Öffentliche Diskussion mit Strafanzeigen - sinnvoll?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.01.2015

Heute liest man in der Welt Kriminalbeamte hätten gegen den Bundestagsabgeordneten Volker Beck Strafanzeige erstattet wegen falscher Verdächtigung, übler Nachrede und Beleidigung:

Der BDK-Bundesvorsitzende André Schulz nannte die Äußerungen des Grünen-Bundestagsabgeordneten "unverschämt, unangemessen und eine Beleidigung für jeden Ermittler". Sie unterstellten, dass Polizei und Staatsanwaltschaft wissentlich gehandelt haben, sagte Schulz in Berlin. Becks Anzeige offenbare sein gefährliches Halbwissen über polizeiliche Ermittlungsarbeit im Allgemeinen und über diesen Fall im Besonderen. Der Grünen-Politiker agiere als geistiger Brandstifter und habe seiner Partei und der Politik insgesamt einen Bärendienst geleistet. "Herr Beck wäre gut beraten, wenn er sich umgehend für seine Kurzschlusshandlung entschuldigen und die weiteren Ermittlungen abwarten würde." Er habe vollstes Vertrauen in die Fähigkeiten der Dresdner Polizei und der Staatsanwaltschaft, so Schulz.

Hintergrund ist der Fall "Khaled": Auf der Straße in Dresden hatte man die Leiche des jungen Khaled Idris Bahray aufgefunden; es wurde aber zunächst seitens der Polizei kein Fremdverschulden erkannt. Erst mit einem Tag Verspätung wurden bei der Obduktion Stichverletzungen entdeckt und erst dann eine einem Tötungsdeklikt entsprechende Spurensicherung am Tatort veranlasst.

Volker Beck hatte zuvor seinerseits Strafanzeige gestellt wegen Strafvereitelung im Amt und auf seiner Homepage dies wie folgt begründet:

„Die Ermittlungspannen im Tod des Asylbewerber Khaled Idris Bahray müssen rückhaltlos aufgeklärt werden. Heute habe ich deshalb Strafanzeige gegen unbekannt wegen möglicher Strafvereitelung im Amt gestellt. Mir fehlt jedes Verständnis für das nachlässige Vorgehen der Ermittlungsbehörden.

Am vergangenen Montagabend, als Pegida durch Dresden marschierte, wurde der Asylbewerber Khaled Idris Bahray durch Messerstiche getötet. Als man den Toten blutüberströmt am Dienstagmorgen fand, verbreitete die Dresdner Polizei zunächst die Nachricht, sie hätte keine Anhaltspunkte auf Fremdeinwirkung. Erst nach der Obduktion des Opfers räumt die Polizei ein Fremdverschulden ein und schickt erst 30 Stunden nach der Tat die Spurensicherung an den vermeintlichen Tatort. Dies wirkt dilletantisch. Ich gehe davon aus, dass man das auch in Dresden so sehen wird und Ermittlungen aufnimmt, um Zweifel auszuräumen.“

Strafvereitelung ist ein Vorsatzdelikt - es bedarf sogar der "absichtlichen oder wissentlichen" Vereitelung. Volker Beck selbst behauptet konkret nur "Ermittlungspannen" und "nachlässiges Vorgehen". Seine Strafanzeige hatte also von vornherein wenig Substanz. 

Allerdings sieht es mit der Reaktion des BDK-Vorsitzenden nicht viel anders aus. § 164 StGB (falsche Verdächtigung) setzt weit mehr voraus als eine unsubstantiierte Strafanzeige gegen unbestimmte Behördenangehörige. In einer Demokratie ist zudem die Schwelle zur Ehrverletzung sehr hoch anzusetzen, wenn es um die Kritik an Behördenverhalten geht. Die Reaktion des BDK-Vorsitzenden scheint deshalb überzogen und könnte zudem zu dem Schluss verführen: "Getroffene Hunde bellen". Herr Schulz, denke ich, offenbart ebenfalls "gefährliches Halbwissen" und leistet damit seiner Organisation und der Polizei seinerseits einen "Bärendienst". Gerade wenn man anderen Unsachlichkeit vorwirft, sollte man selbst sachlich bleiben.

Ob Polizeibeamte beim Auffinden der Leiche des Bahray tatsächlich fahrlässig gehandelt haben, ob - wie es zunächst den Anschein hat - hier (ggf. grobe) Ermittlungsfehler gemacht wurden, wird sich wohl noch zeigen. Immerhin scheint man nun nach der öffentlichen Kritik alles daran zu setzen, ggf. Fehler wieder auszubügeln, hoffentlich mit einem Ermittlungserfolg.

In den vergangenen Jahren war leider zu konstatieren, dass die polizeiliche Einordnung von Gewaltdelikten mit (möglicherweise) rechtsextremem Hintergrund zu wünschen übrig ließ. Das ist sicherlich auch ein Hintergrund der Aufregung Volker Becks.

Insgesamt erscheint mir aber eine solche  öffentliche Auseinandersetzung mittels Strafanzeigen wenig sinnvoll.

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22 Kommentare

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Die Polizei ist Teil der exekutiven Staatsgewalt.

In einer offenen freiheitlichen Demokratie müssen die Bürger (auch wenn sie politisch engagiert sind oder ein Parlamentsmandat haben) berechtigt sein, die Rechtmäßigkeit von Handlungen der exekutiven Staatsgewalt überprüfen zu lassen.

Falls sich Anhaltspunkte für rechtswidriges Handeln der Beamten ergeben, ganz gleich ob es um eine Körperletzung im Amt oder um eine Beiheilfe oder Anstiftung zu einer Straftat oder um eine Strafvereitelung geht, muß es auch erlaubt sein, daß Handeln der Staatsgewalt durch eine an die Staatsanwaltschaft gerichtete Strafanzeige untersuchen und überprüfen zu lassen. 

Bloße Beschwerden bei Disziplinarvorgesetzten sind nämlich wesentlich weniger geeignet dubiose Sachverhalte aufzuklären.

Vermutlich richtete die Fehlverhalten der Polizei mutmaßende Strafanzeige sich auch nicht gegen einen bestimmten konkreten namentlich genannten Beamten,  sondern "gegen unbekannt", so daß durch die Strafaneige und das Ermittlungsverfahren also zunächst einmal wohl kein Beamter unmittelbare persönliche Rechtsnachteile erleidet.

Im Unterschied dazu richtet sich die Retourkutsche (Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung) der Polizei gegen eine konkrete nametlich benannte Person, die nun in verschiedenn staatlichen Registern namentlich als Beschuldigte geführt wird, und die bereits alleine hierdurch Rechtsnachteile erfahren kann, auch wenn sie später freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird.

Auch deswegen halte die konkrete Retourkutsche für sehr viel bedenklicher als die ursprüngliche gegen unbekannt gerichtet Strafanzeige.

Zudem steht zu befürchten, daß Bürger zukünftig abgeschreckt werden sollen, bei Verdachtsmomenten bei denen es um das Verhalten der exekutiven Staatsgewalt geht zum Zwecke der Einleitung von Ermittlungen Strafanzeigen zu erstatten.

Ich frage mich, ob Menschen wie Jim Garrisson, die zur Aufklärung von Straftaten und von Verdachtmomenten beitragen wollen, und die dabei auch eine Mitschuld von Mitgliedern der exekutiven Staatsgewalt an der zu untersuchenden Straftat nicht ausschließen, demnächst zu befürchten haben, selber wegen angeblich falscher Verdächtigung verfolgt zu werden.

Meiner Einschätzung nach gäbe es zum Beispiel unter anderem auch in der Angelegenheit Mollath und in der Angelegenheit NSU-Morde Anlass, auch gegen Organe der Staatsgewalt Verdachtsmomente zu prüfen und zu untersuchen, und vielleicht auch entsprechende Strafanzeigen zwecks Einleitung von staatsanwalichen Untersuchungen einzuleiten - wenn man dafür dann selber zum Beschuldigten einer angeblich "falschen Verdächtigung" gemacht würde, hielte ich das für sehr bedenklich.

Wir haben als Befürworter von Rechtsstaatlichkeit und Freiheit und Demokratie und Offenheit und Transparenz alle (Ende der 1980'er-Jahre) von der Sowjetunion Glasnost und Perstroika gefordert, aber bei uns im eigenen Land scheint sich die Staatsgewalt dagegen oft mit Händen und Füßen wehren zu wollen.

 

 

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Ich kenne die Ermittlungsakte im Falle Khaled nicht, aber ist eine Strafanzeige gleich als substanzlos zu werten, wenn man die "Pannen" und das "nachlässige Vorgehen" überprüft wissen möchte? 

Eine ergebnisoffene Untersuchung obliegt doch der StA, meiner Ansicht nach.

Die "Retourkutsche" erscheint dagegen schon äusserst missbräuchlich. Ob es einer staatlichen Stelle gut zu Gesicht steht, derart haltlos die Kapazitäten der Justiz zu verbrauchen, sei einmal dahingestellt, aber vielleicht hat Herr Beck ja Humor und stellt nun seinerseits Anzeige wegen falscher Verdächtigung, Beleidigung und übler Nachrede, schliesslich muss er sich nicht nachsagen lassen, er würde aufgrund seines gefährlichen Halbwissens Straftaten begehen.

 

Und dann macht man ad infinitum wechselseitig so weiter...

Max Mustermann schreibt:

Und dann macht man ad infinitum wechselseitig so weiter...

Genau diese nicht erfreuliche Aussicht war Anlass meines Beitrags. Es geht dann nur noch darum, wer wann was wem (angeblich) vorgeworfen hat, irgendeine vermeintliche "Ehre" einer Polizeibehörde bzw. eines Gewerkschaftsführers oder eines Politikers und wer mit welcher Strafanzeige am Ende Recht behält, ohne dass die Sache selbst (das Tötungsdelikt) oder die evtl. Pannen bei den Ermittlungen tatsächlich aufgeklärt werden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Warten wir das Verfahren ab. Mir scheint das Verhalten des Bundestagsabge. Beck unangemesse, noch bevor das Verfahren ein Ergebnis kennt, operiert er mit einer Unterstellung, die reiner Kaffeesatzleserei entspricht. Er hat kein Indiz, dass seine Unterstellung begründet. Die meisten Morde sind Beziehungstaten und wieso sollte das hier ausgeschlossen sein? In beide Richtungen zu ermitteln erwarte ich und ich habe Achtung vor den forensischen Pathologen, die diese Stichwunden nicht übersehen haben. Irgend eine Absicht der Strafvereitung zu unterstellen ist für mich schmierig. Hier wird ein Tötungsdelikt politisch instrumentalisiert und es funktioniert. Herr Beck hat es mal wieder geschafft. Ich finde es ok, dass auch sein Verhalten kritisch beleuichtet wird, auch wenn es all zu durchsichtig ist.

Ich hoffe der Mord wird aufgeklärt und die/der Täter ermittelt!

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Herr Prof. Dr. Müller hat prima facie (auf den genauen Inhalt der Strafanzeige kommt's an) Recht, wenn er aus der Formulierung Becks Bedenken gegen die Substanz seiner Strafanzeige herleitet. Gem. § 152 Abs. 2 StPO wird die Staatsanwaltschaft eben nur bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine verfolgbare Straftat tätig. Vermutungen und Befürchtungen reichen dafür nicht aus. Das hat seinen guten Grund u.a. in den erheblichen Eingriffsbefugnissen der Staatsanwaltschaft, die unbeschadet ihres (insofern richtigerweise) weitreichenden Beurteilungsspielraums grundsätzlich nicht befugt ist, "ins Blaue hinein", also verdachtslos zu ermitteln.

Zumal die veranlasste (und auf bestmögliche Aufklärung eines Todesfalls gerichtete) Obduktion geeignet ist, den etwaigen Verdacht einer Strafvereitelung trotz der auf den ersten Blick mehr als bedauerlichen Tatortarbeit (Leichenschau??) auszuräumen. Dilettantismus (als worst case polizeilicher Tatortarbeit zu Prüfzwecken eínmal unterstellt) wäre auch in diesem Fall per se keine Straftat (was er in anderen Zusammenhängen allerdings durchaus sein kann).

Eines ist gewiss: auch ohne Strafanzeige arbeiten Staatsanwälte mit "ihrer Polizei" (vgl. § 161 Abs. 1 StPO) die Hintergründe intensiv auf, wenn es einmal zu Ermittlungspannen kommt. Kein Staatsanwalt findet es "lustig", wenn (s)ein Ermittlungsverfahren  wegen einer solchen Panne droht, "den Bach herunter zu gehen". Spätestens bei Kapitaldelikten ist dann der Grad völliger Humorlosigkeit erreicht.

Davon abgesehen: politische oder gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit - zumal veröffentlichten - Strafanzeigen führen zu wollen, ist (meiner privaten Ansicht nach) ebenso ein Zeichen mangelnder politischer Reife wie in der Sache kurzsichtig. Denn ein Ermittlungsverfahren ist kein Seminar zur Aufarbeitung etwaiger gesellschaftlicher und/oder politischer Missstände.  Unterstellt, es wäre strafrechtlich an einer Anzeige wirklich etwas "dran": was gibt es Fragwürdigeres, als einem Verdächtigen klarzumachen, dass demnächst die Staatsanwaltschaft ins Haus steht? Zielgerichteter, als sie gleich zu Beginn auf dem Marktplatz zu erörtern, kann man Ermittlungen eigentlich nicht torpedieren. Aus (der naturgemäß subjektiven) Sicht eines Ermittlers: Die veröffentlichte Strafanzeige bedient primär das Kommunikationsbedürfnis des Anzeigenden mit den Medien, dürfte m.E. also tendenziell eher eine Werbemaßnahme in eigener Sache sein.

 

@ Helmut M.:

Die von Ihnen geäußerte Vermutung, die Anzeige gegen Unbekannnt werde niemanden bei der Polizei persönlich beeinträchtigen, ist menschenfreundlich gedacht, aber an der Realität vorbei. Die Staatsanwaltschaft braucht idR nicht allzu lange, bis klar ist, welcher Beamte die Verantwortung trägt. Eine Strafanzeige gegen unbekannt ("UJs-Sache") wird nach den von der Staatsanwaltschaft zu beachtenden Eintragungsregeln für Beschuldigte und Ermittlungsverfahren dann ganz schnell zu einem Ermittlungsverfahren gegen einen  o. mehrere bestimmte Beschuldigte ("Js-Sache").

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Sehr geehrte/r OStA50,

Sie schreiben:

Denn ein Ermittlungsverfahren ist kein Seminar zur Aufarbeitung etwaiger gesellschaftlicher und/oder politischer Missstände.  Unterstellt, es wäre strafrechtlich an einer Anzeige wirklich etwas "dran": was gibt es Fragwürdigeres, als einem Verdächtigen klarzumachen, dass demnächst die Staatsanwaltschaft ins Haus steht?

Ich möchte diese Sätze doppelt unterstreichen. Die Strafanzeige Becks war auch aus diesen Gründen fragwürdig. Die Retourkutsche des bdk-Vorsitzenden (der es genauso wissen müsste) noch peinlicher.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr OStA50,

Sie schreiben unter anderem, Zitat:

"Eines ist gewiss: auch ohne Strafanzeige arbeiten Staatsanwälte mit "ihrer Polizei" (vgl. § 161 Abs. 1 StPO) die Hintergründe intensiv auf, wenn es einmal zu Ermittlungspannen kommt. Kein Staatsanwalt findet es "lustig", wenn (s)ein Ermittlungsverfahren  wegen einer solchen Panne droht, "den Bach herunter zu gehen". Spätestens bei Kapitaldelikten ist dann der Grad völliger Humorlosigkeit erreicht."

Abgesehen davon, das es hier nicht darum geht, wer was lustig findet, oder wer für was Humor empfindet, mag und wird Ihre hier zitierte Ansicht für die große und ganz überwiegende Masse an Normalfällen wohl zutreffen.

Jedoch gibt es gelegentlich auch Ausnahmefälle, die mich am unbedingten Willen zur Initiative und am unbedingten Aufklärungswillen der beteiligten Staatsanwaltschaften zweifeln lassen.

Denken Sie etwa mal an die Arbeit der Innen- und Justizbehörden beim Lockhead-Martin-Skandal (Starfighter-Beschaffung für die Bundeswehr), oder an die Arbeit der Innen- und Justizbehörden nach dem Oktoberfest-Attentat (erst jetzt wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen), oder bei der Aufklärung und Verfolgung des GSG9-Zugriff bei Bad-Kleinen, oder bei der Veletzung des Stuttgart-21-Gegners Dietrich Wagner, oder an die Aufklärung und Verfolgung der NSU und von deren Taten, oder an die Merkwürdigkeiten im Fall Gustl Mollath, oder an das Unterlassen von Ermittlungen nach Veröffentlichung der Snowden-Dokumente.

Ihre wohl indirekt mehr oder weniger subtil suggerierte These, es sei unnötig, daß Bürger Strafanzeigen erstatten, und es sei unnötig, daß sich Bürger und Öffentlichkeit für die Arbeot von Polizei und Justiz interessieren, weil die Justizbehörden sowieso immer fleißig und gewissenhaft ihre Aufgaben erledigen würden, also auch wenn keine Strafanzeige eingeht und wenn sich die Öffentlichkeit nicht für den Fall interessiert, finde ich in ihrer Absolutheit sehr leichtgläubig.

Damit meine ich selbstverständlich nicht etwa, daß man Staatsanwälte und Polizisten unter Generalverdacht stellen sollte (mir sind zahlreiche integere und absolut vertrauenswürdige Staatsanwälte und Polizisten bekannt), aber ich meine, daß gerade in politisch brisanten Fällen, Staatsanwälte und Polizisten sich auch gefallen lassen müssen, daß politisch engagierte und kritische und mißtrauische Bürger versuchen, auch mittels Strafanzeigen darauf hinzuwirken, daß die Arbeit der staatlichen Organe in Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften rechtsstaatlich und transaparent und unvoreingenommen und dem Legalitätsgrundsatz (und nicht etwa politischen Opportunitätsgesichtspunkten folgend) verpflichtet erfolgt.

Volker Beck jetzt zu ächten oder ihn zum Buhmann machen zu wollen, halte ich für völlig verfehlt.

Wenn man ihn nicht gut findet, muß man ihn ja nicht wählen.

Ich meine, nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, und daß Volker Beck sich nicht immer angepasst verhält, sondern unangenehme Frage stellt und auch bisweilen auch staatlichen Organen lästig fällt, finde ich erfreulich.

Würden wir uns Alle angepasst und opportunistisch verhalten, dann wären Rechtsstaat und Bürgerrechte und Freiheit und Demokratie so gut wie wertlos.

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Suttgart21-Kritiker schrieb:

Volker Beck jetzt zu ächten oder ihn zum Buhmann machen zu wollen, halte ich für völlig verfehlt.

Soweit es nur um die Strafanzeige an sich geht, vielleicht. Soweit es aber um die Medieninszenierung des Herrn Beck rund um die Anzeige geht, ist die Kritik vollkommen berechtigt. Da kann auch ich mich nur dem Satz anschließen

OStA50 schrieb:

Unterstellt, es wäre strafrechtlich an einer Anzeige wirklich etwas "dran": was gibt es Fragwürdigeres, als einem Verdächtigen klarzumachen, dass demnächst die Staatsanwaltschaft ins Haus steht? Zielgerichteter, als sie gleich zu Beginn auf dem Marktplatz zu erörtern, kann man Ermittlungen eigentlich nicht torpedieren.

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Becks Anzeige ist aus dem einfachen Grunde frivol zu nennen, weil der Inhalt seiner Strafanzeige sich ja nur auf die von der Polizei schon vorgenommene Richtungsänderung bezieht.

Anlass für die Anzeige waren also die Erkenntnisse der Kripo, dass eben doch ein Tötungsdelikt vorliegt.

Mir erscheint das reichich unlogisch, dann Strafvereitelung in den Raum zu stellen, wenn die Strafverfolgung aufgenommen wurde.

Natürlich wundert sich der Laie, wenn man hört, dass am Auffindeort anscheinend ein Schlüsselbeinbruch mit Todesfolge festgestellt worden sein will und nachher sieht man bei der Obduktion Stichwunden an Hals und Oberkörper.

Ob es sinnvoll ist, eine öffentliche Diskussion darüber via Strafanzeigen anzuregen?

Wahrlich fraglich.

In der juristischen Fachdiskussion vergisst man schnell, dass eine Strafanzeige ein (je nach Ansicht untaugliches: http://peira.org/formlos-fristlos-fruchtlos-strafanzeigen-als-politische...) Mittel der Politik ist und auch als solches eine gewisse Bedeutung hat. Auch wenn es (aus der Perspektive des Strafrechts) bei einer Strafanzeige nicht darum gehen kann/soll/darf, irgendwelchen Druck auszuüben ist das natürlich in der wirklichen Welt ganz anders.

Daher stimmt die Aussage: "Juristisch ist da nichts dran" vermutlich für beide Strafanzeigen. Ich würde sie dennoch unterschiedlich bewerten. Während die Anzeige von Herrn Beck zuförderst ein politisches Stilmittel ist, den Druck auf die Ermittlungbehörden (die gerade in dieser Region durch Merkwürdigkeiten aufgefallen ist: http://www.taz.de/!153157/) zu erhöhen, ein Verbrechen und die möglichen eigenen Versäumnisse dabei aufzuklären -  ist die Strafanzeige der Polizei-Lobbyorganisation eine billige Retourkutsche, die viel über das Selbstverständnis von Ermittlungsbehörden und den Umgang mit Kritik an ihnen aussagt.

Ansonsten sollte sich natürlich der BDK mit Forderungen nach besserer Ausstattung von Polizei und Justiz zurückhalten. Denn offenbar haben sie noch genug Zeit, um mit wirklich offensichtlich sinnlosen Strafanzeigen ihren Kolleginnen und Kollegen Arbeit zu bescheren.

 

zu #10:

Anlass für die Anzeige waren also die Erkenntnisse der Kripo, dass eben doch ein Tötungsdelikt vorliegt.

Mir erscheint das reichich unlogisch, dann Strafvereitelung in den Raum zu stellen, wenn die Strafverfolgung aufgenommen wurde.

Anlass war das Verhalten der ermittelnden Polizisten, bei einem Asylbewerber, der Dienstag morgen nach einer Großdemonsstration der (jedenfalls in Teilen) rechtsextremen, ausländerfeindlichen Pegida-Demonstration, in Dresden tot aufgefunden wird, ein Fremdverschulden erst einmal auszuschließen und erst auf öffentlichen Druck und Berichte über das Auffinden in einer Blutlache, vorherigen Tritten gegen die Tür und aufgemalte Hakenkreuze weitere Ermittlungen anzustellen.

Ob man in Dresden nun wirklich absichtlich oder wissentlich die entsprechenden Verletzungen verkannt und dadurch entsprechende Ermittungen verzögert hat, das werden die Ermittlungen hoffentlich zeigen.
Gänzlich ausgeschlossen ist es nicht, wenn auch höchstwahrscheinlich ohnehin nicht nachzuweisen.

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Vielleicht fürchtete die Polizei oder das Innenministerium im Falle des Bekanntwerdens des mutmaßlichen Tötungsdeliktes gewaltsame Krawalle, und wollte den öffentlichen Frieden schützen, sowie Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwehren, und hat deshalb die Öffentlichkeit erst mal nicht vollständig aufgeklärt.

Daß würde bedeuten, daß man Leib und Leben von Menschen schützen wollte, was ja ein billigenswertes Ziel wäre.

Das Opfer war ja schon tot, daß heißt, dem Opfer konnte man ja sowieso nicht mehr helfen.

Mehr Ehrlichkeit oder Offenheit hätten es auch nicht wieder lebendig gemacht.

Die öffentliche Sicherheit konnte man aber noch schützen.

Und zur strikten Befolgung des Legalitätsprinzips sind doch wohl nur die Staatsanwaltschaften verpflichtet, während die Polizei bei einer Abwägung doch wohl auch Opportunitätsgesichtspunkte berücksichtigen darf.

Ein schwieriger Fall, bei dem ich sicherlich nicht zuständiger Polizist oder zuständiger Staatsanwalt sein wollte.

Wie man es auch macht, macht man es verkehrt, und wird anschließend gescholten.

Vor dem Dilemma der Beamten sollte man nicht die Augen verschließen.

Böse sind die Beamten sicherlich nicht, sondern eher hilflos in einer Zwickmühle.

Ob man dann noch verbal auf die Beamten einprügeln bzw. sie anzeigen sollte, erschiene zumindest fragwürdig. 

Im Vergleich mit den meisten Ländern der Welt haben wir hierzulande gute Polizeibehörden und gute Staatsanwaltschaften und gute Beamte.

Wer Letzteres nicht wahrhaben will erscheint mir weltfremd.

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Ich denke, es sollte nicht übersehen werden, dass nicht ein gesetzlicher Tatbestand, sondern ein Lebenssachverhalt Gegenstand einer Anzeige ist. Die Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz durch den Anzeigenden oder der zur Engegennahme zuständigen Stelle (u.a. Polizei) hat überhaupt keine Bedeutung. Sie entspricht dennoch der üblichen Form. Da könnte man grundsätzlich die Frage stellen: Wie sinnvoll ist das denn? 

Interessanterweise wird hier im Bezug auf Die Welt dort schon falsch zitiert. Der BDK spricht davon, die Staatsanwaltschaft prüfen zu lassen, ob strafrechtlich relevantes Verhalten seitens des Herrn Beck vorliegt. Bei der Welt wird sofort eine Anzeige daraus und das wird hier von den meisten auch so aufgenommen, dabei sind dies grundsätzlich zwei verschieden Sachen.

Auch wird hier gern die Zeitleiste außer acht gelassen. So schreibt Pascal, das die Strafverfolgungsbehörden erst nach öffentlichem Druck weitere Ermittlungen angestrengt haben. Als dieser öffentliche Druck kam, war die Obduktion aber schon gelaufen und die Ermittlungen schon in vollem Gange. Die Anzeige des Herrn Beck kann somit kaum als Initialzündung dafür angesehen werden.

Mag sein, das der erste Angriff der Kriminalpolizei nicht gut war. Die Tatsache, das sich das Personal von Kriminalwachen nicht aus Todesermittlern speist sondern das es in der Regel "Allrounder" sind, die das ganze kriminalpolizeiliche Spektrum abdecken müssen, läßt dies sogar wahrscheinlich erscheinen.

Ich halte sowohl die Anzeige aus politischem Kalkül, als auch die dünnhäutige Reaktion des BDK für falsch.  

 

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Saint.John schrieb:

Interessanterweise wird hier im Bezug auf Die Welt dort schon falsch zitiert. Der BDK spricht davon, die Staatsanwaltschaft prüfen zu lassen, ob strafrechtlich relevantes Verhalten seitens des Herrn Beck vorliegt. Bei der Welt wird sofort eine Anzeige daraus und das wird hier von den meisten auch so aufgenommen, dabei sind dies grundsätzlich zwei verschieden Sachen.

Eine Anzeige ist die Meldung einer für strafbar erachteten Handlung an die Strafverfolgungsbehörden. Genau das hat der BDK getan.

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Es mag Haarspalterei sein MT, aber der BDK hat nicht mit dem Finger auf jemand anderes gezeigt und gesagt "ich will den Anzeigen", wie Beck es getan hat. Er hat lediglich der Staatsanwaltschaft einen Sachverhalt zur Prüfung übermittelt, mit der Überzeugung, das diese beim Erkennen einer strafbaren Handlung von sich aus tätig wird.

Das halte ich nach wie vor für falsch, genau so wie die Anzeige von Beck.

Wie wir aus dem FAZ-Artikel oben entnehmen können zahlen jetzt andere für die Profilierungssucht eines Politikers.

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Jemand wird tot aufgefunden, es soll eine Blutlache gegeben haben, und da wird kein Fremdverschulden in  Betracht gezogen? Ich halte Becks Äußerung für ziemlich zurückhaltend. Ob die Anzeige nun von strafrechtlicher Relevanz ist, halte ich für nebensächlich; ich finde es lachhaft, sich daran hochzuziehen.

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So Reflexe scheint es ja öfters zu geben:

http://www.taz.de/Vorwurf-der-Polizeigewalt-in-Weimar/!157589/

Besonders fleissig bei der Sache scheint ja der StA zu sein:

Zwar bemühte sich Staatsanwalt Rainer Kästner-Hengst immer wieder, Emöke K. und ihre Begleiter nicht nur physisch, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung wieder auf die Anklagebank zu bringen. Seine Forderung, die Angeklagten auch dann zu verurteilen, wenn 90 Prozent ihrer Beschuldigungen der Wahrheit entsprächen, dürfte aber eher den entgegengesetzten Effekt gehabt haben.

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