Ordnungsgeld gegen den Umgangsberechtigten

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 13.03.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht10|9580 Aufrufe

Die Umgangszeiten des Vaters mit seinem Sohn waren vom Gericht umfassend geregelt worden.  Entsprechende Ordnungsmittel waren angedroht.

Der Vater hat seinen Sohn außerhalb der festgelegten Besuchszeiten in dem Schulhort aufgesucht. Ferner hat er wiederholt absichtlich ein Zusammentreffen mit dem Kind auf dessen Schulweg, auf dem Spielplatz beim Skaten oder im Hausflur vor der Wohnung der Mutter herbeigeführt.

Deswegen verhängte das FamGericht gegen ihn ein Ordnungsgeld. Seine Beschwerde blieb erfolglos.

Nach Auffassung des KG enthält eine gerichtliche Umgangsregelung, durch die der Umgang positiv geregelt wird,  stets auch das konkludente Gebot an den Umgangsberechtigten, sich außerhalb der festgelegten Umgangszeiten eines Kontaktes zum Kind zu enthalten; diese Verpflichtung ist mit Ordnungsmitteln durchsetzbar. Die Wohlverhaltensklausel des § 1684 II BGB richte sich an beide Elternteile

Vorbehaltlich einer anderweitigen, einvernehmlichen Absprache der Eltern solle das Kind davor bewahrt werden, sich - mehr oder weniger jederzeit - mit dem umgangsberechtigten Elternteil auseinandersetzen zu müssen oder mit ihm unerwartet konfrontiert zu werden. Davor ist das Kind, das in vielen Fällen unter dem Elternkonflikt in besonderer Weise leidet, zu schützen. Ihm soll durch die Vorgabe klarer (Besuchs- bzw. Umgangs-)Zeiten ermöglicht werden, sich innerlich auf den anderen Elternteil einzustellen.

KG v. 12.02.2015 - 13 WF 203/14

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10 Kommentare

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Man fragt sich ob Juristen selbst Väter sind.

 

So ein lebensfremdes Urteil schockiert einfach nur. Das KG München ignoriert die Verurteilung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Eigentlich beauftragt, den Kindern den Vater zu erhalten und die Kontakte zu fördern und zu erweitern, passiert das Gegenteil.
Da wird jemand verurteilt und bestraft, der sich verhält wie jeder normale Vater das auch tun würde!
Nichts ist dagegen einzuwenden, wenn ein Vater der eh schon viel zu wenig Kontakt zu seinem Kind hat diese Gelegenheiten nutzt.

Das Kind ist glücklich Papa wieder zusehen, da schleift die Mutter den Vater deswegen !!! vor Gericht und bekommt Recht. Unfassbar demütigent!!

Regelmäßiges Familienleben mit Vater und Mutter, unkomplizierter Umgang mit dem gemeinsamen Kind, gegenseitiger Respekt und Entspannung, sollte das erstrebenswerte Ziel eines jeden Beteiligten sein.
Der Mutter hätte man klar machen müssen, welchen Schaden sie beim Kind anrichtet, wenn sie solchen Gelegenheitskontakten abweisend gegenüber steht.
Ca. 75% aller 11 jährigen Kinder leben im Wechselmodell in Schweden, zu ca. 95% freiwillig von den Eltern entschieden. Bis 12 Jahre wird es in Belgien selbstverständlich im Regelfall von den Gerichten beschlossen. Beschämend das hier überhaupt noch ein solcher Antrag auf Kontakteinschränkung Erfolg haben konnte.

 

Aus der Begründung OLG Karlsruhe, 05.11.2013, 5 UF 27/13, Quelle: juris
Normen: § 1684 Abs 1 BGB, § 1696 BGB

"Die Psychologie weiß um die verheerenden Folgen für Kinder durch Kontaktverlust zu einem Elternteil. Im Wechselmodell bleibt der entwicklungsnotwendige enge Kontakt zu beiden Eltern in Alltag und Freizeit erhalten. Viele Studien zeigen, dass Wechselmodell-Kinder sich besser entwickeln als Kinder Alleinerziehender. Aber auch die Eltern profitieren vom Wechselmodell: Väter, weil sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und Mütter, weil sie nicht der Doppelbelastung durch Kinder/Haushalt und Erwerbstätigkeit ausgesetzt sind.

Im Einzelfall muss immer das konkrete Kindeswohl im Zentrum der Entscheidung stehen. Wenn aber finanzielle Interessen von Alleinerziehenden die beste Lösung für das Kind blockieren oder wenn ein Elternteil aus Rache am Ex-Partner das Kind auf seine Seite ziehen will, dann ist es Aufgabe aller staatlichen Behörden, dies durch schnelle und durchsetzbare Obhuts- und Kontaktregelungen zu verhindern.“

Nachdem ich die zitierte Entscheidung - übrigens des KG und nicht des OLG München - im Langtext gelesen habe, kann ich die Kritik von "Deutschlands Väter" nicht nachvollziehen. Keineswegs handelt es sich bei der getroffenen Entscheidung um einen Angriff gegen Väter, die einfach nur ihr Kind sehen wollen und denen die Mutter dies aus - vermeintlich - egoistischen Motiven verwehrt.

Erstens gibt es, was sich dem Langtext deutlich entnehmen lässt, eine  umfangreiche Vorgeschichte (wobei u. a. festgestellt wurde, dass hier keine tragfähige Basis für die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge mehr besteht und die Schule des Kindes dem Vater bereits einmal ein Hausverbot erteilt hatte).

Zweitens hat der Vater eingeräumt, dass sich die Kontakte nicht etwa zufällig - etwa aufgrund der räumlichen Nähe der Wohnungen beider Elternteile - ergeben, sondern dass er diese zusätzlichen Kontakte bewußt und geplant herbeiführt.

Drittens wurde im Rahmen einer Beweisaufnahme (Aussagen der Lehrer und weiterer Betreuungspersonen) positiv festgestellt, dass die vom Vater herbeigeführten Zusammentreffen das Kind verunsicherten und in einen Loyalitätskonflikt brachten.

Viertens waren auch die Umstände der Treffen so gestaltet, dass für das Kind erkennbar war, dass der Vater die Mutter für unfähig hält (Zustecken zusätzlicher Schulverpflegung).

Gleichwohl haben die Gerichte dieses absprachewidrige und unkooperative Verhalten des Vaters nicht etwa mit einem Umgangsausschluss sanktioniert, sondern versucht, erneut einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen der Eltern herbeizuführen. Das festgesetzte Ordnungsgeld bewegt sich im unteren Bereich und dürfte vor dem Hintergrund, dass der Vater als Hochschullehrer im Auslang tätig ist, eher als "Denkzettel" denn als deutliche Strafe zu werten sein. Zudem wurde beiden Eltern ins Stammbuch geschrieben, zusätzliche Absprachen zu Telefonkontakten und Kontakten via Skype zu treffen, damit der Kontakt auch während der Auslandsaufenthalte des Vaters nicht abreißt.

Was an dieser wohl abgewogenen Entscheidung "väterfeindlich" sein soll, erschließt sich mir nicht.

"Deutschlands Väter" hätten gut daran getan, die Entscheidung ebenfalls im Volltext zu lesen. Gerade die von den konkreten Umständen des Einzelfalles losgelöste, eher ideologisch geführte Diskussion führt zu unangemessenen Ratschlägen und einer zunehmenden Verhärtung der Fronten. 

Weder Mutter noch Vater haben das Recht, eine bestehende Umgangsregelung einseitig aufzukündigen oder durch geschicktes Taktieren (Absagen wegen Krankheit oder Vereinsterminen des Kindes seitens des Aufenthaltselternteils, scheinbar "zufällige" Zusammentreffen oder "heimliche Absprachen" seitens des Umgangsberechtigten) auszuhöhlen. Ein Elternteil, der sich so verhält, statt das Einvernehmen mit dem anderen Elternteil zu suchen, versündigt sich an dem Kind!

Das "Wechselmodell" ist ebenfalls kein Allheilmittel, auch wenn es zunehmend Stimmen gibt, die dies als mögliche Lösung bei hochstreitigen Elternbeziehungen diskutieren. Mir scheint, in diesen Diskussionen wird zu wenig darauf geachtet, wie das Kind seine Eltern und deren Umgang miteinander wahrnimmt. Wären alle Eltern bestrebt, die Folgen ihrer Trennung für das gemeinsame Kind möglichst gering zu halten und dem Kind einen gleichermaßen intensiven und guten Kontakt zu beiden Elternteilen zu erhalten, wären familiengerichtliche Sorge- und Umgangsverfahren überflüssig.

 

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Gastrichter schrieb:

Wären alle Eltern bestrebt, die Folgen ihrer Trennung für das gemeinsame Kind möglichst gering zu halten und dem Kind einen gleichermaßen intensiven und guten Kontakt zu beiden Elternteilen zu erhalten, wären familiengerichtliche Sorge- und Umgangsverfahren überflüssig.

 

 

Am Schluss bemerken Sie dann selbst ihren Widerspruch.
Das wäre in diesem Fall die Aufgabe des Gerichtes gewesen.

Würden die Gerichte von vornherein den umgangseinschränkenden Elternteil in die Schranken weisen und die Bedürfnisse der Kinder in den Vordergrund stellen, dann würden sie ein, aus ihrer Sicht dann strafbares Verhalten, gar nicht erst provozieren. Hätte der Vater einen seinen beruflichen Gegebenheiten angepassten gleichwertigen Umgang wie die Mutter vom Gericht vorher erhalten, hätte sich eine weitere Dynamisierung des Prozesses vermeiden lassen.
Statt dessen, stellt das Gericht u.a. auf Skype und Telefonkontakte ab. Als ob sich darüber menschliche Bindungen gesund, tragfähig und belastbar entwickeln könnten.
 

Die große Mehrheit aller Väter ist gewillt und in der Lage, aufmerksam, fürsorglich und liebevoll zugewandt für ihre Kinder da zu sein und erzieherische Verantwortung zu übernehmen. Ausgegrenzte Väter kämpfen deshalb ebenso rückhaltlos um ihre ihnen entzogenen oder vorenthaltenen Kinder wie ausgegrenzte Mütter. Sie leiden nicht minder unter dem Kindesverlust und sehen ihre Kinder ebenso als Lebenssinn gebend an, wie Mütter dies tun.

Anstatt das Recht aller Kinder auf beide Eltern zu schützen und Auflagen zu machen, einen gemeinsamen Kompromiss zum Besten des Kindes zu finden, folgen Familienrichter dem Antrag des Rechtsanwalts des kindesentziehenden Elternteils auf Erteilung des vorläufigen alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts bzw. auf Einschränkungen des Umgangs. Dadurch wird das Faustrecht der Kindesentziehung sanktioniert.

Es ist Zeit, dass auch diejenigen für die Gesetzgebung Verantwortlichen, die sich zum Frauen- und Mütterschutz berufen fühlen, endlich begreifen und respektieren, dass Frauen keine Göttinnen mehr sind, die sich ihr Kind zu zaubern schienen. Kinderschutz muss über jede Ideologie erhaben sein und das Recht des Kindes auf Mutter und Vater ist zu garantieren.

@Gastrichter: Zu der Vorgeschichte erlaube ich mir keine Meinung. Aber einige Wertungen aus Ihrem Beitrag halte ich für verfehlt.

Zu Ihrem Punkt 2: Was spielt das für eine Rolle? Meiner Ansicht nach ist das Idealbild in der Trennung ein beiderseitiger Umgang, der, abgesehen von organisatorischen Reibungsverlusten, dem Verhältnis der Elternteile zu ihrem Kind im familiären Zusammenleben möglichst nahe kommt. Es ist im Grundsatz daher nicht nachvollziehbar, dass festgelegte Umgangszeiten von weniger als 50% ein Höchstmaß darstellen sollen, das allenfalls versehentlich überschritten werden darf. Mit welchem Recht wollen Gerichte festlegen, dass nach einer Trennung der Umgang mit dem Kind ab diesem oder jenem Maß eine Zumutung für das Kind darstelle? Ein massiver Eingriff in Art. 6 I GG. Der maßgebliche Regelungsgegenstand der Umgangszeiten sollte sein, dass sie die Richtung des zwischen den Eltern bestehenden Kooperationsanspruches für die jeweiligen Zeiträume festlegen. Der Faktor ist nicht von Bedeutung, wenn ein Elternteil nicht-kooperativ außerhalb der Umgangszeiten mit dem Kind Umgang pflegen kann, ohne den anderen Elternteil damit für diese Zeit oder indirekt für eine andere Umgangszeit dieses Elternteils vom Umgang auszuschließen. Mit welchem Argument möchte man den Kooperationsanspruch über die Ermöglichung des Umgangs durch den anderen Elternteil hinaus auf eine abstrakte Exklusivität hinaus erstrecken?
Die Aufnahme des Kindes in den "Schutzbereich" der Umgangsregelung zwischen den Eltern halte ich für höchst problematisch, weil diese Regelung sich primär als Lösungsversuch des elterlichen Konfliktverhältnisses darstellt und gerade nicht auf einer qualifizierten und grundrechtlich legitimen (!) Abwägung beruht, "wie viel Elternteil das Kind verträgt". Wir wissen, dass die Hürden für eine solche Abwägung sehr hoch wären (ginge es nicht um getrennt lebende Väter).

Zu Ihrem Punkt 3: Diese kausale Feststellung muss im Sinne einer objektiven Zurechnung differenziert werden. Warum führen Episoden des Umgangs mit dem Vater, die jenem in einer intakten Familie sicher längst nicht nahe kommen, zu Verunsicherung und einem Loyalitätskonflikt? Kann sein, dass dies allein dem Auftreten des Vaters zuzuschreiben ist. Es kann auch sein, dass hier vom Ergebnis her gedacht wird und dem durch Gelegenheitsumgang des anderen in seinen vermeintlichen Rechten verletzten Elternteil zugebilligt wird, im Rahmen seiner Rechtsbehauptung das Kind in einen Loyalitätskonflikt zu stürzen. Das wäre überflüssig, wenn man darauf verzichtet, aus der Umgangsregelung eine Art Deprivationsrecht zu konstruieren.

Schließlich schreiben Sie: "Gleichwohl haben die Gerichte dieses absprachewidrige und unkooperative Verhalten des Vaters nicht etwa mit einem Umgangsausschluss sanktioniert,..."

Der Umgang mit dem eigenen Kind darf durch den Staat nicht als Instrument der allgemeinen Rechtsdurchsetzung missbraucht werden. Wenn im Endeffekt der Wunsch eines Elternteils reicht, den anderen vom Kind fern zu halten, was kommt als nächstes? Steuerschulden - kein Umgang? Eine differenzierte Ermittlung, ob und weshalb ein (absprachewidriger) Umgang unter Umständen tatsächlich zum Schaden des Kindes ist, kann aus dieser Perspektive nicht erfolgen.

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Gast schrieb:

Die Aufnahme des Kindes in den "Schutzbereich" der Umgangsregelung zwischen den Eltern halte ich für höchst problematisch, weil diese Regelung sich primär als Lösungsversuch des elterlichen Konfliktverhältnisses darstellt und gerade nicht auf einer qualifizierten und grundrechtlich legitimen (!) Abwägung beruht, "wie viel Elternteil das Kind verträgt". Wir wissen, dass die Hürden für eine solche Abwägung sehr hoch wären (ginge es nicht um getrennt lebende Väter).

...

Schließlich schreiben Sie: "Gleichwohl haben die Gerichte dieses absprachewidrige und unkooperative Verhalten des Vaters nicht etwa mit einem Umgangsausschluss sanktioniert,..." Der Umgang mit dem eigenen Kind darf durch den Staat nicht als Instrument der allgemeinen Rechtsdurchsetzung missbraucht werden. Wenn im Endeffekt der Wunsch eines Elternteils reicht, den anderen vom Kind fern zu halten, was kommt als nächstes? Steuerschulden - kein Umgang? Eine differenzierte Ermittlung, ob und weshalb ein (absprachewidriger) Umgang unter Umständen tatsächlich zum Schaden des Kindes ist, kann aus dieser Perspektive nicht erfolgen.

@ Gast:

Da folgern Sie falsch. Ich beziehe mich auf die im Langtext der kammergerichtlichen Entscheidung geschilderten Verhaltensweisen des Vaters, die man durchaus mit den Stichworten "absprachewidrig" und "unkooperativ" zusammenfassen kann. Die Wünsche der Mutter mögen Anlass für die Antragstellung gegeben haben, sie sind jedoch nicht Grund für die getroffene Entscheidung. Ausschlaggebend war vielmehr, dass  die konkreten Umstände der von dem Vater initiierten Treffen das Kind verunsicherten (das auf die Zusammentreffen auf dem Schulweg u. a. mit Auffälligkeiten im Unterricht reagierte).

Es geht bei einer Umgangsregelung stets darum, die Bedürfnisse aller Beteiligten (Vater, Mutter, Kind) miteinander in Einklang zu bringen. Die Eltern übersehen leider zu oft, dass nicht Ihre Bedürfnisse und Befindlichkeiten, sondern die des Kindes im Vordergrund stehen müssen.

 

 

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@ #4 und # 5:

Mutmaßungen, wieviel Umgang ein Kind "theoretisch" verträgt, führen nicht weiter, sondern verhärten die Fronten zwischen den Eltern. Die Umgangsregelung ist immer eine Einzelfallentscheidung (auch wenn manche Kolleginnen/Kollegen das zu vergessen scheinen). Sie sollte Wunsch und Realität ausbalancieren.

Weder gibt es einen Erfahrungssatz, dass mehr Umgang als alle 14 Tage am Wochenende und in der Hälfte der Schulferien schädlich ist, noch dass falls -  z. B. wegen der großen räumlichen Entfernung der Wohnsitze der Eltern - weniger Umgang stattfindet, dies zwingend das Verhältnis zwischen Kind und Umgangsberechtigtem beeinträchtigt.

Wenn - wie im vom KG entschiedenen Fall - der Vater als Gastdozent im Orient weilt, ist ein Wechselmodell (selbst bei entsprechender Bereitschaft beider Elternteile) nicht praktikabel. Der Vater muß sich hier entscheiden, ob er seine berufliche Karriere weiterverfolgt oder um des häufigeren Kontaktes willen seine Berufstätigkeit einschränkt bzw. umstrukturiert. Er wird also nicht vom Gericht auf Telefonkontakte/Skype verwiesen, sondern dies ist in der konkreten Situation eine für ihn praktikabele Möglichkeit, zusätzliche Kontakte zu dem Kind zu pflegen.

Ich habe in meiner mittlerweile 13-jährigen Praxis als Familienrichter nur wenige Fälle erlebt, in denen ein von Oben (gegen den Widerstand des Aufenthaltselternteils) angeordneter Umgang funktioniert hätte. Versuche des Umgangsberechtigten, Kontakt zu dem Kind hinter dem Rücken des Aufenthaltselternteils (= absprachewidrig) aufzunehmen, lassen die Situation regelmäßig eskalieren. Sie führen oft zu Gewaltschutz- oder Unterlassungsanträgen des Aufenthaltselternteils und zu einer massiven Verunsicherung beim Kind. Das Kind kann dem Aufenthaltselternteil in diesen Fällen nicht begeistert von dem Kontakt berichten, sondern wird gezwungen, vor diesem Geheimnisse zu haben. Der Umgangsberechtigte "erzwingt" so zwar einerseits den Kontakt, zwingt das Kind aber andererseits in zwei nicht miteinander kompatibelen "Parallelwelten" zu leben.

Die Forderung, die Gerichte müßten in diesen Fällen ein Machtwort zugunsten des Umgangsberechtigten sprechen, sind zwar menschlich nachvollziehbar, führen aber im Ergebnis nicht weiter. Die Möglichkeiten, die Einhaltung einer vom Aufenthaltselternteil abgelehnten Umgangsregelung zwangsweise durchzusetzen, sind (realistisch betrachtet) gering. Dann ist das Kind plötzlich krank oder es werden Arztatteste vorgelegt, die eine Einschränkung des Umgangs empfehlen oder es wird der Vorwurf der körperlichen Mißhandlung/der Vernachlässigung/des Drogenkonsums oder des sexuellen Mißbrauchs erhoben. Selbst wenn eine derartige Argumentation des Aufenthaltselternteils im Zuge der gerichtlichen Ermittlungen letztlich widerlegt werden kann, schafft der Aufenthaltselternteil hier meist durch Zeitablauf "vollendete Tatsachen".

Bewährt hat sich dagegen aus meiner Sicht ein schrittweises Vorgehen. Läßt sich die Meinungsverschiedenheit zwischen den streitenden Eltern nicht im Zuge der ersten Anhörung der Beteiligten ausräumen, unterbreite ich ihnen eine an ihre Situation (räumliche Entfernung, berufliche Situation der Eltern - Schichtdienst?, schulische Situation und Vereinsaktivitäten des Kindes etc., bestehende Vorbehalte des Aufenthaltselternteils) angepasste vorläufige Regelung  und biete an, sich in einem Fortsetzungstermin (3-6 Monate später) über die Erfahrungen mit dieser Regelung auszutauschen. Schon die Bereitschaft des Gerichts, die Regelung nochmals zu überprüfen und sich mit den Beteiligten über deren Vor-und Nachteile auszutauschen, führt bei den Eltern meist dazu, dass sie mehr das Kind und seine Bedürfnisse und weniger die eigenen negativen partnerschaftlichen Erfahrungen mit dem anderen Elternteil in den Blick nehmen und sich daher auf den vorgeschlagenen Kompromiss einlassen können. So kann verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden. Verlaufen diese ersten Kontakte für Aufenthaltselternteil und Kind befriedigend (Pünktlichkeit, keine Beschimpfung in den Übergabesituationen, Kind sieht sich in seinen Bedürfnissen ernst genommen), so steht einer Ausweitung der Umgangsregelung im Folgetermin nichts mehr entgegen.

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Bewundernswert, wie Gerichte manchmal argumentieren können.

Aus einem (in einem Mindestmaß garantierten) ausdrücklich Umgangsrecht im Wege juristischer Auslegung das genaue Gegenteil zu machen, nämlich ein (vermeintlich konkludentes) Kontaktverbot (für die über das Minimum hinausgehende Zeit) herzuleiten, das erscheint schon als hohe Kunst der Jurispundenz. 

Was pädagogisch sinnvoll wäre, vermag ich (als Nichtfamilienrechtler) nicht zu beurteilen, aber gesetzliche Regelungen (aus welchem Rechtsbereich auch immer) oder gerichtliche Regelungen aus (pädagogischen) Opportinitäts-Gesichtspunkten (zwar nicht ganz, aber immerhin teilweise) in ihr Gegenteil zu verkehren, sowas sollte meiner Meinung nach ein Gericht nicht machen.

Falls ein tatsächliches Bedürfnis (etwa aus pädagogischen Gründen) für das angestrebte Ergebnis besteht, dann sollte meiner Meinung nach die gesetzliche Regelung oder die ursprüngliche gerichtliche Umgangsregelung abgeändert (oder wenigstens "ergänzt" und "konkretisiert") werden.

Zwar liegt hier ganz sicherlich bei weitem noch kein Fall von Rechtsbeugung vor, aber vielleicht wohl doch schon eine nicht ganz unbedenkliche juristische Akrobatik, welche im vorliegenden Fall den Vater und seinen Verfahrensbevollmächtigten ein Stück weit überrascht und frustriert und zu Unverständnis und Kopfschütteln geführt haben dürften.

In Fällen wie den vorliegenden wird die unterlegene Partei wohl schwerlich davon davon zu überzeugen sein, daß sie im "Unrecht" war.

Erstrebenswert sind Entscheidungen, bei denen auch die unterlegene Partei ohne weiteres nachvollziehen und einsehen kann, warum sie unterlegen ist.

Aber natürlich kann auch ein Gericht nicht immer alles so machen, wie es idealerweise erstrebenswert und wünschenwert wäre.

Unabhängig davon, oder der konkrete Vater in dem konkreten Fall diese Entscheidung "verdient" hatte:

Alle Verfahrensbevollmächtigten werden die Entscheidung ab sofort bei zukünftigen Umgangsregelungen zu berücksichtigen haben.

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"Die Eltern übersehen leider zu oft, dass nicht Ihre Bedürfnisse und Befindlichkeiten, sondern die des Kindes im Vordergrund stehen müssen."

Natürlich ist Kindeswohl oberstes Gebot, aber wer zum Teufel verbreitet die Anmaßung, dass Eltern ihre Bedürfnisse zumal auch noch als Eltern missachten lassen sollen. Da werkelt doch eine Nur-dem-Kindeswohl-Behauptungs-Industrie mit guter Auftragslage.

Die Realität zeigt nämlich auch eine andere Tendenz, die nach langer Weigerung in D das EGMR, das BVerfG und zwangsweise den Gesetzgeber auf den Plan rief. Das Familienrecht greift nicht selten unnötig, verfassungswidrig und mit eindeutig parteiischer Zielsetzung in die Rechte der Familienmitglieder ein. Trennungen und Auseinandersetzungen werden als Unfähigkeit oder unlösbare Konflikte der Eltern dargestellt, womit sich die eigentlich ja "24-Stunden-Sorge der Juristen um Kinder" in kategorisch verkürzter Bewertungs- und Entscheidungsakrobatik über die Objekte der eigentlich fehlenden Begierde ergießt. Es ist ein Gebühren-Markt.

Am einfachsten geht das natürlich bei den Vernünftigen, die eigentlich nur ein paar Klärungen und Regeln zum besseren Interessenausgleich benötigen. Diejenigen, die es nicht auf Ausgleich und das Kindeswohl abgesehen haben, verlassen im Familienrecht nicht selten als Sieger den Platz oder ignorieren andernfalls Belehrungen sowieso. Das soll mit dem zitierten Satz häufig eher kaschiert werden, als das es wirklich ums Kindeswohl geht. Es ist ja nicht einmal klar, welcher Zeithorizont mit "Kindeswohl" erfasst werden soll. Scheunengroße, offene Tore für sachfremde Interessen bieten sich da.  

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Vollstreckungsgrundlage ist nach wie vor der Umgang. So war das vor dem FamFG und so ist das mit dem FamFG. Während damals nach dem FGG die Anordnung der Zwangsmittel zur Durchsetzung des Umgangs davon abhängig war, dass die Umsetzung der Umgangsregelung z.B. für die Zeit der Schulferien noch möglich sein musste, ist das heute - und das ist gut so - nicht mehr erforderlich. Nach dem heute geltenden FamFG wird der Umgang nicht erzwungen, sondern die Zuwiderhandlung sanktioniert, und zwar mit dem Ordnungsgeld bzw. der Ordnungshaft. Die nicht geregelten Zeiten des Umgangs waren weder damals noch sind sie heute Vollstreckungsgrundlage. Der Umgang außerhalb der geregelten Zeiten ist nicht Gegenstand der Regelung und ist daher nicht vollstreckungsfähig. Demnach kann dieser Umgang keine Zuwiderhandlung i.S.v. 89 FamFG sein.

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