrt wurde.

Genau diese Entscheidung der BGH-Richter sollte veröffentlicht werden, damit alle Bürger erkennen, dass BGH-Richter mit nur "zwei oder drei Sätzen" dafür sorgten, dass Mollath jahrelang widerrechtlich weggesperrt wurde.

Schließlich kann es jeden Bürger treffen, dass er von BGH-Richtern mit "zwei oder drei Sätzen" jahrelang widerrechtlich weggesperrt wird.

 

4

@ atropa belladonna

Habgier ist aber keine besonders exotische Triebfeder für Falschbeschudigungen und/oder für das Provozieren von gefährlichen Körperverletzungen. ...

Ob (gefährliche) Körperverletzungen provoziert wurden oder nicht, wissen - bis jetzt! - nur die unmittelbar Beteiligten. Und ob eine Beweiswürdigung aufgrund statistischer Daten ("was häufig ist ist häufig") rechtsstaatlichen Maßstäben genügen würde, darf bezweifelt werden. Abgesehen davon ist die Motivation, sich im Ehekonflikt ein Attest zu beschaffen, durchaus vielschichtig, gerade auch in diesem Fall. Oft genug werden solche Atteste erbeten ohne konkrete Absicht einer Anzeige, hier wäre auch daran zu denken, dass sich Frau M. dieses Attest beschafft hat, um (auch) moralischen Druck auf einen Ehemann auszuüben ("Da kannst du mal sehen, was für ein Schuft du in Wahrheit bist, der du immer Moral predigst!"). Dass dies in diesem Fall so gewesen sein könnte, hat sich mir nach der Lektüre von "Was mich prägte" geradezu aufgedrängt. Aber letztlich ist es unbefriedigend zu interpretieren und zu verallgemeinern, das Spezifische, Unbefriedigende und juristisch Brisante ist und bleibt die Halbaussage-Halbaussage-Konstellation.

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@No name:

Die Revisionsentscheidungen des BGH, mit denen Revisionen als "offensichtlich unbegründet" ohne weiteres verworfen werden, werden vom BGH überhaupt nicht veröffentlicht.  Das ist keine Geheimwissenschaft und hat schlichtweg gar nichts mit Ihren Unterstellungen zu tun. Gelegentlich findet man auch, wenn es etwas aufsehenerregendere Verfahren waren, eine Pressemitteilung: Der xyte Strafsenat hat die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen; die Entscheidung selbst wird aber auf der BGH-Seite nicht eingestellt.

 

@Professor Müller:

Dass die Revisionsaussichten nicht die höchsten sind, ist ja bekannt. Dass die Revision nur eine Farce sei, halte ich für eine der üblichen Sponselschen Übertreibungen. 

 

 

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