Erschöpfung beim Weiterverkauf von eBooks: Der Blick auf die Niederlande

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 23.11.2014

Hierzulande wird vor allem nach einem Urteil des OLG Hamm (Urteil vom 15.05.2014 - 22 U 60/13, BeckRS 2014, 11724) heftig diskutiert, ob der WEiterverkauf von Ebooks urheberrechtlich untersagt werden kann oder ob er nach dem ERschöpfungsgrundsatz (§ 17 II UrhG) zustimmungsfrei zulässig ist. DEr Streit eskaliert vor allem, nachdem der EuGH in der „UsedSoft“-Entscheidung des EuGH (EuGH, Urt. v. 3.7.2012 – C-128/11, NJW 2012, 2565) eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts für online übermittelte Softwarekopien bejaht. Es ist nunmehr umstritten, ob die Grundsätze des Urteils sich auch auf andere digitale Werkarten wie E-Books entsprechend anwenden lassen.

Befürworter und Kritiker halten sich die Waage.

Pro ERschöpfung:

  • Hartmann, Weiterverkauf und „Verleih” online vertriebener Inhalte - Zugleich Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 3. Juli 2012, Rs. C-128/11 – UsedSoft ./. Oracle, GRUR Int. 2012, 980
  • Hoeren/Försterling, Onlinevertrieb „gebrauchter” Software - Hintergründe und Konsequenzen der EuGH-Entscheidung „UsedSoft”, MMR 2012, 642
  • Hoeren/Jakopp, De ERschöpfungsgrundsatz im digitalen Umfeld, MMR 2014, 646
  • Peifer, Vertrieb und Verleih von E-Books - Grenzen der Erschöpfungslehre, AfP 2013, 89
  • Schneider/Spindler, Der Kampf um die gebrauchte Software - Revolution im Urheberrecht?, CR 2012, 489
  • Terhaag/Telle, Immaterielle Erschöpfung - Gibt es den virtuellen Flohmarkt für gebrauchte Multimediadateien?, K&R 2013, 549

Contra:

Hansen, Keine Erschöpfung beim Online-Vertrieb von E-Books, GRUR-Prax 2013, 207.

Hansen/Libor, EuGH-Urteil zu gebrauchter Software: Gibt es bald auch einen Zweitmarkt für ePaper. E-Books und MP3s?AfP 2012, 447.

Stieper, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 3. Juli 2012 – C-128/11 – UsedSoft, ZUM 2012, 668, 670

Nun kommt die niederländische Rechtsprechung zu ersten Resultaten. Zu erwähnen sei zunächst die Verfügungsentscheidung des Bezirksgerichts Amsterdam (Nederlands Uitgeversverbond and Groep Algemene Uitgevers v Tom Kabinet, Case C/13/567567/KG ZA 14-795 SP/MV, District Court of Amsterdam, 21 July 2014). Der Richter bejaht hier gerade in Abgrenzung zum Usedsoft-Urteil die Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes auf eBooks.

Weitere DEtails: http://jiplp.blogspot.de/2014/10/dutch-copyright-succumbs-to-aging-as.html

Noch spannender ist das Urteil des Appellationsgerichts Den Haag vom 3. September 2014 zu  der Frage, ob als Ausfluß des Erschöpfungsgrundsatzes auch ein E-lending-Right, ein Recht des elektronischen Verleihs von ebooks durch öffentliche Bibliotheken anzuerkennen sei. Das Gericht legte die Frage mit ausführlicher Begründung dem EuGH zur Entscheidung vor, so dass im nächsten Jahr mit einer weiteren Klärung durch den EUGH gerechnet werden kann.

Dazu: http://ipkitten.blogspot.de/2014/09/dutch-court-refers-questions-to-cjeu...

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5 Kommentare

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Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen (Rdnr. 51): 

Zur Überzeugung des Senats unterliegen aus dem Internet heruntergeladene Audio-Dateien und deren Kopien per se keiner Erschöpfung ihres Verbreitungsrechts, weil sie nicht § 17 UrhG, sondern ausschließlich der Regelung in § 19a UrhG unterfallen und diese Bestimmung bewusst und gewollt keine Erschöpfung des Verbreitungsrechts kennt

Das ist aber schon extrem peinlich für das OLG Hamm, wenn es Streaming (= § 19a UrhG: das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist) mit der Vervielfältigung (= § 16 (2) UrhG: Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Bild- oder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen handelt.) verwechselt

Gerade weil Festplatten, MP3-Player, Handys, Tablets, USB-Sticks und Speicherkarten auch Tonträger sind, wird eine Pauschalabgabe ("Urheberrechtsabgabe") gezahlt - selbst von denen, die darauf nur selbst erstellte Werke anfertigen.

Es ist eigentlich erschütternd, dass sich OLG-Richter so wenig damit auskennen, worüber sie urteilen. 

 

Hier sollte m. E. noch klargestellt werden, dass in Buchläden erworbene Hörbücher auf CD oder DVD körperliche Vervielfältigungsstücke sind, die  genauso wie gedruckte Bücher weiterverkauft werden dürfen. Sonst besteht die Gefahr, dass nur hängen bleibt, Hörbücher dürfen generell nicht weiterverkauft werden. Umstritten ist der Erschöpfungsgrundsatz nur für die Download-Hörbücher.

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