3. Strafsenat des BGH: Kräutermischungen mit synthetischen Cannabinoiden sind keine Tabakerzeugnisse

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 18.04.2015

Nachdem der EuGH entschieden hat, dass das AMG nicht auf Kräutermischungen mit synthetischen Cannabinoiden anzuwenden ist, weil beim Konsum solcher sog. Legal Highs kein therapeutischer Nutzen vorliege, den das AMG aber voraussetze, hat der 5. Strafsenat des BGH die Frage aufgeworfen, ob in diesen Fällen nicht das vorläufige Tabakgesetz eingreifen könnte. Dementsprechend hat der 5. Strafsenat beim 2. und 3. Strafsenat angefragt, ob solche Kräutermischungen Tabakerzeugnisse i.S.d. vorläufigen Tabakgesetzes (VTabakG) sein können (s. meinen Beitrag vom 30.11.2014).

Nun hat der 3. Strafsenat geantwortet (BGH, Beschl.v. 20.1.2015, 3 ARs 28/14 = BeckRS 2015, 04815). Er will der Rechtsauffassung des 5. Strafsenats nicht folgen, denn er vertritt folgende Ansicht:

„Kräutermischungen, denen synthetische Cannabinoide zugesetzt sind und die geraucht werden, um sich dadurch in einen mit dem Konsum von Marihuana vergleichbaren Rauschzustand zu versetzen, stellen keine Tabakerzeugnisse oder - diesen gleichgestellte - Tabakerzeugnissen ähnliche Waren dar, denn sie sind nicht im Sinne von § § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG zum Rauchen bestimmt. Die Verbots- und Strafvorschriften der §§ 20, 52 VTabakG sind deshalb nicht anwendbar.“

Ergänzend führt der Senat aus, dass selbst wenn man Kräutermischungen als tabakähnliche Waren auffassen würde, das VTabakG nicht eingreife, weil solche Stoffe nicht zum Rauchen bestimmt seien. Maßgeblich für diese Zweckbestimmung sei nämlich die Betrachtungsweise durch einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen Verbraucher. Und ein durchschnittlicher Verbraucher werde – wie im vorliegenden Fall - bei der Bezeichnung einer Ware als - nicht zum menschlichen Verzehr geeignetem – „Raumerfrischer“ nicht davon ausgehen, dass diese zum Rauchen bestimmt sei. Auf den möglichen Kenntnisstand eingeweihter Kunden eines Verkäufers solcher Kräutermischungen über die tatsächliche Bestimmung komme es nicht an.

Man darf gespannt sein, wie sich der 2. Strafsenat positionieren wird…

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3 Kommentare

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Wenn man es rechtsstaatlich "sauber" regeln will, sollte man auf solche Hilfskonstruktionen ("Krücken") verzichten.

 

Gestern hat die Drogenbeauftragte vollmundig eine umfassende Lösung des "Legal High"- Problems noch dieses Jahr angekündigt.

 

Man darf gespannt sein, wie der Spagat zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und Stoffgruppendefinitionen gemeistert werden soll. Hoffentlich gibt das keine "Blutgrätsche" ...

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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat sich der 2. Strafsenat positioniert und ist der Rechtsauffassung des anfragenden Senats beigetreten. Damit steht es quasi 2:1 für das VTabakG.

 

Wie geht es nun weiter, Herr Patzak? Wie wird der Große Senat wohl entscheiden?

 

Man darf davon ausgehen, dass auch diese Rechtsfrage letztendlich vom EuGH entschieden wird.

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Der 2. Strafsenat hat in seinem heute veröffentlichten Beschluß (https://dejure.org/2015,44021) ausdrücklich mitgeteilt, daß er in der Zusammensetzung der für das Anfrageverfahren zuständigen Spruchgruppe "mehrheitlich" der Meinung des 5. Strafsenats folgt. Es gibt also innerhalb des 2. Strafsenats eine abweichende Meinung. Da nicht bekannt ist, welche die Meinung derjenigen Richter ist, die für den Senat im Großen Strafsenat sitzen, läßt die neue Entscheidung keine Rückschlüsse zu, ob mit ihr die Erfolgsaussichten im Großen Strafsenat gewachsen sind.

Es bleibt zu hoffen, daß der Große Strafsenat sich nicht auf den Taschenspielertrick des 5. Strafsenats einläßt und nicht mit einer kreativen Auslegung obskurer nebenstrafrechtlicher Normen "aus gegebenem Anlaß" die Garantiefunktion des Strafgesetzes aushebelt.

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