Für den Angeklagten enttäuschend: Keine Anfechtung der belastenden Auslagenentscheidung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.01.2015

Auslagenentscheidungen, die den Beschuldigten belasten können eigentlich mit der sofortigen Beschwerde selbständig angegriffen werden. Manchmal aber auch nicht, wie nachfolgender (etwas untypischer) Fall zeigt:

Gegen die frühere Angeklagte und Beschwerdeführerin wurde ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung vor der 3. großen Strafkammer - Jugendkammer als Jugendschutzkammer – des Landgerichts Bochum geführt. Seitens der Staatsanwaltschaft Bochum wurde am 21. Januar 2014 vor dem Landgericht Bochum Anklage gegen die Beschwerdeführerin und drei weitere Angeklagte erhoben, in welcher der Beschwerdeführerin vorgeworfen wurde, durch Unterlassen erforderlicher Absicherungsmaßnahmen im Rahmen von Entrümpelungsarbeiten in ihrem damaligen Wohnhaus am 28. Mai 2013 die Körperverletzung des zum Strafverfahren als Neben- und Adhäsionskläger zugelassenen Geschädigten fahrlässig verursacht zu haben. Diesem war im Zuge der Arbeiten ein aus dem Dachgeschoßfenster herunter geworfener Sessel auf den Kopf gefallen, was beim Nebenkläger zu erheblichen, mit umfangreichen Folgeschäden verbundenen Kopfverletzungen geführt hatte. Mit Schreiben des durch die gesetzlichen Vertreter in seinem Namen beauftragten Rechtsanwaltes vom 28. März 2014 stellte der Neben- und Adhäsionskläger nach der Eröffnung des Hauptverfahrens den Antrag, die Beschwerdeführerin sowie die weiteren Angeklagten im Wege der Adhäsion gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 130.000,00 Euro nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass die Beschwerdeführerin sowie die weiteren Angeklagten zum Ersatz sämtlicher aus dem Ereignis vom 28. Mai 2013 resultierender materieller und immaterieller Schäden verpflichtet seien.

In der vor der Kammer durchgeführten Hauptverhandlung wurde das Verfahren gegen die Beschwerdeführerin und einen der Mitangeklagten durch Beschluss der Kammer vom 27. Juni 2014 gemäß § 153 StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens sowie die der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt. Durch weiteren Beschluss vom selben Tag sah die Kammer bezüglich der Beschwerdeführerin und eines weiteren Angeklagten von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Neben- und Adhäsionsklägers ab und legte der Beschwerdeführerin, dem Mitangeklagten sowie dem Adhäsionskläger im Rahmen der Auslagenentscheidung die ihnen durch den Adhäsionsantrag jeweils entstandenen notwendigen Auslagen auf. Die im Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt.

Gegen die das Adhäsionsverfahren betreffende Auslagenentscheidung richtet sich die durch Schreiben ihres Verteidigers vom 3. Juli 2014 eingelegte, am 4. Juli 2014 bei dem Landgericht Bochum eingegangene sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin, welche weiter begründet worden ist und mit der die frühere Angeklagte die Belastung des Antragstellers/Nebenklägers, hilfsweise der Landeskasse, mit den ihr im Adhäsionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen erstrebt.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat in ihrer Zuschrift vom 1. September 2014 beantragt, die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die von der Beschwerdeführerin erhobene sofortige Beschwerde gegen die nach § 472 a Abs. 2 S.1 StPO ergangene Auslagenentscheidung ist unzulässig, da der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde die Vorschrift des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz StPO entgegen steht.

Danach ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der in § 464 Abs. 1 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Dies wird übereinstimmend dahingehend verstanden, dass die Kostenbeschwerde unzulässig ist, wenn die Hauptentscheidung schon nach ihrer Art schlechthin nicht angefochten werden kann oder die betreffende Person grundsätzlich unabhängig von der Frage der Beschwer im Einzelfall zur Einlegung eines Rechtsmittels nicht befugt ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.1998, 3 Ws 464/98, zitiert nach juris, Rn 2; OLG Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2004, 2 Ws 143/04, zitiert nach juris, Rn 9; OLG Celle, Beschluss vom 25.09.2007, 1 Ws 345/07, zitiert nach juris, Rn 8; OLG Köln, Beschluss vom 22.08.2008, 2 Ws 406/08, zitiert nach juris, Rn 11; OLG Hamm, Beschluss vom 14.02.2008, 2 Ws 25/08, Rn 4; Thüringer OLG, Beschluss vom 22.01.2010, 1 Ws 525/09, zitiert nach juris, Rn 9). An der Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde fehlt es auch dann, wenn die Anfechtbarkeit der Hauptentscheidung – wie hier - nach dem systematischen Gesamtzusammenhang schlechthin ausgeschlossen ist (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 20. Juni 2014, 128/12, juris, Rn 10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 464 Rn 17, jeweils mit weiteren Nachweisen; Gieg in Karlsruher Kommentar, 7. Aufl., § 464 StPO, Rn 8).

Die die angefochtene Auslagenentscheidung auslösende Hauptentscheidung ist vorliegend die Entscheidung der Kammer, gemäß § 406 Abs. 1 S. 3 StPO von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Neben- und Adhäsionsklägers abzusehen und nicht die in einem gesonderten Beschluss erfolgte Einstellung des Verfahrens gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 153 StPO (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.1988, 1 Ws 820/88, juris, Rn 3).

Da die Einstellung des Verfahrens gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 153 StPO eine den Rechtszug abschließende Entscheidung i. S. v. § 406a Abs. 1 S.1 StPO darstellt, war für den Neben- und Adhäsionskläger eine Anfechtung der Hauptentscheidung gemäß § 406 a Abs. 1 S. 2 StPO und damit auch eine Anfechtung der Auslagenentscheidung gemäß §§ 472a Abs. 2 S. 1, 464 Abs. 3 S.1 Halbsatz 2 StPO gesetzlich ausgeschlossen.

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, ob und inwieweit der Beschuldigte bzw. Angeklagte eine gerichtliche Adhäsionsentscheidung anfechten kann, trifft § 406 a Abs. 2 S. 1 StPO lediglich für den Fall, dass das erkennende Gericht dem Antrag des Adhäsionsklägers stattgibt. In diesem Fall wird dem Angeklagten die Möglichkeit eröffnet, die Adhäsionsentscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils anzufechten.

Hingegen fehlt eine ausdrückliche Regelung in der Strafprozessordnung, ob und inwieweit dem Beschuldigten bzw. Angeklagten gegen die Entscheidung des erkennenden Gerichts, gemäß § 406 Abs. 1 S. 3 StPO von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abzusehen, ein Rechtsmittel zusteht. Jedoch ergibt sich insoweit aus dem systematischen Zusammenhang der beiden vorgenannten Regelungen des § 406 a Abs. 1 S. 2 (gesetzlicher Ausschluss der Anfechtung für den Adhäsionskläger im Falle des Absehens von einer Adhäsionsentscheidung) und Abs. 2 S. 1 StPO (ausdrückliche Regelung der Anfechtungsmöglichkeit für den Beschuldigten bzw. Angeklagten bei einer stattgebenden Adhäsionsentscheidung), dass eine Beschwerde des Beschuldigten bzw. Angeklagten gegen das Absehen des erkennenden Gerichts von einer Adhäsionsentscheidung gesetzlich ausgeschlossen ist. Daher ist die Hauptentscheidung im Sinne des § 464 Abs. 1 StPO für die Beschwerdeführerin unanfechtbar. Da die Kostenentscheidung grundsätzlich nicht in weiterem Umfang anfechtbar sein soll als die Hauptentscheidung, ist somit auch die angefochtene, das Adhäsionsverfahren betreffende Auslagenentscheidung gemäß § 464 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz StPO einer Anfechtung durch die Beschwerdeführerin entzogen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn 2 unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung des Entwurfs des StVÄG).

Die sofortige Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 18.9. 2014 - 2 Ws 211/14

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen