Die Islamisierung der Justiz?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 09.01.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht8|4453 Aufrufe

Monika Maron, Schriftstellerin aus der ehemaligen DDR, schreibt in der Welt vom 04.01.2015:


Von Burkinis, Klassenfahrten, Riesenmoscheen, Gebetsräumen in Schulen oder von der absurden Milde deutscher Gerichte gegenüber den kulturellen Eigenheiten der muslimischen Migranten, die erst für Aufregung sorgte, als eine Frankfurter Richterin einem muslimischen Mann das Recht zusprach, seine muslimische Frau zu verprügeln, will ich gar nicht erst sprechen. Islamisierung beginnt nicht erst, wenn der Islam in Deutschland Staatsreligion geworden ist, sondern wenn er unsere rechtsstaatlichen und zivilisatorischen Grundsätze mit seinen religiösen Ansprüchen unterläuft.

Ob die Strafgerichte eine absurde Milde gegenüber Muslimen praktizieren, mögen die Strafrechtler diskutieren.

Zu dem familienrechtlichen Fall (Quelle:SPON)

Sie (26, deutsche Staatsangehörige mit marokkanischen Wurzeln) wurde von ihrem marokkanischen Ehemann geschlagen und mit dem Tode bedroht. Die Richterin verwies in einem Gewaltschutzverfahren den Ehemann der Ehewohnung und verhängte gegen ihn ein Näherungsverbot.

Die Frau begehrte Prozesskostenhilfe für eine Härtefallscheidung gemäß § 1565 II BGB (Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde).

Die Richterin lehnte diese ab. Sie meinte, die Ehefrau könne geschieden werden, ihr sei jedoch zuvor der Ablauf des Trennungsjahres zuzumuten. Dabei verstieg sie sich zu der Behauptung, in dem muslimischen Kulturkreis sei es nicht unüblich, dass der Mann gegenüber der Frau ein Züchtigungsrecht ausübe. Hiermit habe die in Deutschland geborene Antragstellerin rechnen müssen, als sie den in Marokko aufgewachsenen Antragsgegner geheiratet habe.

Der Befangenheitsantrag gegen die Richterin war erfolgreich. Ob und mit welchem Ergebnis die Frau Beschwerde gegen die PKH-Entscheidung eingelegt hat, lies sich nicht recherchieren.

Jedenfalls kann m.E. keine Rede davon sein, dass eine Frankfurter Richterin einem muslimischen Mann das Recht zusprach, seine muslimische Frau zu verprügeln.

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8 Kommentare

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So weit, so gut. Aber was ist damit, dass Gerichte "kulturelle Eigenheiten" zu berücksichtigen hätten?

Ich nehme an, da kommt das her und man liest es immer wieder. Merkwürdigerweise meist, wenn es um die Missachtung von Grundrechten (bei Frauen) geht, wie hier die körperliche Unversehrtheit und der Gleichheitsgrundsatz.

Oder Schwimmunterricht? Davon befreit zu werden ist das Religionsfreiheit? Oder kulturell oder Elternsache oder doch vielleicht... 

Du weißt, dass es mir fern ist, an "Islamisierung der Justiz" zu denken, aber so ganz überzeugt bin ich trotzdem noch nicht.

 

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Wie nehmen in Deutschland auf religiös begründeten Unfug vielfältig Rücksicht, das hat Tradition und ist vielleicht ganz gut, damit die Gesellschaft nicht implodiert oder explodiert :

Zeugen Jehovas mussten keinen Wehrdienst leisten, § 15a ZDG

Geschiedene Chefärzte werden aus katholischen Krankenhäusern gekündigt

Eltern können ihrem deutschen Kind, das in Deutschland leben soll den (aus deutscher Sicht geschlechtslosen) Namen "Kiran" geben. An sich geht das nicht mit dem geschlechtslosen Namen in Deutschland, aber: "Da das Kind um 3:09 Uhr morgens geboren worden sei, sei es nach hinduistischer Tradition "Kiran" also "Sonnenstrahl" (erstes Licht des Tages) genannt worden"
(BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05. Dezember 2008 – 1 BvR 576/07 –, juris)

 

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Tourix schrieb:
Parallelwelt wie in Großbritannien
Eine geschriebene Verfassung hat durchaus ihre Vorteile.

Ich sehe das Problem auch weniger bei den Gerichten als bei der grundsätzlich nicht vollzogenen Trennung von Kirche und Staat in Deutschland und bei solchen Schulbehörden oder Schulen, die die weltanschauliche Neutralität außerhalb des Religionsunterrichts nicht konsequent durchsetzen.

Freiheiten und Grundrechte werden regelmäßig als etwas gutes wahrgenommen, wenn man seine eigenen Vorstellungen damit durchsetzen kann (Kirchenglocken, Meinungsfreiheit, Demonstrationrecht, Gewerkschaften, Erziehungsrecht) und als etwas störendes wenn es damit geht das jemand anderes seine Rechte ausübt (Muezzin Ruf, Kritik, Gegendemonstration, Arbeitgeberverbände, Kinderrechte).

 

Der Umstand, dass man Grundrechte nicht deshalb zu oder aberkennen kann weil das ausgeübte Verhalten mehrheitsfähig ist oder nicht bleibt ein Dorn im Auge und wird als Angriff auf die eigenen Werte verstanden anstatt als Sieg der Gerechtigkeit und der Minderheitsrechte über die menschliche Natur.

 

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"Dabei verstieg sie sich zu der Behauptung, in dem muslimischen Kulturkreis sei es nicht unüblich, dass der Mann gegenüber der Frau ein Züchtigungsrecht ausübe. Hiermit habe die in Deutschland geborene Antragstellerin rechnen müssen, als sie den in Marokko aufgewachsenen Antragsgegner geheiratet habe."

 

Wenn das ihre Äußerung war, ist die Wiedergabe in den damaligen Medienberichten m. E. eine starke Verzerrung gewesen. Die Äußerung ist m. E. kritisch gegenüber dem Marokkanern, den Gepflogenheiten im arabischen Kulturkreis oder Frauen, die in diesen einheiraten ("Wer so doof ist, einen Marokkaner zu heiraten, darf sich nicht wundern, wenn sie bei einem Streit Schläge kassiert."). Eine Rechtfertigung oder Akzeptanz dessen, wie es in den Medien angedeutet wurde, liegt darin keineswegs.

 

Zum Thema generell meine ich, dass sich Gesetzgeber und Justiz stärker auf die Säkularisierung besinnen bzw. dahin zurückkehren sollten. Das beginnt mit einer Abschaffung kirchlichen Sonderrechts in der Arbeitswelt, einer Verbannung von Glaubensbekenntnissen aller Art (vom aus religiösen Gründen getragenen Kopftuch bis zum Kruzifix) aus den Klassenzimmern, einer Ablehnung des Einzugs der Kirchen"steuer" durch die Finanzämter und gern auch einer Abschaffung des Religionsunterrichts in seiner jetzigen Form.

Wenn man den Mut findet, mag man auch die Verträge mit der Kirche über Gehaltszahlungen für Priester kündigen oder gegen Ablöse aufheben.

Nur so wären m. E. Gleichheit für alle religiösen Bekenntnisse inklusive oder zuzüglich der Ablehnung von Religion zu bewirken.

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In katholischen Gegenden muß man es sich ja auch gefallen lassen, daß ein Kruzifix über dem Richtertisch hängt, egal aus welcher Gegend der Richter und die Verfahrensbeteiligten stammen und welcher Religion sie anhängen (wenn überhaupt). Deswegen zu behaupten, die Justiz folge irgendwelchen christilichen Weltanschauugen - von denen es dutzende gibt - wäre ebenfalls unrichtig.  Dort wo verschiedene Auffassung vertretbar sind, ist es Aufgabe der Justiz, einen Interessenausgleich zu schaffen und verschiedene Standpunkte zu berücksichtigen. Wenn im Einzelfall die religiösen Hintergründe der Verfahrensbeteiligten berücksichtigt werden, findet weder allgemein eine Christianierung oder Islamisierung der Rechtsprechung statt.

 

 

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