Bedroht der neue Mindestlohn den deutschen Fußball?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.01.2015
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtMindestlohnFußballSportvereine6|4766 Aufrufe

Zunächst wünschen Christian Rolfs und ich unseren Lesern ein gutes neues Jahr.

Für das Arbeitsrecht bringt der Jahreswechsel eine einschneidende Veränderung. Seit dem 1.1.2015 gilt das Mindestlohngesetz mit einem Mindeststundenlohn von 8,50 €. Damit tritt an die Stelle der oftmals unsicheren Beurteilungsgrundlage der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) im Niedriglohnsektor eine klare Grenzmarke. Schon jetzt wird man allerdings konstatieren können, dass die Auswirkungen in der Praxis vielfach nicht hinreichend erfasst worden sind. Ein Beispiel liefert ein Artikel der Zeitung „Die Welt“ (vom 4.1.2015), der über einen Aufschrei der Sportvereine, insbesondere der Fußballklubs, berichtet. Die Mindestlohnvorgabe trifft hiernach die Sportvereine nämlich an drei empfindlichen Stellen: bei der Bezahlung von Spielern, Übungsleitern und Mitarbeitern auf den Geschäftsstellen. Der Geschäftsführer des SSV Jahr Regensburg, Johannes Baumeister, wird wie folgt zitiert: „Unsere U-19- und U-23-Mannschaften sind stark betroffen". „Mit Trainingszeiten, Spielen, Anreisen und Besprechungen kommen so ziemlich alle Spieler in diesem Bereich auf Arbeitszeiten, die bei 8,50 Euro Mindestlohn weit über den 250 Euro liegen, die ein Vertragsspieler mindestens verdienen muss. In unserer U23-Mannschaft ist eigentlich jeder Spieler von dieser Problematik betroffen." Das Dilemma zieht weite Kreise: Wenn ab sofort jeder Spieler in unteren Ligen auf seine 8,50 Euro besteht, können die Schockwellen schnell die oberen Klassen erreichen. "Der Mindestlohn trifft uns an einem neuralgischen Punkt, weil er vor allem Auswirkungen auf den Nachwuchsbereich hat", sagt Baumeister. Ähnlich äußert sich Rainer Koch, Chef des Bayerischen Fußball-Verbandes und DFB-Vizepräsident: „Einige Vereine, deren Verträge mit Spielern und Trainern betroffen sind, werden es schwer haben, die nötigen Budgets für die Bezahlung des Mindestlohns zu finanzieren." Auch Reinhard Grindel, DFB-Schatzmeister und CDU-Politiker, hat Gefahren für den Sport ausgemacht– gerade auch auf Amateurebene. Er lenkt den Blick auf die die Trainer, Betreuer und Helfer, die das Rückgrat des Vereinswesens bildeten und dafür nur eine Aufwandspauschale erhielten. Ob der Ausnahmetatbestand für Ehrenämter hier ausreicht, ist in der Tat fraglich. Ob für den Bereich der Spieler-Bezahlung tatsächlich eine Ausnahme vom Mindestlohn geboten ist, erscheint indes durchaus zweifelhaft. Nicht ganz zu Unrecht erklärt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der "Vereinigung der Vertragsfußballspieler" (VDV): "Für die Spieler ist das neue Gesetz grundsätzlich gut. Viele von ihnen verdienen in den unteren Ligen derzeit vier Euro und weniger pro Stunde – und das teilweise unter Vollprofi-Anforderungen". Die Diskussion um den Mindestlohn wird sicherlich auch im Jahr 2015 immer wieder neue Fragen hervorbringen. 

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6 Kommentare

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Entweder man ist Amateur und macht es aus Liebe zum Sport oder man arbeitet wie angesprochen unter Vollprofibedingungen und hat dann auch Anspruch auf den Mindestlohn.

Es ist doch im Vereinssport gang und gäbe, dass Aufwandsentschädigungen per Spende wieder an den Verein zurück gehen. Und ob das dann 250, 500 oder 1000 Euro pro Monat sind, ist bei Linke Tasche - Rechte Tasche für den Verein egal und für den Spender sogar steuerlich günstiger. Es sollte einem gut geführten Verein keine Probleme bereiten, die "Ehrenamtlichen" entsprechend zu motivieren.

Vor allem Grindel sollte ganz leise sein, denn er ist Teil - wenn nicht sogar Ursache - des Problems: der DFB gehört zu den reichsten Sportdachverbänden der Welt, gerade weil er bisher schon dem Amateurbereich nur Almosen zukommen lässt (siehe Reportage). Das muss sich jetzt eben erst recht ändern, wenn man nicht eines Tages auf das Niveau von England zurückfallen will und Grindels Wortmeldung ist nichts anderes als Lobbying in eigener Sache, um nicht selbst Lösungen zu Lasten der von ihm verwalteten fetten Pfründe suchen zu müssen - z.B. das Geld, das in selbstbeweihräuchernde Werbekampagnen mit dem Motiv der Amateurvereine gesteckt wird, den Vereinen direkt zukommen zu lassen. Und von den 25,6 Millionen Euro von der FIFA, die der DFB für den Weltmeistertitel bekommen hat, ist nach Abzug der ca. 11 Millionen an Spielerprämien sicher auch noch etwas übrig.

Fazit: die Bedrohung besteht bereits durch den DFB selbst, der Mindestlohn verdeutlicht sie nur.

Mein Name schrieb:

Es ist doch im Vereinssport gang und gäbe, dass Aufwandsentschädigungen per Spende wieder an den Verein zurück gehen. Und ob das dann 250, 500 oder 1000 Euro pro Monat sind, ist bei Linke Tasche - Rechte Tasche für den Verein egal und für den Spender sogar steuerlich günstiger. Es sollte einem gut geführten Verein keine Probleme bereiten, die "Ehrenamtlichen" entsprechend zu motivieren.

Vorsicht: Der Übungsleiterfreibetrag liegt derzeit bei 2.400 EUR im Jahr (§ 3 Nr. 26 EStG), also 200 EUR im Monat. Die Ehrenamtspauschale liegt sogar nur bei 720 EUR im Jahr (§ 3 Nr. 26a EStG). Was darüber hinaus geht, ist zu versteuern.

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In den unteren und mittleren Ligen floss bisher viel Geld unter der Hand an die Sportler - teils vom Verein, teils von Sponsoren, und manchmal auch von Supportern und Fans aus der Halbwelt.

Weitgehend ohne Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, manchmal auch ohne in irgendeiner Steuererklärung oder Bilanz aufzutauchen.

Auch im Gastronomiegewerbe arbeiteten viele offiziell für 250 oder 400 oder 450 Euro im Monat (als vermeintliche Mini-Jobber), und der Rest floss schwarz.

Wenn die Geldempfänger zusätzlich noch Harzt-IV beziehen, und der Steuerzahler bzw. Staat die Halbschwarzarbeit noch subventioniert, ist sowas besonders ärgerlich.

Wer nicht arbeiten geht, weil er so viel Sport treibt, der soll sich nicht von Hartz-IV durchfüttern lassen, sondern der soll sich von seinem Verein ordnungsgemäß und offiziell bezahlen lassen.

Ansonsten sollte er sich eine reguläre normal bezahlte Arbeit suchen und den Sport einschränken.

Wenn es dadurch zu Nachteilen bei Weltmeisterschaften oder Olympiaden kommt, dann muß der Staat sich vielleicht überlegen, wie er Medaliienanwärter noch besser (unmittelbarer, direkter) fördert - aber deswegen muß man nicht darauf verzichten, den bei vielen Vereinen vorherrschenden Sumpf trockenzulegen.

Der Mindestlohn kann in Verbindung mit modernen Zeiterfassungssystemen die Teilschwarzarbeit zurückdrängen, und das ist gut so. 

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Laut LSG Niedersachsen-Bremen (12.11.2013 - L 4 KR 383/13) sind Amateurfußballer, wenn sie monatlich nicht mehr als 250 - 350 Euro erhalten, keine Arbeitnehmer, weil der Fußballer dann nicht primär wirtschaftliche interessen verfolgt. Auch die erforderliche Weisungsgebundenheit folge nicht schon daraus, dass ihm Spielorte vorgegeben werden und er den Anordnungen des Trainers folgen müsse, da dies typisch für alle Mitglieder einer Fußballmannschaft sei. Wenn aber der Amateurfußballer kein Arbeitnehmer ist, ist auch das Mindestlohngesetz nicht anwendbar.

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Dies ergibt sich im übrigen auch aus den Gesetzesmaterialien. Dort heißt es: Amateursportler fallen nicht unter den Arbeitnehmerbegriff, wenn die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit nicht im Vordergrund steht. (Ausschussbericht, Bundestags-Drucksache 18/2010,S.15)

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