Vorratsdatenspeicherung: Neuer Anlauf der BuReg

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 26.03.2015

Das Thema Vorratsdatenspeicherung (= Vorhalten der Verkehrsdaten, nicht der Inhalte -- im Blog u.a hier und hier) beschäftigt nicht nur die IT-Juristen weiter:

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thomas Strobl meint:

„Jeder Tag ohne die Vorratsdatenspeicherung ist für die Sicherheit der Menschen in diesem Land ein verlorener Tag. Alle Sicherheitsexperten sagen uns, dass wir mit ihr erheblich besser nachvollziehen können, mit wem Terroristen telefonieren oder wer sich Kinderpornographie im Netz ansieht. Wir sollten unsere Sicherheitsbehörden hier ernst nehmen. Daher unterstützt die Union den Vorstoß von Herrn Gabriel in Sachen Mindestspeicherfristen. Es geht nicht um Temposünder, sondern um schwere Verbrechen, um organisierte Kriminalität, Kinderpornographie und Terrorismus. Hier wollen wir die Bürgerinnen und Bürger besser schützen. Aus unserer Sicht war und ist die eingeschränkte Speicherung von Verbindungsdaten unter strengen rechtsstaatlichen Auflagen ein wichtiges Mittel für die Aufklärung schwerer und schwerster Verbrechen. Jeder Schritt, der uns hier weiter bringt, ist ein richtiger und wichtiger Schritt.“

Nun will Justizminister Heiko Maas (SPD) noch vor dem Konvent der SPD am 20. Juni in Berlin erste Leitlinien für einen Gesetzentwurf vorstellen. Die konkrete Ausarbeitung des Entwurfs soll danach so schnell wie möglich folgen.

Was meinen Sie: Wie muss ein solcher Entwurf aussehen, damit er den strengen Vorgaben des BVerfG und des EuGH gerecht wird?

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10 Kommentare

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Herr Strobl beschreibt uns, was ihm Experten gesagt haben sollen, was die VDS könne:

"Alle Sicherheitsexperten sagen uns, dass wir mit ihr erheblich besser nachvollziehen können, mit wem Terroristen telefonieren oder wer sich Kinderpornographie im Netz ansieht."

Zweck soll sein die "Aufklärung schwerer und schwerster Verbrechen".

Wenn ein Terrorist mit jemandem telefoniert, ist das für sich nicht strafbar, aber da mag man ja noch meinen, dass es zur Ermittlung beiträgt. Aber das zweite Beispiel ist kurios: Denn es ist kein Verbrechen, im Netz Kinderpornographie anzusehen, geschweige denn ein schweres oder schwerstes, sondern "nur" ein Vergehen. Der Strafrahmen liegt nicht höher als bei vielen Alltagsdelikten; sogar ein einfacher Betrug hat ein höheres Strafmaß.

Und da sieht man schon gleich die zu befürchtende Ausweitung: Als Grund angeführt werden die bösen Taten der Judenpolennegernazikommunistenkinderschändertaliban, aber im Alltag geht es dann doch um Enkeltrickbetrüger, "Raub"kopierer und ja, vielleicht auch Leute, die Herrn Strobl im Internet Widerworte zu geben wagen.

Vielleicht wäre es ehrlicher, solche Vorhaben mit dem zu begründen, was man wirklich verfolgen will.

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Niedlich ist die Berufung auf "alle Sicherheitsexperten". Sowohl die Begriffe "alle" als auch "Experte" sind für sich in diesem Zusammenhang lustig. Aber diese Formulierung zeigt auch gleich auf, auf wen Herr Strobl da hört. Fragt man "Umweltexperten", werden die auch sagen, dass wir schärfere Vorgaben für CO2-Emissionen haben werden. Die "Fußballexperten" sind bestimmt für mehr Sportförderung. Die "Gaming-Experten" wollen vielleicht den Begriff "Killerspiele" verboten sehen. Und die "Finanzexperten" begrüßen alles, womit sie mehr Geld verdienen. Wie wäre es denn, wenn ein Herr Strobl auch anführen könnte, was die "Bürgerrechtsexperten" zu sagen haben? Oder die Vertreter der Internetprovider? Oder Verfassungsrechtler?

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"Vorhalten der Verkehrsdaten, nicht der Inhalte". Ein Schelm, wer hinter dieser Formulierung nicht gut gemeinte Aufklärung sondern tendenziöse Meinungsmache vermutet. Ein schlimmes Pseudoargument, das meine Oma vielleicht noch überzeugen kann. Jedem mit Verstand an der Diskussion teilnehmenden Menschen muss jedoch klar sein, dass ausschließlich die Verbindungsdaten und nicht die Inhalte die schützenswert sind. In Sekundenschnelle millionenfach auswertbar ist, wann und wie oft ich die Telefonseelsorge, meinen Psychiater oder die Kundenhotline von Zalando anrufe. Erst wenn mich ein Algorithmus als Ziel erkannt hat würden Inhalte relevant. Die es dann aber eben nicht gibt weil sie nicht gespeichert werden. 

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Das Gesetz müsste einen Dicken Strich quer über alle Seiten haben. ;)

[Satire] Ansonsten hätte ich ja schon einen schönen Verbesserungsvorschlag für das "Unschuldsvermutungsabschlaffungsgesetzt": Es müsste auf Straftaten beschrenkt sein, die mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 3 Jahren und (zusätzlich) mit einer Höchsstrafe von wenigsten 10 Jahren bedroht sind. Zudem müsste bereits der Versuch, sich für andere Zwecke die Daten zu beschaffen oder zu verwerten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten geahndet werden, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Sofern es sich um einen Amtsträger handelt, wäre es eine besondere schwerer Fall, der nich unter 12 Monaten bestraft werden darf. Gleiches müsste natürlich auf Seiten der Speichernden ebenso für fahrlässige schlechte Sicherung der Daten gelten. [/Satire]

Was natürlich auch fehlt ist ein grundsätzliches Beweisverwertungsverbot für nicht legal beschaffte Beweise.

Aber wie gesagt: Ich glaube nicht, dass ein solches Gesetzt verfassungskonform oder europarechtskonform umsetzbar ist. Das einzige, was man vielleicht hinbekommen könnte wäre "quick freeze".

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Warum sollten wir als unabhängige Organe der Rechtspflege und als Staatsbürger den Politikern, welche beabsichtigen den Überwachungsstaat auszubauen und die Bürgerrechte zu beschneiden, dabei helfen, die vom BVerfG und vom EuGH gesetzten Grundrechts- und Datenschutz-Mindeststandarts zu umgehen?

Wäre es im Interesse der Bürger und der Bürgerrechte nicht besser, man ließe die Überwachungsbefürworter erneut ungebremst gegen die Wand (BVerfG, EuGH) laufen?

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Also ich war ja neulich auf einer CSU Veranstaltung auf der die Tochter unseres geliebten Landesvaters und Europa Abgeordnete Hohlmeier zur VDS ungefähr folgendes ausführte:

 

Sie wäre letztens in Lampedusa gewesen und hätte sich zur Situation der Boatpeople informiert. Welch furchtbares Leid sie da gesehen habe.

 

Mit Tränen in den Augen und brüchiger Stimme hat sie dann dem ganzen Saal erklärt, wie wichtig doch die VDS sei, damit man der Schlepper in Syrien und der Türkei endlich habhaft werden könne und man das Leid der Flüchtlinge endlich mindern könne.

 

"Unterstützen Sie uns, dass wir die VDS endlich einführen können. Denken Sie an die Menschen, die im Mittelmeer ertrinken!"

 

Ich war wieder der Einzige, der schallend lachen musste...CSU halt.

"Was meinen Sie:"

 

Es muss eine strafrechtliche Absicherung gegen unbefugten, leichtertigen Zugriff auf die Daten durch Staatsbedienstete mit einer Mindestrafe von zwei Jahren mit hinein, was auch Richter und Staatsanwälte umfasst.

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Ich frage mich, warum der Gesetzgeber in Anbetracht der rechtlichen Schwierigkeiten bei Einführung der VDS nicht schon lange den quick freeze eingeführt hat. Man hätte doch jetzt schon über Jahre Erfahrungen damit sammeln können, um zu beurteilen, ob der quick freeze als mildere Maßnahme effektiv genug ist, um die VDS erst gar nicht einführen zu müssen. Zudem hätten die Strafverfolgungsbehörden zumindest ein Mittel, wenn auch nicht das gewünschte, um des sog. "rechtsfreien Raums" Herr zu werden.

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"Was meinen Sie: Wie muss ein solcher Entwurf aussehen ..."

 

Es kommt nicht nur alleine auf den Inhalt und die Formulierung des Gesetzentwurfes an.

Sondern es kommt auch auf gesamtgesellschaftliche Zustände an.

Diese müßten so sein, daß wir Bürger den Datenabschöpfern und Datensammlern vertrauen können.

Macht lädt immer zum Machtmißbrauch ein.

Und Daten laden immer zum Datenmißbrauch ein.

Selbst in modernen freiheitlichen parlamentarischen Demokratien, wie etwa in Großbritannien und den USA, kommt sowas vor.

Das wir hierzulande davor gefeit sein werden, davon bin ich nicht überzeugt.

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Es wäre natürlich sehr gut und selbstverständlich begrüßenswert, wenn mit Hilfe von Datensammlungen der inneren und äußeren Sicherheit (insbesondere dem Frieden) und der Freiheit und der Demokratie und dem Recht und dem Rechtsstaat und dem Rechtsgüterschutz und dem Schutz unserer Leben mehr Schutz und mehr bzw. effektiver Geltung verschafft werden könnte.

Zumindest theoretisch könnten die Daten aber (heimlich) womöglich auch für das genaue Gegenteil verwendet werden.

Was tatsächlich geschehen wird ist wohl nicht vorauszusehen.

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Vom Bündnis "Freiheit statt Angst", und vom "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung", sowie vom Bundesdatenschutzbeauftragten, sowie von der Piratenpartei und von der FDP, hört man schon geraume Zeit nichts mehr, und das Medieninteresse ist gerade hauptsächlich auf andere Themen (u.a. TIPP, Syrien, Flüchtlingskrise, ...) als Vorratsdatenspeicherung gerichtet, und so will die Bundesregierung nun offenbar noch diese Woche wohl möglichst leise und unauffällig eine neue Vorratsdatenspeicherung mit Hilfe des Bundestages gesetzgeberisch installieren lassen (so jedenfalls wohl: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Koalition-einigt-sich-auf-neue-Vorratsdatenspeicherung-2843699.html).

Bis das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof über die Zulässigkeit der neuen Vorrartsdatenspeicherung entscheiden, dürfte wohl einige Zeit vergehen. Die Bundesregierung wird die Gerichtsverfahren dann wohl aussitzen, und hoffen, das Gras über die Sache wächst.

 

 

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