Zum Verzwifeln: Schönheitsreparaturen

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 27.03.2015

Der Rechtsberater ist vor einem Regress gefeit, wenn er sich bei der Rechtsverfolgung sicher sein kann, dass ein Gericht nicht anders entscheidet. Das ist der Fall, wenn der BGH die maßgebliche Rechtsfrage entschieden hat (BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, NZM 2006, 340).

Und dann ändert der BGH seine Rechtsprechung und alle Welt fragt sich, konnte das nicht vorhergesehen werden?

So geschehen bei Schönheitsreparaturen (vgl. BGH v. 18.03.2015 - VIII ZR 242/13).

Seit Jahren fährt der BGH mit dem Mähdrescher über das Feld der Schönheitsreparaturen, so dass kaum noch ein Halm stehen geblieben war. Viele Klauselverwender verzweifelten an dem Versuch, eine wirksame Renovierungsklausel herzustellen. Anleitungsbücher konnten nicht so schnell neu aufgelegt werden, wie sich neue Grundsätze ergaben. Nun muss wieder die überwiegende Anzahl neu geschrieben werden.

Nachdem im letzten Jahr der Abgeltungsanspruch (Quotenklausel) der Garaus gemacht worden war (BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 352/12, WuM 2014, 135), war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Konstellation der wirksamen Schönheitsreparaturklausel bei unrenovierter Wohnung auf den Prüfstand kommen würde (vgl. Lehmann-Richter, NZM 2014, 818).

Nun wissen wir: was der BGH am 1.7.1987 - VIII ARZ 9/86 (NJW 1987, 2575) entschieden hat, ist Makulatur. Die unrenovierte Wohnung führt zur Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel. Dabei ist die Wohnung offensichtlich schon unrenoviert, wenn sie nicht frisch renoviert ist oder auch nur Teile der Mietsache unrenoviert sind.

Wesentlicher Grund: mittlerweile gilt die kundenfeindlichste  Auslegung auch im Individualprozess (BGH v. 29.5.2013 – VIII ZR 285/12, NZM 2013, 573).

Wer sich auf die Rechtsprechung verlassen hat, ist nun verlassen, oder: wer als Vermieter ein volles Glas Wasser vom Mieter während der Mietzeit erhalten will, muss ihm bei Abschluss des Mietvertrages ein gleich gefülltes Glas überlassen haben.

Konsequenz: der Vermieter muss den Mieter, wenn er nicht gerade frisch renoviert hat, so stellen, als hätte er eine frisch renovierte Wohnung bekommen. Einfach eine mietfreie Zeit zu gewähren, ist dafür nicht ausreichend. Der Ausgleich für ein Defizit muss angemessen sein. Zur Orientierung kann ein Kostenvoranschlag für die vollständige Renovierung der Wohnung herangezogen werden. Anhand dieser Unterlage kann bewertet werden, ob dem Mieter ein angemessener Ausgleich verschafft wurde. Die mietfreie Zeit kann dazu nur als Äquivalent dienen, wenn der Mieter diese Zeit nicht (teilweise) für die Renovierung nutzen musste.

Also: in diesem Fall muss deutlich werden, dass die Zeit, die für die Renovierung gebraucht wird, nicht in die mietfreie Zeit fällt. Denn nur die vertragsgemäße Nutzung ohne Entgelt stellt für den Mieter einen wirtschaftlichen Vorteil dar.

Fazit: der Rechtsberater, der bis zum 18.3.2015 in der Konstellation unrenovierte Wohnung und Renovierungsklausel die Entwicklung verschlafen hatte, kann zwar kaum in Regress genommen werden. Erklärungsbedarf gegenüber dem Vermieter besteht aber allemal.

Den Ärger gibt es dann kostenlos.

Wer glaubt, dass das für die Gewerberaummiete nicht gilt, will überrascht werden.

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12 Kommentare

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Quintessenz: wer die Entwicklung verschlafen hat, ist nun in Erklärungsnot.

Was ist daran ungewöhnlich?

Dass eine Abweichung von der Gesetzeslage per formularvertraglicher Regelung der AGB-Kontrolle unterliegt, ist seit über 10 Jahren bekannt. Das Risiko auch, ebenso die Tatsache, dass BGH-Entscheidungen von vor der Schuldrechtsreform nicht als sichere Orientierung dienen können.
Niemand hindert Vermieter an einer individualvertraglichen Regelung.

Mein Name schrieb:
Niemand hindert Vermieter an einer individualvertraglichen Regelung.

Gast schrieb:

Es ist dem Vermieter unbenommen, diese Frage im Einzelfall mit dem Mieter auszuhandeln - dann greift auch kein AGB-Recht.

Wie funktioniert das gerichtsfest? Mein Eindruck ist, dass die AGB-Regelungen so weitreichend sind, dass man als Vermieter praktisch keine individualvertragliche Regelung mehr hinbekommen kann.

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Die großen als Kapitalgesellschaften organisierten internationalen Vermietungsunternehmen werden damit wohl schon irgendwie klarkommen.

Schwierig wird es für die Seniorenehepaare, wo der Mann als kleiner Selbständiger von der Rentenversicherung befreit war, und wo die Ehefrau Hausfrau und Mutter war, und die zur Altersversorgung bloß ein kleines älteres Mehrfamilienhaus mit ein par vermieteten Wohungen haben.

Wenn deren Mieter jetzt dazu aufgestachelt werden, sämtlich ihnen neuerdings nicht mehr obliegenden Pflichten abzulehnen, und zugleich sämtliche ihnen neuerdings zustehenden Rechte voll auszuschöpfen, wird manchen kleinen Vermietern wohl die Altersarmut drohen.

Aber ist genau das gewollt, vielleicht will man mit Mietpreisbremse und Schönheitsreperaturregeln u.s.w. ja die weniger betuchten Privatleute zwingen, ihre Immobilien aufzugeben, damit der Immobilien suchende Kapitalmarkt in Gestalt von Großinvestoren deren Immobilien übernehmen kann.

Die Mitte der Gesellschaft wird immer mehr ausgedünnt, und die Schere zwischen Arm und Reich verbreitert sich immer mehr.

Das das politisch nicht gewollt ist, fällt schwer zu glauben.

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mir geht das Gejammer auf den Geist: Verstehe einfach nicht, dass es so schwierig einzusehen ist, dass man vom Mieter, der eine nicht ordnungsgemäß renovierte Wohnung übernimmt, nicht ohne weiteres formularmäßig ohne jenden Bezug zum Einzellfall verlangen kann, dass er eine tipp topp renovierte Wohnung an den Vermieter zurück gibt? Was hat das mit der Schere zwische arm und reich zu tun? 

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Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen ... viele Mieter, die durch Vermieter geknebelt werden und dann die Mieter, die sich einen Scheiß um irgendwas kümmern und nicht dranzukriegen sind, da diese berufsmäßig die Finger heben.

Aber, und da braucht man sich keine Sorgen bereiten, die Renovierungen werden auf die Mieten umgelegt, da wird die Mietpreisbreme nichts bringen ... außer, dass der Wohnungsmangel noch erhöht wird.

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Finde die Entscheidung jetzt auch nicht so irrsinnig überraschend. Dass der BGH Klauseln zu Schönheitsreparaturen regelmäßig abschießt, ist in der Tagespresse zu lesen. Dass kaum eine Klausel Aussicht auf Bestand hat, liegt damit auch für den Laien m. E. auf der Hand.

In der Sache ist das auch absolut nachvollziehbar: Kunde und Empfänger einer Leistung ist der Mieter, nicht der Vermieter. Es ist Sache des Vermieters, eine ordnungsgemäße Mietsache zu überlassen, nicht Aufgabe des Mieters, für den Vermieter ein Haus zu hüten oder gar zu renovieren. Mit einem Mietwagen fährt man ja auch vor Rückgabe nicht erst einmal zur Fachwerkstatt, um den Wagen einmal von grundauf zu erneuern.

Wenn es einem Vermieter gelingt, einem Mieter eine Bruchbude anzudrehen, sollte er sich über diese Tatsache allein genug freuen, und nicht auch noch erwarten, dass er die Wohnung oder das Haus in bessererem Zustand zurückerhält.

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Wenn man die Sache kommentieren will, sollte man idealerweise schon mal ein vermietetes Objekt bewirtschaftet haben, zumindest aber bitte doch schon wenigstens wissen, was man im Mietrecht unter Schöhnheitsreparaturen versteht.

Meistens geht es bloß darum, mit einer Farbrolle und einem Eimer weißer Farbe einmal über die Tapeten zu gehen.

Das erfordert vom Mieter weder besonderes Geschick, noch ist es besonders anstrengend oder schweißtreibend, noch ist für einen Mieter besonders kostenaufwendig oder besonders zeitaufwendig.

Wenn der Mieter aber (wie, wenn im Mietvertrag nicht anders bzw. nicht wirksam geregelt, vom Gesetzestext gedeckt), laufend vom Vermieter verlangt, in der Wohnung regelmäßig durch eine Fachfirma Schönheitsreparaturen durchführen zu lassen, fallen erhebliche Kosten an, womit der Mieter dann den Vermieter nicht selten wird quasi legal erpressen können. 

Eigentlich müßten die Mieten nun um die Beträge angehoben werden, welche den entsprechenden zukünftigen Kostenmehraufwand ausmachen.

Unter anderem wegen der Bindung an die ortsübliche Vergleichsmiete, und auch wegen der Mietpreisbremse, wird dies aber oft nicht möglich sein.

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Ex-Kleinvermieter schrieb:
Das erfordert vom Mieter weder besonderes Geschick, noch ist es besonders anstrengend oder schweißtreibend, noch ist für einen Mieter besonders kostenaufwendig oder besonders zeitaufwendig.

durch eine Fachfirma Schönheitsreparaturen durchführen zu lassen, fallen erhebliche Kosten an


Erkennen Sie eigentlich, wie Sie sich hier selbst widersprechen?
Abgesehen davon geht es hier um Wohnungen, die in nicht renoviertem Zustand übergeben wurden.

Ex-Kleinvermieter schrieb:
Wenn man die Sache kommentieren will, sollte man idealerweise schon mal ein vermietetes Objekt bewirtschaftet haben, zumindest aber bitte doch schon wenigstens wissen, was man im Mietrecht unter Schöhnheitsreparaturen versteht.

Und Sie haben Zweifel an der diesbezüglichen Fachkunde der Teilnehmer?

 

Ex-Kleinvermieter schrieb:
Das erfordert vom Mieter weder besonderes Geschick, noch ist es besonders anstrengend oder schweißtreibend, noch ist für einen Mieter besonders kostenaufwendig oder besonders zeitaufwendig.

Wenn der Mieter aber (wie, wenn im Mietvertrag nicht anders bzw. nicht wirksam geregelt, vom Gesetzestext gedeckt), laufend vom Vermieter verlangt, in der Wohnung regelmäßig durch eine Fachfirma Schönheitsreparaturen durchführen zu lassen, fallen erhebliche Kosten an, womit der Mieter dann den Vermieter nicht selten wird quasi legal erpressen können.

Es ist dem Vermieter unbenommen, diese Frage im Einzelfall mit dem Mieter auszuhandeln - dann greift auch kein AGB-Recht.

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Jedenfalls können die Mieter deren Renovierungsklauseln unwirksam sind den Vermieter mal auffordern die Mietsache wieder Instand zu setzen, natürlich verbunden mit der Androhung der Ersatzvornahme und Verrechnung mit zukünftigen Mieten. Denn in der Regel ist schon alle drei Jahre in den Naßräumen eine Renovierung fällig - das kostet den VM ja auch weder viel Müh oder Zeit noch Geld da mal eben mit der Rolle durch zu gehen.

 

Und wenn er schon dabei ist, kann er auch gleich noch die Heizkörper streichen.

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Eine abschließende Beratung dazu kann ich nicht geben. Meine spontane Idee wäre, die Wohnung mit Kosten für Schönheitsrepaturen anzubieten, und den Mieter zu motivieren, sich mit einem Vorschlag zur Reduzierung dieser Kosten zu melden. Die Kosten kann man dabei auch gesondert ausweisen - transparent und ehrlich. Vielleicht kann man auch mit einem Formular arbeiten, in dem der Mieter die von ihm präferierte Option mitteilt. Eine Auswahl vorformulierter Klauseln dürfte wieder dem AGB-Recht unterfallen, aber einen Satz "Mieter streicht selbst wenn nötig." sollten die meisten Mieter wohl hinbekommen. Höherer Verwaltungsaufwand, aber wenn das Problem denn so schlimm ist, wie immer behauptet wird, ist der wohl gerechtfertigt.

Das wird den Vermietern in Realität nur bedingt weiterhelfen. Denn viele der fraglichen Klauseln drehen sich gerade nicht um das Streichen während der Mietzeit, sondern zielen darauf ab, dem Vermieter zum Ende der Mietdauer einen Batzen Geld zuzuschustern oder den Mieter zu umfangreichen Renovierungen zu motivieren. Das geht natürlich nicht; da wird am Ende keine Klausel der Welt helfen. Aber die - m. E. vorgeschobenen - angeblichen Probleme des Vermieters, wie sie auch hier angeführt wurden, sollten mit einer Vorgehensweise wie oben beschrieben doch behoben sein.

Alternativ kann man das ZGB der DDR wieder einführen; da waren Schönheitsreparaturen bekanntermaßen Sache des Mieters.

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