Nicht ohne meine Begleitperson

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 20.03.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht2|3281 Aufrufe

In einem Umgangsverfahren, das sich in der 2. Instanz befindet, hatte der OLG-Senat einen Anhörungstermin anberaumt und dazu die psychologische Sachverständige, die in erster Instanz ein schriftliches Gutachten erstattet hatte, zur mündlichen Erläuterung und Ergänzung geladen. Zur Terminsvorbereitung hat die Sachverständige den Antragsgegner zu Explorationsgesprächen einbestellt.

Der Antragsgegner wollte diese nur wahrnehmen, wenn ihm das Mitbringen einer Begleitperson gestattet oder Tonaufzeichnungen des Gespräches vorgenommen würden. Er hat zur Begründung angeführt, im erstinstanzlichen Verfahren sei eine Befangenheitsablehnung derselben Sachverständigen daran gescheitert, dass er eine von ihm behauptete unsachliche Äußerung der Sachverständigen nicht habe nachweisen können. Nachdem die Sachverständige die Anwesenheit einer Begleitperson und die Anfertigung einer Tonaufnahme verweigerte, lehnte der Antragsgegner sie erneut als befangen ab und beantragte hilfsweise ihre Ablösung durch einen anderen Sachverständigen.

Das Befangenheitsgesuch wurde abgewiesen. Bedenken gegen die Unparteilichkeit der Sachverständigen könnten aus deren Verhalten nicht hergeleitet werden, denn eine eindeutige Rechtslage im Sinne einer gefestigten oder gar höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein psychologisch oder auch medizinisch zu Begutachtender eine Begleitung durch einen Beistand oder eine Tonaufzeichnung beanspruchen könne, existiere bisher nicht.

Zugleich wies der Senat die Sachverständige gemäß § 404a Abs. 1 ZPO an, bei den mit dem Antragsgegner durchzuführenden Explorationsgesprächen die Anwesenheit einer von ihm mitgebrachten, sich an den Gesprächen nicht beteiligenden Begleitperson in angemessener Hörweite zuzulassen.

OLG Hamm v. 03.02.2015 – 14 UF 135/14

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Der Rechtsanwalt Thomas Saschenbrecker aus dem badischen Ettlingen etwa vertritt eine Mutter, der ein Gutachter riet, sie möge keine weiteren Kinder mehr zur Welt bringen. Sein Eindruck: „Manchen Eltern wird das Sorgerecht schon entzogen, wenn sie nicht den Anforderungen des Sachverständigen an eine von ihm selbst definierte Erziehungsvernunft genügen.“

http://m.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/gutachter-an-familiengeri...

Also nochmal chronologisch:

1. Antragsgegner lehnte in 1. Instanz Sachverständige wegen unsachlicher Äußerung ab

2. Antragsgegner behauptet, dass Ablehnungsgesuch scheiterte, weil die Äußerung nicht nachweisbar war

3. Sachverständige beabsichtigte weiteres Explorationsgespräch in II.Instanz

4. Antragsgegner fordert nun Nachweismöglichkeit durch Aufzeichnung oder Zeugen

5. Sachverständige lehnt dies ab

6. Antragsgegner lehnt Sachverständige wegen Befangenheit ab

7. OLG erklärt Ablehnungsgesuch für unbegründet, weist aber gleichzeitig die Zulassung eines Zeugen oder einer Aufzeichnung durch die Sachverständige an

 

Ein Ablehnungsgesuch ist begründet, wenn der Ablehnende objektive Gründe benennt, die seine Besorgnis der Befangenheit des Abgelehnten rechtfertigen. Es ist weder der Beweis einer tatsächlichen Befangenheit, noch die Auswirkung dieser zu beweisen. Es war also bei der 1. Ablehnung ausschließlich die Frage offen, ob eine unsachliche Äußerung der Sachverständigen erfolgte und diese eine Besorgnis des Antragsgegners zur Befangenheit der Sachverständigen rechtfertigen könnte. Nach Aussage des Antragsgegners müsste die Sachverständige die unsachliche Äußerung abgestritten oder relativiert haben. Ob der 'Sachverhalt inhaltlich geklärt wurde oder wie der Antragsgegner behauptet, die Ablehnung nur wegen Beweismangels scheiterte, kann man aus den Dokumenten nicht entnehmen. Stimmt Letzteres, dann ist der Anspruch auf zukünftige Vermeidung dieses Beweismangels wohl ein logischer und verständlicher Anspruch des Antragsgegners. Mit welcher konkreten Begründung die Sachverständige diesen Anspruch trotzdem ablehnte, ist wiederum nicht zu erfahren. Eine Ablehnung wegen Beeinflussung der Exploration würde nicht auf die Annahme der Unzulässigkeit hinweisen, sondern auf Gründe des Einzelfalls (konkrete Beeinflussung der Exploration) abheben. Dieser könnte aber auch mit Tonaufzeichnung begegnet werden, die offensichtlich ebenfalls zulässig ist.

Ein unstreitig zulässiger, konkret und nachvollziehbar begründeter Anspruch auf Nachweismöglichkeit des Antragsgegners stünde hier offensichtlich einer pauschalen Zurückweisung der Sachverständigen zu allen Varianten der Nachweisführung gegenüber.  Wenn das zutrifft, dann hat die Sachverständige, die sich mit der Persönlichkeit und den Anliegen des Antragsgegners konkret befassen soll und dafür dessen Vertrauen in ihre Unvoreingenommenheit benötigt, offensichtlich pauschal das begründete Anliegen des Antragsgegners abgewiesen, ohne die Situation und das Anliegen zu reflektieren. Die Besorgnis des Ablehnenden, dass diese Einstellung der Sachverständigen Arbeitsgrundlage der gesamten Begutachtung ist, liegt wohl auf der Hand.

Die Zurückweisung der Ablehnung verletzt somit nach Lage der Dinge Recht und Gesetz. Dazu sind die Richter nicht ermächtigt. Wegen der ZPO-Reform um 2002 ist dem Betroffenen gegen diese Art der Verletzung der Amtspflichten in der Beschwerdeinstanz das Rechtsmittel abgeschnitten worden. Damit zeigen die Beschwerdegerichte auf, wie sie die ZPO-Reform für solche Vorgehensweisen zu nutzen wissen.

Futter für eine Evaluation der ZPO-Reform, der Praxis in Ablehnungsverfahren und zur Richterethik.

 

2

Kommentar hinzufügen