Kein Künstlername für Prostituierte

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 26.01.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht11|4027 Aufrufe


Prostituierte, die ihrer Tätigkeit unter einem Pseudonym nachgehen, können diesen Namen nicht als Künstlernamen im Personalausweis eintragen lassen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Die Klägerin ist Prostituierte, die einen Escortservice betreibt. Zugleich engagiert sie sich öffentlich für die Rechte von Prostituierten. In der Öffentlichkeit tritt sie jeweils unter einem Pseudonym auf. Ihren an das Bezirksamt Pankow von Berlin gerichteten Antrag auf Eintragung dieses Namens als Künstlernamen in ihren Personalausweis lehnte die Behörde ab, weil die Klägerin keine künstlerische Tätigkeit ausübe und unter diesem Namen auch nicht öffentlich bekannt sei. Hiergegen wandte sich die Klägerin u.a. mit dem Argument, als Kultur- und Erotikbegleiterin arbeite sie mit ihrem Körper ebenso wie etwa eine Tänzerin. Sie schlüpfe in verschiedene Rollen wie eine Schauspielerin und beeinflusse dadurch die Wahrnehmung des Betrachters; so löse sie Affekte in ihm aus, wie dies auch andere Künstler täten. Als Advokatin für die politischen und sozialen Rechte von „Sexarbeitern“ sei sie auch bekannt.

Die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin wies die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Eintragung. Als Künstlername werde der Namen bezeichnet, unter dem ein Betroffener als Künstler auftrete. Daran fehle es hier. Beim künstlerischen Schaffen wirkten Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; dabei gehe es primär nicht um Mitteilung, sondern um den Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Auch wenn die Klägerin einer selbstbestimmten Tätigkeit nachgehe, handele es sich hierbei nicht um freie schöpferische Gestaltung, in der sie ihre Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse zum Ausdruck bringe; im Mittelpunkt ihrer Dienstleistung stehe die Erfüllung der sexuellen Bedürfnisse ihrer Kunden. Ungeachtet dessen habe die Klägerin auch keinen allgemeinen Bekanntheitsgrad erreicht, der für die Eintragung eines Künstlernamens zwingend erforderlich sei. Tatsächlich wolle die Klägerin einen Berufsnamen bzw. ein Pseudonym führen, dessen Eintragung nach dem Gesetz nicht vorgesehen sei.

Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragt werden.

Urteil der 23. Kammer vom 20. Januar 2015 (VG 23 K 180.14),PM

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11 Kommentare

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Hmmm ... "Zecke" Neuendorf wurde nicht als Künstler bekannt, im Mittelpunkt seiner Dienstleistung als Fußballer stand die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten und nicht freie schöpferische Gestaltung und dennoch hat es dem Berliner (!) Einwohnermeldeamt gereicht, dass er zwei selbst bzw. mit Hilfe seiner Frau "gemalte" Werke (Öl auf Leinwand) verkauft hat, um ihm den "Künstler"namen einzutragen.

Wenn man ein Beispiel für zweierlei Maß sucht - in Berlin findet man es.

Wenn Richter sich mit ihrem juristischen Handwerkszeug daran versuchen, die Kunst oder den Begriff des Künstlers zu definieren, wird es immer peinlich. Umso erstaunlicher, dass es scheinbar in jeder Generation wieder neue Richter geben muss, die daran scheitern. "Intuition, Phantasie und Kunstverstand", soso...

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Lutz schrieb:

Wenn Richter sich mit ihrem juristischen Handwerkszeug daran versuchen, die Kunst oder den Begriff des Künstlers zu definieren, wird es immer peinlich. Umso erstaunlicher, dass es scheinbar in jeder Generation wieder neue Richter geben muss, die daran scheitern. "Intuition, Phantasie und Kunstverstand", soso...

Es ist keine große Kunst, solche Definitionsversuche als peinlich zu verwerfen.

Als Kommentator muss man sich nicht damit befassen, das Gericht hingegen muss schon sagen, was ein Künstlername ist und was nicht. Kunst als undefinierbar zu erklären und daraus die eine oder die andere Extremposition zu vertreten - entweder alles ist Künstlername oder eben nichts - kann vom Gesetz jedenfalls nicht gemeint sein.

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MT schrieb:

Es ist keine große Kunst, solche Definitionsversuche als peinlich zu verwerfen.

Als Kommentator muss man sich nicht damit befassen, das Gericht hingegen muss schon sagen, was ein Künstlername ist und was nicht. Kunst als undefinierbar zu erklären und daraus die eine oder die andere Extremposition zu vertreten - entweder alles ist Künstlername oder eben nichts - kann vom Gesetz jedenfalls nicht gemeint sein.

Stimm, das ist keine dankbare Aufgabe. Wobei die Definitions von "Kunst" mithilfe des "Kunstverstands" schon laut nach Zirkelschluss schreit. Und bei einer thelogischen Auslegung wird das zweifelhafte Verhältnis der Norm zum Gleichheitsgrundsatz zwangsläufig deutlich - macht irgendwie auch keinen Spaß.

Inhaltlich halte ich die beiden Extrempositionen übrigens für richtig - wäre nur leider contra legem.

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Spannend: "Prostitution als Kunst". Ganz fernliegend ist die Idee nicht. Die Argumentation des Gerichtes zielt m. E. darauf ab, das Pragmatische, Zweckorientierte, Kommerzielle vom Kunstbegriff auszunehmen, wenn es formuliert, dass Kunst "Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse zum Ausdruck bringe". Ist das bei einem Studiomusiker, einem Hollywood-Schauspieler oder einem Berufs-Portrait-Maler wirklich der Fall? Mehr als bei einem Psychotherapeuten, Radiomoderator oder Rechtsanwalt?

Ist es primär eine Mitteilung der Persönlichkeit, wenn eine Musikgruppe (oder ihr Produzent) auf Grundlage von Meinungstrends, Verkaufszahlen usw. den nächsten Hit plant, um sich von den Gewinnen ein neues Auto leisten zu können?

Die zur Abgrenzung angeführten  Begrifflichkeiten sind letztlich m. E. Augenwischerei, eine reine Verklärung der Subjektivität dieser Bewertung. Kunst ist, was gefällt - und was nicht gefällt, ist halt keine Kunst. Das wird dann mit vielen Worten begründet, die aber lediglich Rechtfertigung, nicht Herleitung des Ergebnisses sind.

 

Sinnvolle Lösung der Problematik wäre m. E., diese seltsame Kategorie "Künstler- oder Ordensname" einfach vom Personalausweis zu streichen. Wozu legitimiert der Staat überhaupt solche Fantasienamen? In Zeiten des Internets scheint sich das etwas zu überleben bzw. ins Lächerliche abzudriften. Wenn jemand auf youtube einen Comedy-Kanal betreibt, in dem er bspw., Beethoven beste Stücke zu furzen versucht (was albern ist, aber als Parodie den Begriff der Kunst des VG Berlin wohl erfüllen dürfte), damit 100.000 Abonennten erreicht und unter ihnen als "BigFart1987" bekannt wird - soll er sich das dann in seinen Perso eintragen lassen dürfen?

Bei Religionsgemeinschaften gilt m. E. ähnliches. Wer sich Privat "Bruder Bodo" nennen lassen möchte, kann das ja gern tun, aber so wie andere Spitznamen sollte das nicht deshalb in ein amtliches Dokument übernommen werden, nur weil diese Bezeichnung religiöse Gründe hat. Wiederum mag das früher einmal zeitgemäß gewesen sein, aber heute...?

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@ Leser

Für Identifikationszwecke interessant wird der Künstler- bzw. Ordensname dann, wenn er den bürgerlichen Namen vollständig überlagert. "Bruder Bodo" wird keiner kennen, bei "Benedikt XVI." kennt man dagegen den bürgerlichen Namen eher nicht. Ähnlich wie bei Herrn Ratzinger dürfte es bei "Heino" aussehen, im Gegensatz zu "BigFart1987" (gibts den eigentlich wirklich?).

Eine gewisse legitime Funktion hat der Künstler bzw. Ordensname im Personalausweis m.E. also schon. Ihr Argument, dass das nicht bei jedem beliebigen Künstler der Fall ist, ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen. Da überwiegt meiner Meinung nach aber das Identifikationsinteresse gegenüber den Problemen, die die Definition des Künstlerbegriffes mit sich bringt. Denn letztendlich handelt es sich nur um einen Zusatz im Personalausweis, der der Identifikation jedenfalls nicht abträglich ist.

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"Für Identifikationszwecke interessant wird der Künstler- bzw. Ordensname dann, wenn er den bürgerlichen Namen vollständig überlagert."

 

Jedenfalls in der Öffentlichkeit wird das bei nahezu allen "Internetpersönlichkeiten" der Fall sein - was auch, um beim Bezug zum Ausgangsfall zu bleiben, für bekannte Prostituierte gelten dürfte.

Und um die Überlagung im öffentlichen Bereich dürfte es ja gehen - im privaten Bereich wird "Papst Benedikt" weiter Joseph, Sepp oder wie auch immer geblieben sein.

 

Öffentlichkeit und öffentliche Kunst sind heute nichts besonderes mehr. In wenigen Jahren, vielleicht schon heute ist es so normal, auf youtube ein paar Lieder gesungen, irgendwo ein Gedicht veröffentlicht oder eine erotische "FanFic" geschrieben zu haben. Das alles ist Kunst im klassischen Sinne.

Aber während man früher mit Kunst (kommerziell) erfolgreich sein musste, um damit überhaupt in der Öffentlichkeit bekannt zu werden, ist das heute für quasi jeden möglich, und die Zahl bekannter Personen wird absolut stark zunehmen. Der Anteil an Leuten, die sich einen Künstlernamen eintragen lassen könnten, wächst dann dementsprechend stark an.

 

Wenn all diese Leute einen "Künstlernamen" eintragen lassen dürfen - herrje, warum dann nicht auch die Prostituierte? Muss sie erst einmal in einem Film mitspielen oder auf vimeo ein Gedicht aufsagen, bevor sie sich "Ms. Penelope" (oder wie auch immer) nennen darf? Wenn man an diesem kuriosen Relikt festhält, dann mit gleicher Großzügigkeit für alle. Es heißt "Künstlername", nicht "Künstlername, wenn seine Produkte im Regal des Amtskittels hinter der Richterbank stehen".

 

BigFart1987 gibt es übrigens nicht wirklich. Hoffe ich zumindest.

Aber wenn man so darüber nachdenkt... Ob man mit einer kleinen Hymne auf dem Video seiner Wahl den Künstlernamen "ACAPella" in den Perso bekommt?

Oh, die Möglichkeiten, die Möglichkeiten...

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Wenn wir bei den Möglichkeiten sind, ich möchte das Gesicht des Beamten sehen, der im Personalausweis den Künstlernamen "Haftbefehl" (Rapper) findet.

Bei Kommerzialisierung und Erfolg muss ich Ihnen teilweise widersprechen. Zwar ist es schon so, dass im Internetzeitalter jeder theoretisch eine große Zuschaueranzahl gewinnen kann. Es hat sich aber gezeigt, dass auch bei den Internetpersönlichkeiten diejenigen, die auf Dauer viel "Reichweite" haben in der Regel auch Ihren Unterhalt damit verdienen. Dazu wird etwa bei den Videos Werbung geschaltet.

Ich würde den Bereich also auf Persönlichkeiten eingrenzen, die nicht nur einmal ein Katzenvideo mit 4 Millionen views hochgeladen haben, sondern auf Dauer eine gewisse Zuschauerbasis aufweisen. Aber es ist aus der Norm an sich heraus sicher auch ein weites Verständnis vertretbar, mit den von Ihnen beschriebenen Folgen.

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Den Vergleich mit den Profi-Fussballern finde ich gut.

Manche Fussballer sind echte Ballkünstler, allerdings längst nicht alle.

Zum Beispiel mögen Rosemarie Nitribitt, Domenica Niehoff, Dita von Teese, Theresa Orlowski, Dolly Buster, Gina Wyld, Künstlerinnen (gewesen) sein, aber das bedeutet doch wohl noch lange nicht, daß auch alle ihre Kolleginnen Künstlerinnen sind (und dann womöglich auch Anspruch auf Mitgliedschaft in der Künster-Sozialversicherung hätten).

Allerdings ließe sich andererseits durchaus auch die Meinung von Joseph Beys vertreten, daß wir alle Künstler sind.

Ein weites Feld, über das man lange diskutieren kann.

Für den Richter, der die Sache entscheiden soll, unangenehm, weil, egal wie er entscheidet, er immer mit guten Gegenargumenten konfrontiert werden wird.

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