KG: Entfall der Bindungswirkung bei Vorversterben des Schlußerben

von Dr. Claus-Henrik Horn, veröffentlicht am 28.02.2015

Es ist ein fast üblicher Fall aus der anwaltlichen Praxis. Das Ehepaar mit Kindern errichtet das typische Berliner Testament.  Zwischen beiden Erbfällen verstirbt nun ein Kind. Gleichzeitig errichtet der längerlebende Ehegatte ein der Schlußerbeinsetzung widersprechendes Testament.

Das Kammer hat über diese Konstellation überzeugend entschieden (Beschl. vom 19.12.2014, Az. 6 W 155/14; BeckRS 2015, 1232), wonach sich folgende Prüfungsreihenfolge ergibt:

1. Das Einzeltestament ist nach § 2272 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, soweit der längerlebende Ehegatte sich durch wechselbezügliche Verfügungen nach § 2271 Abs. 1 BGB gebunden hat.

2. Da gesetzliche Vermutungsregeln – hier § 2271 Abs. 2 BGB – nachrangig zu der individuellen Auslegung sind, ist die Schlußerbeinsetzung (nicht das ganze Testament) dahingehend auszulegen, ob diese wechselbezüglich angeordnet wurde. Zunächst ist die Klausel einfach und erst bei Ergebnislosigkeit ergänzend auszulegen.  Das Kammergericht begründet anhand der Lebenserfahrung überzeugend durch einfache Auslegung die Wechselbezüglichkeit.

3. Nun ist aber nur die Wechselbezüglichkeit für die als Schlußerben eingesetzten Kinder begründet worden. In diesem Fall ist ein Kind vorverstorben. Durch Auslegung ist nun zu ermitteln, wer Ersatzerbe ist. Mangels Anhaltspunkte für eine individuelle Auslegung hat das Kammergericht an dieser Stelle auf die gesetzliche Auslegungsregel des § 2069 BGB zurückgegriffen.

4. Nächste Frage: Ist dann das Enkelkind zum Schlußmiterben mit wechselbezüglicher Wirkung eingesetzt worden? Dies lehnt zutreffend das Kammergericht unter Verweis auf den BGH ab (NJW 2002, 1126).

5. Nur hinsichtlich des durch das Vorversterben frei gewordenen Erbteils konnte der Erblasser neu verfügen. Insoweit ist sein Einzeltestament wirksam. Da es nur zur Hälfte wirksam ist, ist durch Auslegung wiederum festzustellen, welches die Rechtsfolge ist.

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