Eine Unverschämtheit - der Regierungsentwurf zur WLAN-Haftung

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 15.03.2015

Manchmal erinnert aktuelle Gesetzgebung an das Neusprech von George Orwell. In "1984" hieß z.B. das Kriegsministerium Minipax, Ministerium für Frieden. Und ähnlich werden uns Regierungsentwürfe untergejubelt, die das Gegenteil von dem regeln, was sie als Ziel angeben.

So auch der aktuelle "Regierungsentwurf" zur WLAN-Haftung (es geht wohl um den am 12.3. im Kabinett gebilligten Referentenentwurf aus dem BMWi).

http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/telemedienaenderungsgesetz,pro...

Der Entwurf hat das Ziel,  den Ausbau öffentlicher WLAN-Netze in den Städten vorantreiben. Soweit Neusprech. In Wirklichkeit geht es um eine radikale Verschärfung der Haftung für WLAN-Betreiber. Personen, die anderen über ihr WLAN Zugang zum Internet gewähren, sollen nämlich nur dann nicht als Störer für Rechtsverletzungen Dritter verantwortlich sein, wenn sie “zumutbare Maßnahmen” zur Verhinderung solcher Verstöße ergriffen haben. Dazu müssen die Anbieter ihren Anschluss verschlüsseln und dürfen den Zugang nur solchen Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, die zuvor eingewilligt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Rein private, nicht geschäftsmäßige WLAN-Anbieter – wie z.B. die Freifunker – sollen nach dem Entwurf nur dann in den Genuss der Haftungsfreistellung kommen, wenn sie darüber hinaus auch die Namen der Nutzerinnen und Nutzer kennen. Wieso private Netzbetreiber gegenüber gewerblichen Providern so schlecht gestellt werden, versteht keiner.

Insgesamt ist die Regelung europarechtswidrig und eine einzige Unverschämtheit. Denn die Rechtsprechung war gerade dabei, die einzig richtige Lösung für WLAN-Betreiber zu etablieren. Diese sind Access Provider und damit nach der E-Commerce-Richtlinie und dem Telemediengesetz grundsätzlich von jeglicher Haftung befreit. So etwa AG Hamburg (Urt. v. 10.6.2014 – 25b C 431/13 und Urt. v. 24.6.2014 – 25b C 924/13 oder AG Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 217 C 121/14).

Ähnlich hatte das LG München (Beschluss vom 18.09.2014, Az. 7 O 14719/12) gerade erst jüngst Vorlagefragen an den EuGH zur Klärung des europarechtlichen Rahmens veröffentlicht.

http://www.offenenetze.de/2014/10/08/lg-muenchen-i-legt-frage-der-haftun...

Und jetzt behauptet der Entwurfsverfasser, er tue etwas für den Ausbau öffentlicher WLAN-Netze, und tut genau das Gegenteil. An der Rechtsprechung vorbei, gegen europarechtliche Vorgaben, in einer Terminologie, die mit Jura nichts mehr zu tun hat. Und setzt übrigens noch eins drauf, in dem er die ebenfalls europarechtswidrige Rechtsprechung des OLG Hamburg zu "besonders gefahrgeneigten" (!) Intertnetdiensten in den Entwurf aufnimmt (dazu ausführlich http://blog.beck.de/2015/02/25/wlan-hotspots-und-haftung-f-r-fremde-inha...).

Die einzige Frage, die bleibt, ist also: Wer schreibt eigentlich solch einen Unsinn? Und wieso geht so etwas ins Kabinett? Und wer stoppt diesen Zug? Langsam wird man müde und verbittert, wenn man sich die Qualität der Gesetzgebung in Deutschland ansieht.

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54 Kommentare

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@ Gast: mich stört an der Gesetzgebung, dass der Gesetzgeber nicht auf den Rat kompetenter Juristen hört und in den letzten Jahren Gesetze verabschiedet hat, die - wie von diesen Juristen vorhergesagt - reihenweise von BVerfG und EuGH kassiert wurden.

Sie verwechseln Kompetenz mit Zuständigkeit: Zuständigkeit macht leider nicht automatisch kompetent - wie auch dieses Beispiel wieder eindrücklich zeigt.

Um die Frage zu beantworten - wer eigentlich solche Gesetzesentwürfe schreibt:

1) Zuständige Stelle

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Referat VI B 5

2) Wer steht disem Referat vor?

VI B 5 Europäische Digitalpolitik
RegDir Dr. Frank Goebbels

3) Wie kann ich den Verantwortlichen Herrn erreichen (Google Suche hilft):
Tel: -2937
Fax: - 2963
eMail: uerovib5@bmwi.bund.de

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