LAG Köln: Unwirksame Anhörung des Betriebsrats

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.04.2015
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtKündigungBetriebsratsanhörung|2997 Aufrufe

Der Betriebsrat ist i.S. von § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat. Dazu gehören auch die dem Arbeitgeber bekannten, dem Kündigungsgrund widerstreitenden Umstände. Der Grundsatz der subjektiven Determinierung des Anhörungsverfahrens entbindet den Arbeitgeber nicht von seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflicht, den Betriebsrat zutreffend über die von ihm herangezogenen Kündigungsgründe zu unterrichten. Der Arbeitgeber muss seinen Wissensstand richtig an den Betriebsrat weitergeben. Ein aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung stellt keine ordnungsgemäße Anhörung dar. Aus diesen Gründen hat das LAG Köln der Kündigungsschutzklage einer Erzieherin/Ergänzungskraft stattgegeben.

Die Arbeitgeberin hatte das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen gekündigt. Nach ihrer Auffassung rechtfertigen die erheblichen Fehlzeiten der Klägerin die Annahme, sie werde auch in Zukunft in gleichem Umfang krankheitsbedingt fehlen. Die zu besorgenden betrieblichen und wirtschaftlichen Belastungen seien ihr nicht zuzumuten. Die Klägerin tritt dem entgegen und rügt u.a. die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. Dem folgt das LAG Köln:

Die Beklagte hat den Betriebsrat entgegen dem eigenen Kenntnisstand und damit bewusst unzutreffend über den Gesundheitszustand der Klägerin unterrichtet. Sie hat dadurch ein falsches Bild der gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin gezeichnet. Die Beklagte hat in dem Anhörungsschreiben vom 18.7.2013 die Kündigung nicht nur damit begründet, dass keine positive Prognose über den Gesundheitszustand der Klägerin vorgelegen habe. Sie hat darüber hinaus ausdrücklich betont, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin im letzten halben Jahr spürbar verschlechtert habe. Sie hat diesen Umstand zum Gegenstand ihres Kündigungsbegehrens gemacht. Diese Mitteilung gegenüber dem Betriebsrat lässt sich aber unter keinem Gesichtspunkt rechtfertigen. Die Beklagte hatte weder aufgrund von Äußerungen der Klägerin im ersten Halbjahr 2013 noch aus sonstigen Gründen einen nachvollziehbaren Anlass, diese inhaltlich unzutreffende Behauptung gegenüber dem Betriebsrat aufzustellen und damit die gesundheitliche Entwicklung im Falle der Klägerin zu überzeichnen und zu dramatisieren. Die Entwicklung der Fehlzeiten der Klägerin im ersten Halbjahr 2013 deutete nicht auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin hin. Im Gegenteil wies die Fehzeitenquote - trotz der ungelösten Arbeitsplatzkonflikte - eine spürbare Besserung auf. Die Fehlzeitenquote - gemessen an Arbeitstagen, bereinigt um Feiertage - der Klägerin lag im Jahr 2013 bis zum 12.7.2013 bei 12,8% gegenüber 32,3% im Jahre 2012, 21,8% im Jahre 2011 und 74,8% im Jahre 2010.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

(LAG Köln, Urt. vom 11.12.2014 - 11 Sa 493/14, BeckRS 2015, 67391)

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