Was ist ein Geständnis wert? - TV-Hinweis
von , veröffentlicht am 01.04.2015Ein Blogleser weist mich auf folgende Sendung hin, die noch heute Abend um 23.50 Uhr auf 3sat läuft, aber auch noch einmal im MDR FERNSEHEN, am 09.04.2014 um 20:45 Uhr wiederholt wird:
Wahrheit, Irrtum, Lüge Was ist ein Geständnis wert?Es geht um den Fall Ulvi K. und die Gefahr, dass falsche Geständnisse nicht als solche entlarvt werden.
Auszüge aus der Vorinformation zum Film:
Es sind vor allem die Schwachen und Labilen, die ein falsches Geständnis ablegen, meint der Vernehmungsforscher Jo Reichertz. Sie können die Folgen ihrer Aussage nicht abschätzen. Doch warum konnte der vom Gericht bestellte Psychiater nicht feststellen, dass Ulvi K. eine falsche Aussage gemacht hat? Er bescheinigt, dass Ulvis Geständnis mit hoher Wahrscheinlichkeit einen realen Erlebnishintergrund hatte. Doch heute weiß man: Dem Psychiater lagen nicht alle Informationen vor, und manche waren schlicht falsch. Außerdem haben die vernehmenden Beamten offenbar massiven Druck auf den Verdächtigen ausgeübt, ihn mit falschen Beweisen konfrontiert und ihm das Geständnis letztlich suggeriert.
(...)
Gemeinsam mit dem renommierten Glaubwürdigkeitsgutachter Günther Köhnken und dem Vernehmungsforscher Jo Reichertz beleuchtet die Reportage, die Sie am Mittwoch, 1. April 2015, 23.50 Uhr sehen können, die Aussagen von Ulvi K. neu. Filmautorin Nadja Malak geht der Frage nach, wie es zu dem falschen Geständnis kommen konnte. Sie zeigt die Widersprüche des Verfahrens auf, beleuchtet die Arbeit der Polizei und geht der Frage nach, wie schwierig es ist, ein falsches Geständnis zu entlarven.
Vielleicht lässt sich ja hier nach dem Film auch eine sachlich-fachliche Diskussion über die Gefahr von Falschgeständnissen führen.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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23 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenAndreas kommentiert am Permanenter Link
Hierzu empfehle ich auch das Buch "Wahre und falsche Geständnisse in Vernehmungen": http://www.boorberg.de/sixcms/detail.php?id=567466&hl=
Beste Grüße
Andreas
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Nicht überzeugend
Danke für den Hinweis, aber leider gar nicht überzeugend. Aus dem Abstract:
Es liegen "ausschließlich" wahre Geständnisse vor. Donnerwetter - und das angesichts Kapitel 5.
Anmerkung: Ulvi Kulac wird nicht erwähnt.
Nils Kratzer kommentiert am Permanenter Link
Es dürfte einen relativ eindeutigen Ansatz geben, wenn es darum geht 'falsche Geständnisse' zu verhindern. Voraussetzung hierfür wäre, dass es in der Gesellschaft einen unumstößlichen Konsens darüber gibt, dass ein funktionierender Rechtsstaat eine unumgängliche Voraussetzung für unsere Demokratie ist. Hieran fehlt es:
1.)
Richter sind entweder zu bequem bzw. zu überlastet und damit vom Staat alleingelassen, wenn es darum geht, Rechtsstaatlichkeit zu leben.
Bei Gerichten überwiegt das Interesse an der schnellen Beendigung des Verfahrens das Interesse an der Verwirklichung des Rechtsstaats.
2.)
Die Ermittlungsorgane verkennen, dass es nicht ihre Aufgabe sein kann, einen Täter um jeden Preis zu ermitteln und zur Verurteilung zu bringen
3.)
Verteidiger buhlen um die Gunst der Gerichte und drängen ihre Mandanten teilweise zu Geständnissen auch um dann künftig aus wirtschaftlichen Gründen bei Gericht als Pflichtverteidiger bestellt zu werden.
4.)
es gibt Journalisten, die ihre Kontrollfunktion innerhalb der Demokratie aus monetären Gründen völlig aufgegeben haben. Einige von ihnen betreiben Auftragsjournalismus. Dies bedeutet u.a. dass Justizskandale im Verborgenen bleiben und die Öffentlichkeit gar keinen Überblick über das Ausmaß von Justizskandalen hat, weil ein politisches Interesse bzw. Ein Lobbyisten-Interesse dahinter steckt.
5.)
Die Öffentlichkeit und damit ein Großteil der Bürger hat es verlernt, staatskritisch zu denken. Es herrscht die fatale Stimmung und der fatale Aberglaube, dass wir tatsächlich in einem Rechtsstaat leben. Es ist auch ein viel schönerer Gedanke, dass man in einem Staat lebt, in dem Recht und Ordnung herrschtund es ist ein Leichtes Gegenteiliges gedanklich auszuklammern, solange man nicht selbst betroffen ist. 99% der Bevölkerung erleben die Strafjustiz auch nicht als Unrechtsjustiz, weil sie selbst mit ihr nicht in Berührung kommen.
Diese Umstände führen unmittelbar oder mittelbar zu diesen fragwürdigen Geständnissen. Was ist denn passiert, als sich im
vermeintlichen Mordfall des Bauern Rupp einer der Verurteilten wegen seines 'Geständnisses' damit rechtfertigte, dass ihm vom Vernehmungsbeamten eine Waffe an den Kopf gehalten wurde? Er wurde wegen Falschaussage verfolgt. Der Vernehmungsbeamte wurde offenbar nicht belangt.
Wir haben es über Jahrzehnte hinweg versäumt, einen wirksamen Kontrollmechanismus für Justiz und Strafverfolgung zu schaffen. Die Konsequenz ist ein völlig normales menschliches Verhalten: Justiz und Strafverfolgung haben sich ihren eigenen Staat im Staat geschaffen und machen was sie wollen, losgelöst von Gesetz und Rechtsstaatlichkeit...
Angesichts dessen darf sich nicht die Frage stellen, wie es im konkreten Fall Ulvi zu einem Geständnis kam, denn der Staat hat institutionalisierte Mechanismen geschaffen, um diese 'Arbeitsvereinfachungsmaßnahme' umzusetzen.
In Bayern kennt jeder Verteidiger die Fälle, in denen Menschen allein deswegen in Untersuchungshaft sitzen, um sie klein zu Kriegen und um sie mürbe zu machen. Bilder von Richtern und Staatsanwälten, die dann noch gemeinsam in der Justizkantine sitzen und sich süffisant über den Spruch 'U-Haft schafft Rechtskraft' amüsieren, setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf.
ich bin gespannt, wer angesichts dieses vorgeebneten Weges zu Geständnissen noch Verwunderung zum Ausdruck bringt über den Fall 'Ulvi'
Richterlein kommentiert am Permanenter Link
@ Nils Kartzer
Sie schreiben:
"Richter sind entweder zu bequem bzw. zu überlastet und damit vom Staat alleingelassen, wenn es darum geht, Rechtsstaatlichkeit zu leben."
Wo haben Sie das denn her?
Nils Kratzer kommentiert am Permanenter Link
@richterlein:
Haben Sie andere Erfahrungen gemacht?
Mustermann kommentiert am Permanenter Link
Na aus den Einlassungen von Richtern, wenn mal ein Malheur passiert ist. Dann war das nie Vorsatz, sondern stets die mangelhafte sächliche Austattung und die geringe Entlohnung. (Personalmangel zu reklamieren käme bei den Entscheidungsträgern schlecht an)
So gesehen im Untersuchungsausschuss Mollath:
Auf die Frage, warum die Beschwerde nicht bearbeitet wurde, antwortet der Richter völlig schambefreit: Schreibmaschine kapputt und Schreibkraft desertiert.
Na dann...
bombjack kommentiert am Permanenter Link
Plus: Richter und u.U. auch Staatsanwälte hinterfragen Geständnisse nicht....
Paradebeispiel: Der laut den Geständnis "ermordete" zerstückelte und an Hunde oder Schweine verfütterte Bauer aus Regensburg, dessen Leiche im Mercedes in der Donau gefunden wurde, wo es nach meinem Wissen weder DNA noch andere forensische Spuren gab, die dieses Geständnis stützten....d.h. schon alleine von der Spurensicherung her sollte da ein fettes Fragezeichen auftauchen....besonders bei der beschriebenen Entsorgungsmethode der Leiche.....
bombjack
M. Deeg kommentiert am Permanenter Link
John Grisham, der ja auch Jurist ist, liefert in seinem Buch "Das Geständnis" ein meines Erachtens lebensnahes Psychogramm der Beteiligten und Täter, die ein falsches Geständnis zuerst erzwingen und dann gegen alle Wahrheiten und besseres Wissen verteidigen.
Letzteres, die Fehlerleugnung, ist auch in Bayern das primäre Problem!
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrte Kommentatoren,
auch nach meinem Empfinden hat der Film, der - überflüssige technische Gimmicks am Anfang mal beiseite gelassen - durchaus interessante Ausführungen der interviewten Experten zusammengetragen hat, eine Lücke gelassen:
Die Fehler der Polizei bei der Vernehmung des Herrn Kulac, die fehlende Bestätigung des Geständnisses durch objektive Beweismittel (z.B. Fund der Leiche aufgrund der Angaben des Vernommenen) oder wenigstens anderes Täterwissen, hätte bei den juristischen "Profis" der Beweiswürdigung unbedingt den Verdacht auslösen müssen, dass es sich um ein Falschgeständnis handeln könnte. Nahezu alle erhältlichen Informationen über Falschgeständnisse (enthalten zum Teil in verbreiteten Kommentaren und Lehrbüchern) hätten Hinweise darauf ergeben, dass dieses von einem Polizeibeamten in einem Gedächtnisprotokoll formulierte Geständnis und sein Zustandekommen geradezu ein Paradebeispiel für ein Falschgeständnis ist. Die Alarmglocken hätten doppelt und dreifach schrillen müssen. Das Gleiche hätte auch dem Gutachter auffallen müssen, einem Psychiater, der allerdings noch nicht durch besondere aussagepschologische Kenntnisse aufgefallen ist. Das Tatgericht hat sich hier offenbar leider nicht als - auch kritischer - Garant für die Objektivität der Urteilsfindung verstanden, sondern als Bestätigungsinstanz für unzureichende staatsanwaltliche und polizeiliche Ermittlungen.
Beste Grüße
Henning Ernst Müller
Name kommentiert am Permanenter Link
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-123856912.html
Systemfehler in der bayrischen Justiz: wer die Karriereleiter hoch und Gruppenleiter bei der StA werden will, darf nicht als StA-kritischer Richter auffallen. Insbesondere nicht dann, wenn der Innenminister einen neuen Besen an die Spitze der SOKO pflanzt und Ergebnisse fordert.
Auch der Fall Rupp gehört zu den Prozessen, wo die Richter nicht nur versagt haben, sondern sich nicht einmal eines Mitverschulden bewusst sind. Nein, sie rufen den Angeklagten per Urteilsbegründung noch ein höhnisch es "selber schuld, Pech gehabt" hinterher. Wer derart inkompetent ist, was Beweiswürdigung angeht, gehört zur Bußgeldstelle versetzt.
Horst kommentiert am Permanenter Link
Wenn ich mich richtig erinnere, glaubte der Gutachter durch ein Aufwachsen in Bethel ausreichend Kenntnis über Menschen mit geistiger Behinderung zu haben, um ein Gutachten erstellen zu können. Die Besonderheiten von Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernbehinderung werden zu wenig berücksichtigt, leider werden selten Sachverständige ausgewählt, die Spezialisten für Menschen mit geistiger Behinderung sind.
Ich habe jetzt nochmal recherchiert, was der Gutachter in seinem zweiten Gutachten ausgesagt hat, interessant sind die Presseberichte. Während in zwei Medien berichtet wird, dass er nur noch von "hoher Wahrscheinlichkeit" spricht und damit vom Erstgutachten abweicht, schreibt ein Reporter, der Gutachter bleibe bei seiner Einschätzung.
http://www.tvo.de/peggy2014/
http://www.frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/Gutachter-...
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/fall-peggy-der-gutachte...
Im zweiten Beispielsfall waren die Mitglieder der Familie des Bauern Rupp nach Medienberichten sehr einfach strukturierte Menschen, vielleicht ist es auch eine geringgradige geistige Behinderung. Auch hier ist die Frage, ob die Persönlichkeit der Menschen ausreichend berücksichtigt wurde? Gibt es bei der Polizei für Vernehmungen mit Menschen mit geistiger Behinderung eigentlich besondere Spezialisten?
Menschen mit geistiger Behinderung werden leider sehr oft benachteiligt.
http://www.heise.de/tp/artikel/44/44582/1.html
Und wenn Reichertz feststellt, dass es vor allem die Schwachen und Labilen wären, die ein falsches Geständnis ablegen würden, müsste - vorausgesetzt zutreffend - diese Erkenntnis einen Aufstand verursachen. Was ist das für ein Umgang mit Menschen? Die Polizeischulen müssten ihre Ausbildung hinterfragen, die Staatsanwaltschaft die Vernehmungsmethoden und die Gerichte ebenfalls. Haben da bei irgendwem Alarmglocken geschrillt bei dieser Aussage?
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Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Hat Lapp nicht einen Journalistenpreis bekommen?
Und wenn das so ist, kann das mit dem niemand mehr ... ganz und gar nicht richtig sein.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Vor Jahrzehnten sagte mir ein Jurist, die Aussage eines Menschen sei der beste Beweis, den es geben würde, denn der Mensch sei das höchste Wesen, was es in der Rechtsordnung gibt.
Ich habe mal gehört, in Österreich sei allein der Besitz einer Hanfpflanze kein Beweis, dass diese zur Suchtmittelgewinnung diene. Der Besitzer müsse mit der Schere in der Hand auf dem Weg zur Ernte erwischt werden, damit er wegen Vorsatz verurteilt werden kann. Falls der Besitzer sage, die Pflanze sei Zimmerdekoration, so sei das so. Dort scheint noch ein anderes Menschenbild zu bestehen.
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Hatte der relgiöse oder sonstige Grillen?
Man kann ja vieles sagen. Aber was für eine Funktion hat es denn, so was hier zu posten?
Lutz Lippke kommentiert am Permanenter Link
Ich wurde mal als Schüler eine ganzen Vormittag bei der Kripo als Zeuge vernommen. Ein Wechselspiel mit gutem Cop vorn, schlechtem Cop hinten, dann draußen Warten, Drohgebärden, Zuspruch und "Wir haben Zeit". Ein Zangengriff.
Man wollte von mir Aussagen zu einer angezeigten Auseinandersetzung, in die ein Schulfreund verwickelt war. Mehrfach ging es bei der Vernehmung um Nebenthemen und Unterstellungen, z.B. welche Belege für Fehlverhalten man bei genauerer Untersuchung vielleicht noch so finden könnte.
Ich hatte nichts zu Verleugnen, war sogar eingestandenermaßen durch eine unbedachte, ironische Bemerkung Auslöser der Handgreiflichkeiten, hatte die folgende Klopperei dann aber eingedämmt.
Irgendwann nahm man dann nach gefühlter Ewigkeit doch meine Zeugenaussage schriftlich auf. Dann wieder draußen warten. Dann sollte ich die Aussage unterschreiben. Ich las das Getippte, es war nicht komplett falsch, aber es hatte eine ganz andere Interpretation als meine wahrheitsgetreue Aussage. Es war nicht meine Aussage, sondern das was der Beamte daraus machen wollte. Ich bemängelte das und wollte korrigieren, da ging das ganze Nervenspiel von vorne los. "Das kann noch lange gehen, wir haben Zeit". Ich war hungrig, ermüdet und als 14 Jähriger allein. Kein Anrufen, kein Essen, offenes Ende. Ich unterschrieb den Wisch. Das war in der DDR. Kein Vorbild für einen Rechtsstaat. Meine Mutter beschwerte sich über die Behandlung und erreichte wenige Tage später eine neue Vernehmung. Der Beamte einer anderen Dienststelle erklärte mir, dass man ein fehlerhaftes Protokoll nicht unterschreiben sollte und nahm meine Aussage dann korrekt auf. Es dauerte 1/2 Stunde.
Die Darstellung der heute "üblichen" Vernehmungsmethoden, wie mehrere ganztägige Verhöre mit Rollenspielen, Tricks und Ausübung von Druck, erinnern mich an die dagegen noch harmlose Erfahrung meiner Jugendzeit. Dann erinnere ich mich an das Heilbronner Phantom, die Frau ohne Gesicht im Heilbronner Polizistenmord, die möglicherweise noch viele andere Straftaten verübt haben sollte. Ursache der groß angelegten Ermittlungspanne sollen bei der Verpackung verunreinigte Wattestäbchen gewesen sein. Der Polizistenmord ist wohl noch immer ungeklärt und hängt mit den NSU-Geschehen zusammen. Man kann die Geschichte eigentlich kaum glauben.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/ermittlungspanne-phantom-moerderin...
Warum dieser Zusammenhang?
Es ist das Gefühl und die Ahnung, das es den Behörden und der Justiz an grundlegenden Fähigkeiten, Transparenz und Kontrollstrukturen fehlt. Ein Hort des Unvermögens, der Selbstgenügsamkeit und der Manipulation. Ausnahme oder übliche Regel?
Name kommentiert am Permanenter Link
@ Lutz Lippke: es ist immerhin begrüßenswert, dass seit einigen Jahren auch in deutschsprachigen "Populärsendungen" das Thema behandelt wird (Beispiel ab 11:20 und ab 20:30). Sehr gut finde ich, wie eindeutig Jens Hoffmann hier Stellung bezieht: lange konfrontative Verhöre führen zwangsläufig zu falschen Geständnissen, um aus der zunehmend unerträglichen Situation herauszukommen - koste es was es wolle, auch ein falsches Geständnis (von dem man wähnt, die Falschheit würde ja doch durch die weiteren Ermittlungen belegt werden).
Eine analoge oder auch nur fiktionale Aufarbeitung des Pascal-Prozesses, Montessori-Prozesses, der Wormser Prozesse oder der Rupp-Affäre hat sich in Deutschland noch kein Fernsehsender getraut. Möglicherweise ist deshalb das Problembewusstsein noch sträflich unterentwickelt und es werden immer die gleichen Fehler wiederholt
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Nennt man das Rechtssicherheit?
immer die gleichen Fehler wiederholen... Leugnen oder bagatellisieren im Dienste der [Schein-] "Rechtssicherheit"
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Der Deal als eine Quelle falscher Geständnisse
Ein neue wichtige Quelle für Falschgeständnisse ist der Deal, etwa beim sexuellen Missbrauch, wenn ein Geständnis Bewährung, ein volles aufwendiges Verfahren mit Befragung der OpferzeugIn (Zur Tortur der Kinder hier) ansonsten z.B. 3 Jahre sicher in Ausicht stellt.
Im Fall Ulvi Kulac habe ich seinerzeit einige Hauptquellen für Falschgeständnisse nach Gudjonsson 1992 zusammengetragen:
Quelle: http://www.sgipt.org/forpsy/Kulac/MKEAKroeb.htm#Zusammenfassung%20der%20...
Lutz Lippke kommentiert am Permanenter Link
@Mein Name
Danke für den Hinweis auf J. Hoffmann. Da ist einiges Material im Internet zu finden.
Bei einer kurzen Durchsicht von Täterprofile und Fallanalysen http://www.i-p-bm.com/images/stories/pdf/tterprofile%20und%20fallanalysen.pdf
fiel mir folgender Hinweis auf Jo Reichertz auf. S.105 (Fußnote 118):
In Deutschland sind wenige Studien festzustellen, die das polizeiliche Verhalten
als Untersuchungsgegenstand wählen. Beispielsweise interessieren hier Fragen der Verdachtsschöpfung, der Tatortarbeit bei komplexen Sachverhalten, spezielle Formen der Fahndung – etwa der Öffentlichkeitsfahndung – usw. Eine der wenigen Arbeiten zur Analyse des polizeilichen Ermittlungshandelns und Rekonstruktion der Aufklärungsarbeit von Verbrechen sind die umfangreichen Forschungen von Jo Reichertz. Im Mittelpunkt seiner Feldstudie steht die Suche nach einem logischen Verfahren, mit dessen Hilfe Kriminalbeamte schon seit Jahrzehnten in der Praxis Verbrechen aufklären und wie solche Verfahren organisiert sind. Vgl. hierzu Jo Reichertz: Aufklärungsarbeit. Stuttgart 1991; Jo Reichertz und Norbert Schröer (Hg.): Polizei vor Ort.
Stuttgart 1992.
Folgt man dem Hinweis auf Jo Reichertz findet man u.a. auf der Webseite "Zur organisierten Aufklärung von Verbrechen" einige Publikationen.
https://www.uni-due.de/kowi/R_Polizei.shtml
Zum Beispiel:
2003: Hermeneutische Polizeiforschung.
In: Martin Möllers & Robert van Ooyen (Hrsg.) Jahrbuch Öffentliche Sicherheit. S. 29-56.
Zitat S. 29:
Wissenschaft ist natürlich nicht alles und vor allem auch nicht vor Fehlern gefeit. Aber objektive und methodische Erkenntnisse zu Erkenntnisverfahren auszusperren, zeugt nicht von Professionalität.
gaestchen kommentiert am Permanenter Link
@R. Sponsel:
Dass die Studie eben eine andere Thematik hat (Prüfung der Zahlen Kassins), haben Sie aber schon registriert. Warum sollte Kulac in der Studie erwähnt werden? Die Arbeit stammt aus 2012; dass und warum Kulacs Geständnis ein Falschgeständnis sein soll und wie es zustande gekommen ist wurde ausführlich erst im Rahmen der Wiederaufnahme 2014 verhandelt (und ob es eines war oder nicht ist ja auch nach dem Wiederaufnahmeverfahren 2014 offen). Da hätte Kroll schon hellsehen müssen. Aber wie gesagt, die Analyse des einzelnen Falles Kulac war auch nicht Thema seiner Studie.
Abgesehen davon setzt er sich in seiner Arbeit, wie man der Leseprobe entnehmen kann, mit der Reid-Methode kritisch auseinander und kommt zu dem Schluss:
"Bei der Vernehmungsmethode nach Reid handelt es sich aufgrund der aufgezeigten
Schwachstellen und Kritikpunkte – sowohl aus rechtlichen als
auch vernehmungspsychologischen Aspekten – um ein Vorgehen, das in
Deutschland in ihrer Gesamtheit so nicht zulssig ist und eine Umsetzung
in die polizeiliche Praxis unterbleiben sollte."
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Gerade wegen der Reid-Methode ...
Eben. Der Fall Peggy/Kulac war natürlich auch vorher schon bekannt: Geständnis eines geistig Behinderten unter dubiosen Randbedingungen.
Dass Ihnen aber nicht zu denken gibt, dass es nur wahre Geständnisse gegeben haben soll, spricht allerdings für sich.
Ich werde mir die Arbeit bei Gelegenheit noch einmal genau ansehen, vielleicht sogar eine Besprechung machen udn dann hier wieder berichten.
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Gibt es in Deutschland nur wahre Geständnisse? Kritik einer preisgekrönten Masterarbeit von Ottmar Kroll: Wahre und falsche Geständnisse in Vernehmungen:
http://www.sgipt.org/forpsy/Aussage/WuFG.htm
Zusammenfassung - Abstract - Summary
Die Arbeit stellt die Behauptung auf, dass Geständnisse, die auf "erdrückender Beweislage" beruhen, wahr und damit also nicht falsch sind. Der theoretische Satz lautet demnach: Geht ein Geständnis mit erdrückender Beweislast einher, so ist es wahr und nicht falsch (es ist klar, dass die Umkehrung empirisch sicher nicht stimmen kann). Das wäre ein wichtiger - nicht nur theoretischer, sondern auch praxisrelevanter - Satz gewonnen, wenn er denn richtig wäre. Die Richtigkeit dieses Satzes zu erweisen, also zu begründen und zu belegen, wäre die Aufgabe dieses Büchleins gewesen, die aber nicht geleistet wird. Hierzu wäre es erstens erforderlich gewesen, die Kriterien von wahren - in Abgrenzung zu falschen - Geständnissen darzulegen und bei den 263 Geständnissen zu signieren und auszuwerten. Zweitens hätte "erdrückende Beweislast" operationalisiert und signiert werden müssen, und zwar für alle 743 Fälle. Sodann hätte man rechnen können, wie die Zusammenhänge sind. Ein Untersuchungsdesign zur Hypothesenprüfung wird nicht vorgelegt.
rs - schönen Sonntag ...