Staatsanwaltschaft zieht Strafbefehl gegen Notarzt nach Online-Protesten zurück

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 09.02.2015

Was zunächst wie eine Justizposse aussah, ist heute zu einem echten Novum geworden. In den BR-Nachrichten wurde gleich nach der Ukraine-Krise gemeldet: Ein bayerischer Notarzt, dem nach einem lebensrettenden Einsatz zunächst wegen Straßenverkehrsgefährdung ein Strafbefehl über 4500 Euro zugegangen war, wurde nun entlastet. Der Strafbefehl wurde zurückgezogen, das Verfahren offenbar nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In der Zwischenzeit hatte eine Online-Petition in Rekordzeit 200.000 Unterschriften gegen den Strafbefehl erbracht, die dem Bayerischen Landtag vorgelegt werden sollten (Bericht: Mittelbayerische Zeitung; Bericht: Süddeutsche Zeitung)

Die Meldungen: Die Anzeigeerstatter hatten nach ihrer Darstellung wegen des auf ihrer Spur (mit Blaulicht) entgegenkommenden Fahrzeugs abbremsen und auf die Bankette ausweichen müssen. Wie knapp ein Unfallgeschehen vermieden wurde, ist nicht bekannt. Der Arzt hatte bei seiner Rettungsfahrt zu einem Mädchen, das Schnellkleber verschluckt hatte, nach seiner Darstellung keine besonderen Vorkommnisse  bemerkt.

Nach den Pressemeldungen und den Bevölkerungsprotesten hatte sich der Münchener Generalstaatsanwalt die Akten schicken lassen und dies hat relativ schnell dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft die Reißleine zog: In der Tat kann man sich in der bayerischen Justiz nach den Skandalen der vergangenen Jahre wohl kaum weitere öffentlichkeitswirksame Fehlgriffe leisten, will man nicht noch mehr Vertrauen in der Öffentlichkeit verlieren. Offizielle Begründung: Erst jetzt sei die Darstellung des Notarztes eingetroffen und diese habe dazu geführt, dass man eine Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht mehr bejahen könne (Blogbeitrag dazu). Es ist natürlich  höchst angezeigt, den Eindruck zu vermeiden, die Justiz lasse sich durch Unterschriften beeinflussen, denn das kann in anderen Fällen schnell zum Bumerang werden (kritischer Blogbeitrag dazu).

Hinter diesem Konflikt verbirgt sich doch ein ernsterer Zusammenhang: Bei der Wahrnehmung von Sonderrechten im Straßenverkehr kommt es immer wieder zu Unfällen und gefährlichen Situationen. Die Einschätzung, wer sich richtig verhalten hat, ist dann regelmäßig schwierig. Die Fahrer der Rettungsfahrzeuge können schnell in ein Haftungs-Dilemma geraten, ebenso natürlich andere Verkehrsteilnehmer, wenn nicht - was weitaus schlimmer ist - auch noch körperliche Schäden zu beklagen sind. Die tatsächliche und rechtliche Problematik kann intrikat sein. Rettungssanitäter und Notärzte beklagen sich zudem, andere Verkehrstelnehmer beachteten die Notsignale nicht und gäben den Verkehr nicht schnell genug frei, andere beklagen, die Rettungsfahrzeuge seien teilweise rücksichtslos unterwegs. Zum Thema Rettungsfahrzeugeinsatz wird derzeit an unserer Fakultät eine Dissertation angefertigt.

Nach meiner Einschätzung vor einigen Tagen hatte ich in diesem konkreten Geschehen einen typischen Anwendungsfall des § 153 StPO vermutet: Auch wenn eine Straßenverkehrsgefährdung tatbestandlich vorgelegen hätte, wäre die Schuld des Arztes doch wohl kaum von krimineller Bedeutung, ein Strafbefehl schien überzogen.

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18 Kommentare

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Merkwürdigkeiten verbleiben   1. warum hatte die StA den Strafbefehl erst gut ein dreiviertel Jahr nach dem Vorfall erlassen und dann nicht gleich Anklage erhoben?
  2. und erst jetzt nach dem "Druck" von über 200 000 Petitionsstimmen plötzlich die Sache zurückgezogen. M.E. sollte der ganze Vorgang einer speziellen Untersuchungskommission zugeführt werden.  Evtl. sogar in einem Verfahren wegen des Verdachts des § 339 StGB geprüft werden.
  3. Wenn ein hinreichender Anfangsverdacht bestanden hat oder als solcher gesehen wurde, und dann "nur" auf "Druck" der Öffentlichkeit, wenn vielleicht auch unter Intervenion der Generalstaatsanwaltschaft, dann plötzlich Kommando zurück- gerudert wird. Das steht einem Rechtsstaat nicht gut an. Hätte man doch nach Einspruch das Verfahren ordnugsgemäß eröffnet - zuvor hatte ja auch schon ein Richter dem Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben und dann eingestellt.
  Offensichtlich wurde hier nach § 411 III S. 1 StPO verfahren : "Die Klage und der Einspruch können bis zur Verkündung des Urteils im ersten Rechtszug zurückgenommen werden." Na ja.
  Die Rücknahme des Strafbefehls ist allerdings als absolute Ausnahme zu sehen. Das mag daran liegen, daß das Einräumen eigener Fehler nur selten zu den großen Tugenden der Menschen zählt und daß Staatsanwälte in diesem Punkt nicht anders sind. Außerdem sind die Dinge selten so eindeutig, daß sich eine Rücknahme des Strafbefehls anbietet. Für den Beschuldigten allerdings ist dieses Verfahrensende ein sehr gutes Ergebnis – die Sache ist erledigt, und zwar ohne mühsame Hauptverhandlung. Für uns allerdings weniger befriedigend, da wir nun die "wahren" Hintergründe wohl nicht erfahren werden. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft sei diese NICHT ausschalggebend gewesen; sondern allein die neuerliche und erstmalige Einlassung des RA des Arztes habe die ganze SAche in einem anderen Licht erscheinen lassen. Da lachen ja die Hühner. Oder?
  Daß da jemand dem Herrn Dr. "eins auswischen wollte"  und wer weiß wie lange auf den StA Einfluss ausgeübt worden sein könnte bis er den Strafbefehl gemacht hat ist ja eine reine Verschwörungstheorie ohnehin nicht vortsellbar.
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Jochen Bauer schrieb:

Merkwürdigkeiten verbleiben   1. warum hatte die StA den Strafbefehl erst gut ein dreiviertel Jahr nach dem Vorfall erlassen und dann nicht gleich Anklage erhoben?

Ist ein dreiviertel Jahr denn eine ungewöhnlich lange Zeit, um einen Strafbefehl zu erlassen? Man könnte dazu spekulieren, dass die Staatsanwaltschaft dem Arzt zunächst genügend Zeit für eine Stellungnahme geben wollte.

Wo sehen Sie den Bedarf, aufgrund Zeitablaufs gleich anzuklagen, wenn man die Sache mit Strafbefehl erledigen kann?

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Hmm..wo sieht die StPO denn die Möglichkeit vor, dass die StA "einseitig" einen bereits vom Gericht (!) erlassenen Strafbefehl zurücknehmen kann?

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Hält ein Verkehrsteilnehmer die durch Beschilderung, Lichtzeichenanlagen, Fahrbahnmarkierungen etc. vorgegeben Gebote nicht ein, dann neigen Straßenverkehrsbehörden und Staatsanwaltschaften nicht immer dazu, sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, und von Rechtfertigungsgründen oder Entschuldigungsgründen will man dort meistens auch nichts wissen.

Manchmal hat man den Eindruck, daß, insbesondere wenn es um den Straßenverkehr geht, viele Beamte sich schwertuen, entspannt und nüchtern und unvoreingenommen und neutral und verständnisvoll und fair abwägend an die Sachen heranzugehen. Und manchmal trifft solch ein Verfolgungsdrang dann in der mündlichen Verhalndlung auch noch auf ein Gericht, bei dem man den Eindruck gewinnen kann, daß es strafen oder allenfalls gegen Auflage einstellen will, aber wenig geneigt ist, ernsthaft einen Freispruch zu erwägen.

Dagegen geht es bei Verfolgung von bzw. Verhandlungen über schwere Verbrechen nicht selten vergleichsweise beschuldigtenfreundlich zu (vielleicht weil man dort damit rechnet das die Sache sonst bis zum BGH hochgeht?).

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@Jochen Bauer

Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft sei diese NICHT ausschalggebend gewesen; sondern allein die neuerliche und erstmalige Einlassung des RA des Arztes habe die ganze SAche in einem anderen Licht erscheinen lassen. Da lachen ja die Hühner. Oder?

Nein, ich finde die Darstellung der GStA schlüssig. Im Wortlaut (Hervorhebung durch mich):

Maßgeblich hierfür war die Schilderung der Einsatzfahrt durch den Notarzt, die _erst nach Erlass des Strafbefehls bei Gericht eingegangen_ ist.

http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/presseerklaerung-generalstaatsan...

Da bislang weder die Sachverhaltsdarstellung der StA im Strafbefehlsantrag noch die Einlassung des Angeklagte im Wortlaut bekannt sind, kann man natürlich nicht beurteilen, ob diese Darstellung auch überzeugend ist - oder eine Schutzbehauptung der GStA.

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Im ersten Bericht der Süddeutschen hieß es:

Hatz glaubt nicht, dass seine Stellungnahme überhaupt zur Kenntnis genommen wurde. Nur einen Werktag nach seiner Einlassung sei der Strafbefehl rausgegangen. Wie man seine Argumente denn in dieser kurzen Zeit bewerten wolle, während sich die Ermittlungen gegen ihn über Monate hingezogen hätten. Der Ingolstädter Oberstaatsanwalt Helmut Walter sagt, ein Tag sei für seine Behörde durchaus ausreichend, um Stellung zu beziehen. Zum Inhalt des Strafbefehls will sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern, nur so viel: Es gehe um "eine potenzielle Überschreitung von Sonderrechten".

http://www.sueddeutsche.de/bayern/neuburg-an-der-donau-notarzt-kassiert-...

Dem lässt sich (jedenfalls auf den ersten Blick) entnehmen, dass der Notarzt offenbar durchaus zuvor Stellung genommen hatte und die Staatsanwaltschaft diese Beschuldigteneinlassung auch vor dem Strafbefehl bereits kannte. Allerdings könnte es noch weitere Stellungnahmen/Schriftsätze gegeben haben, die die Rücknahme des Strafbefehls veranlasst haben. Jedenfalls hat wohl das öffentliche Interesse an diesem Fall bewirkt, dass man sich seitens der StA vor der Hauptverhandlung vor dem AG überhaupt noch einmal intensiv mit der Sache befasst hat.

Henning Ernst Müller schrieb:

Im ersten Bericht der Süddeutschen hieß es:

Hatz glaubt nicht, dass seine Stellungnahme überhaupt zur Kenntnis genommen wurde. Nur einen Werktag nach seiner Einlassung sei der Strafbefehl rausgegangen. Wie man seine Argumente denn in dieser kurzen Zeit bewerten wolle, während sich die Ermittlungen gegen ihn über Monate hingezogen hätten. Der Ingolstädter Oberstaatsanwalt Helmut Walter sagt, ein Tag sei für seine Behörde durchaus ausreichend, um Stellung zu beziehen. Zum Inhalt des Strafbefehls will sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern, nur so viel: Es gehe um "eine potenzielle Überschreitung von Sonderrechten".

http://www.sueddeutsche.de/bayern/neuburg-an-der-donau-notarzt-kassiert-...

Dem lässt sich (jedenfalls auf den ersten Blick) entnehmen, dass der Notarzt offenbar durchaus zuvor Stellung genommen hatte und die Staatsanwaltschaft diese Beschuldigteneinlassung auch vor dem Strafbefehl bereits kannte.

Auf den ersten Blick schon, allerdings hängt viel von den individuellen Umständen ab. Wenn etwa die Einlassung des Notarztes einen Werktag vor dem Strafbefehl per einfachem Brief verschickt wurde, kann es durchaus sein, dass der Postlauf innerhalb der Staatsanwaltschaft den zuständigen Sachbearbeiter noch nicht erreicht hatte. Das dürfte sich - wenn überhaupt -  wohl nur anhand der Akten der Staatsanwaltschaft rekonstruieren lassen.

Quote:
[...] Jedenfalls hat wohl das öffentliche Interesse an diesem Fall bewirkt, dass man sich seitens der StA vor der Hauptverhandlung vor dem AG überhaupt noch einmal intensiv mit der Sache befasst hat.

Dem stimme ich zu.

 

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Und das ist mehr als bedenklich; brauchen wir jetzt regelmäßig den "öff. Druck" wenn fragwürdige Entscheidungen getroffen wurden, oder noch besser, lassen wir doch in Zukunft das Volk - über ein Quorum - abstimmen, ob in gewissen Fällen das *öffentliche Interesse* an einer Strafverfolgung bei Antragsdelikten zu bejahen ist. Ich wäre sofort dafür, den dieser unbestimmte Rechtbegriff hat leider schon für "sehr viel unsachgemäßes" herhalten müßen.

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Es besteht mittlerweile ein generelles öffentliches Interesse am Handeln von Justiz und insbesondere Staatsanwaltschaften. 

 

Dieser Schutz ist für Betroffene und "Angeklagte" auch notwendig. 

 

Auch gelang es erst durch Öffentlichkeit, zahlreiche Justizskandale und Fehlurteile wie bspw. bei Gustl Mollath, überhaupt einer rechtsstaatlichen Bearbeitung zuzuführen, immerhin. 

 

Es geht oftmals um sehr viel mehr als um einen (empörenden) Strafbefehl! 

 

Mit einer "öffentlichen Meinung", wie sie bspw. "Pegida" vertritt, hat das "öffentliche Interesse" an den Fehlleistungen der Justiz NICHTS zu tun. 

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Da kann man nur sagen: willkommen im 21. Jahrhundert und im "Neuland", liebe Justiz.

Früher konnte man halt noch über die alten Netzwerke (Burschenschaften, Rotary- und Lions-Club usw.) Kontakt zu Journalisten halten und so die veröffentlichte Meinung beeinflussen oder gar nicht erst entstehen lassen.

Das geht in den Zeiten des Internet nicht mehr - das hat zwar auch Nachteile (s. Erwin Pelzig), aber die veränderte Machtbalance durch Verlust des Veröffentlichungsmonopols und neue Reichweiten und Geschwindigkeiten elektronischer Medien ist ein immenser Schritt für eine demokratischere Gesellschaft.

http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/...

 

Ob die Rücknahme das Ergebnis der Selbstverständnisdebatte war?

 

Vielleicht war ja die Einlassung, dass ein Tag durchaus ausreicht, um eine Stellungnahme zu prüfen nur eine generelle Aussage. Die Stellungnahme war auf dem Postweg und wurde erst später zu den Akten gelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft prüft, entdeckt die Stellungnahme und korrigiert. Alles kann seine Richtigkeit haben ...

oder - eine kleine Phantasiegeschichte:

Da war ein Notarzt mit eingebauter Vorfahrt unterwegs, ihm fehlte die Geduld, dass die Autos sofort den Weg freimachen, jemand fühlt sich so genötigt, dass sogar eine Anzeige erstattet wird und auch der Name des Zeugen notiert wird. Dann gibt es einen Aufschrei in der Presse, es kommt die Aufsichtsbehörde, direkt im Anschluss an die Selbstverständnisdebatte und greift ein ...

 

Ohne konkrete Kenntnis des Sachverhalts ist beides möglich ... aber ohne klare Fakten bleibt irgendwie ein Gschmäckle ...

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Notarzt, Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei haben tatsächlich eine eingebaute Vorfahrt - das nennt sich Sonderrechte. Für ander Verkehrsteilnehmer ist das erkennbar an Blaulicht und Martinshorn. Und es geht dann tatsächlich um Menschenleben...da haben andere Verkehrsteilnehmer sofort Rücksicht zu nehmen.

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Auch wenn manche Mitarbeiter vom Malteser-Hilfsdienst, Arbeiter-Samariter-Bund, DLRG, Deutschen-Roten-Kreuz, Technischem-Hilfswerk, oder einer freiwilligen Feuerwehr es vielleicht gerne anders hätten, so geben Sonderrechte geben doch keine Legitimation, an engen unübersichtlichen Stellen trotz Gegenverkehrs zu überholen, und den Gegenverkehr in den Straßengraben zu zwingen und in Lebensgefahr zu bringen.

In meinem Bundeswehrbatallion machten sich unserer Sanitäter oft einen Heidenspaß daraus, mit eingeschalteter Sirene und Rundumlicht wie die Irren durch die Stadt zu fahren (alle anderen Fahrzeuge beiseite drängend), nur um ihrem Vorgesetzten, der die Sache deckte, von irgendeinem Restaurant warmes Essen zu holen. 

In dem hier im Forum diskutierten aktuellen bayrischen Fall scheint zwar wohl ein echter Notfall vorgelegen zu haben und wohl kein Verkehrsteilnehmer in Lebensgefahr gebracht worden zu sein, aber in solchen Fällen muß es schon strafrechtliche Ermittlungen geben, weil sonst dem Mißbrauch von Sonderrechten Tür und Tor geöffnet würde.

Vielleicht hatten die Ermittler hier nicht genügend Kapazität und Zeit, um gründlich zu arbeiten.

Daß sie die Sache aber überhaupt verfolgt haben, ist zunächst einmal als positiv anzusehen.

In anderen Ländern gibt es manchmal einen Klüngel aus Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten, und strafvereitelden Klüngel fände ich bedenklicher als einmal zuviel anzuklagen (in der mündlichen Verhandlung wäre der bayrische Notarzt sicherlich freigesprochen worden).

Unschön ist aber, daß Staatsanwälte (wegen Personalnot und zwecks Arbeitserleichterung?) in unklaren Fällen oft Strafbefehle erlassen, obwohl gerade in zweifelhaften Fällen statt eines Strafbefehls eher eine normale öffentliche Anklage (mit folgender mündlicher Verhandlung) angemessener wäre.

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Der Ansatz des Abwägers-aus-NRW ist richtig. Auch eilige Rettungsfahrten müssen filzfrei justiziabel bleiben.

Im zugrunde liegenden Fall öffnet aber das Tatortfoto von http://blog.delegibus.com/2015/03/23/das-strafbefehlsverfahren-gerichte-... Augen. Der Zeuge und der Anzeigeerstatter haben auf der schnurgeraden Straße den entgegen kommenden Notarztwagen sehen müssen. Daher wären sie in der Pflicht gewesen, äußerst rechts zu fahren und ggf. im Bankett anzuhalten, um ihm das Überholen ihres Gegenverkehrs zu ermöglichen.

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RA Burhoff hat nun den Text des Strafbefehel und der Einstellungsverfügung gepostet.

http://blog.burhoff.de/2015/03/nochmals-der-rasende-bayerische-notarzt-d...

Der Strafbefehl lautete:

Sie fuhren am 23.04.2014 gegen 13.30 Uhr mit dem Pkw Notarztfahrzeug, Kennzeichen XXXX, auf der St 2043 im Bereich Neuburg a.d.Donau mit hoher Geschwindigkeit, wobei Sie sich in einem Notarzteinsatz befanden und das Blaulicht eingeschaltet hatten.

Auf Höhe Abschnitt 140 – Km 0,500 im Bereich der Abzweigung Am Kreuz kurz nach der Ort­schaft Zell überholten Sie ein rechtsabbiegendes Fahrzeug und scherten dabei – nur auf Ihr schnelleres Fortkommen bedacht – nahezu ungebremst auf die Gegenfahrbahn aus, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt Fahrzeuge im Gegenverkehr näherten. Dies hatte zur Folge, dass der mit dem Pkw VW, a. Kz. XXXXXX entgegenkommende Zeuge ZZZZZZ, sowie auch der hinter ihm mit dem Pkw Saab, a. Kz. ZZZZZZZ fahrende Zeuge ZZZZZZ scharf abbremsen und nach rechts ins Bankett ausweichen mussten, um einen Zusammenprall mit Ihrem Fahr­zeug zu verhindern. Nur durch die sofortigen Ausweichreaktionen der Geschädigten konnte ein Unfall verhindert werden.

Dies hätten Sie bei Beachtung der auch für einen Arzt im Noteinsatz geltenden Sorgfaltspflich­ten im Verkehr erkennen und verhindern können.”

Vergleicht man den Strafbefehl mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 315 c StGB, fällt auf, dass die Merkmale "grob verkehrswidrig und rücksichtslos" offenbar nicht subsumiert wurden. Ich stimme Oliver Garcia insofern zu, wenn er konstatiert, dass die Unterstellung dieser Merkmale im Textbausteinmodus  ("nur auf ihr schnelleres Fortkommen bedacht") durch Staatsanwaltschaft und Gericht bei einem Notfalleinsatz nicht in Betracht kommt und deshalb der Vorwurf für ein Strafbefehlsverfahren denkbar ungeeignet war. (Quelle: http://blog.delegibus.com/2015/03/23/das-strafbefehlsverfahren-gerichte-...).

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