Katholische Kirche entschärft ihr Arbeitsrecht im Hinblick auf Kündigungen wegen Loyalitätsverstößen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.05.2015

Die katholische Kirche reformiert ihr Arbeitsrecht und entschärft insbesondere Ahndung von Loyalitätspflichtverletzungen. Dies geht aus einem Beschluss der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) hervor. Diese hat sich auf ihrer Sitzung am 27. April 2015 für eine Änderung der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (Grundordnung – GrO) ausgesprochen. In der Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz heißt es hierzu:

„3.   Im Bereich des individuellen Arbeitsrechts sind die kirchenspezifischen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst den vielfältigen Veränderungen in der Rechtsprechung, Gesetzgebung und Gesellschaft angepasst worden. Schwerwiegende Verstöße gegen die Loyalitätsanforderungen können im Einzelfall entsprechende arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Loyalitätsanforderungen nicht mehr, so muss der kirchliche Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer auch in Zukunft zunächst anhören und prüfen, wie dem Pflichtenverstoß wirksam begegnet werden kann (Art. 5 Abs. 1 GrO). Bei der Ahndung von Loyalitätsverstößen gilt das Ultima-Ratio-Prinzip. Es besagt, dass die Beendigungskündigung eines Arbeitsverhältnisses nur das allerletzte Mittel ist. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle anderen denkbaren –  aus Sicht des Arbeitnehmers – milderen Mittel (z. B. Ermahnung, Abmahnung, Versetzung, Änderungskündigung usw.) auszuschöpfen, bevor er vom schärfsten Instrument der Beendigungskündigung Gebrauch macht.

4.    Welche Verstöße gegen die Loyalitätsanforderungen im Einzelnen als schwerwiegend anzusehen sind, wird im Gesetz beispielhaft, aber nicht abschließend aufgezählt (Art. 5 Abs. 2 GrO). Die Neufassung der Grundordnung unterscheidet zwischen Loyalitätsverstößen, die für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, und solchen, die nur von katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begangen werden können. Zu den schwerwiegenden Verstößen zählen z. B. das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung von Abtreibung oder von Fremdenhass), der Austritt aus der katholischen Kirche oder kirchenfeindliches Verhalten.

5.    Die erneute standesamtliche Heirat nach einer zivilen Scheidung ist zukünftig grundsätzlich dann als schwerwiegender Loyalitätsverstoß zu werten, wenn dieses Verhalten nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Dasselbe gilt für das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Diese Handlungen besitzen damit bei Vorliegen besonderer Umstände und damit nur in Ausnahmefällen Kündigungsrelevanz. Das ist z. B. der Fall, wenn objektive Gründe befürchten lassen, dass eine erneute standesamtliche Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft sich störend auf die Zusammenarbeit in der Dienstgemeinschaft auswirkt. Bei einer Wiederverheiratung können sich solche Umstände zum Beispiel ergeben aus der beruflichen Stellung des Mitarbeiters, aus der Art und Weise, wie der geschieden wiederverheiratete Partner mit dem Scheitern der Ehe bzw. Wiederheirat in der Öffentlichkeit umgeht oder wie er seine gesetzlichen Verpflichtungen aus seiner ersten Ehe erfüllt. Notwendig ist eine Gesamtbeurteilung.

Das kirchliche Arbeitsrecht kennt keine Kündigungsautomatismen. Ob bei einem Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten eine Weiterbeschäftigung möglich ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab.

Bei bestimmten Berufsgruppen bestehen erhöhte Loyalitätserwartungen. Hierzu zählen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die pastoral, katechetisch, aufgrund einer Missio canonica oder einer besonderen bischöflichen Beauftragung tätig sind. Ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß ist bei diesen Personengruppen in jedem Fall geeignet, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Insoweit bleibt es im Wesentlichen bei der bisherigen Rechtslage.

6.    Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird in Zukunft in jeder (Erz-)Diözese oder wahlweise in mehreren Diözesen gemeinsam eine zentrale Stelle geschaffen, die vor Ausspruch einer Kündigung aufgrund eines Loyalitätsverstoßes konsultiert werden soll (Art. 5 Abs. 4 GrO). Darüber hinaus enthält die Grundordnung eine Evaluierungsklausel (Art. 5 Abs. 5 GrO). Die Evaluierung dient dazu, die Wirkung des Gesetzes in der Praxis zu ermitteln. Sie erfolgt nach fünf Jahren.

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6 Kommentare

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Sicherlich ein zu begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung. Insbesonder würde dem Chefarzt im Fall BVerfG Az. 2 BvR 661/12* nicht mehr so einfach gekündigt werden können, weil er nicht unter die erhöhten Loyalitätserwartungen fällt. Da das BVerfG an das BAG zurückverwiesen hat, kann der Chefarzt möglicherweise doch noch von der geänderten Rechtslage profitieren.

Zu kritisieren ist m.E. die Trennung zwischen katholischen und nicht-katholischen Arbeitnehmern. Bei den weltlichen Mitarbeitern kann es keinen Unterschied machen, welcher Religion sie angehören.

* http://blog.beck.de/2014/11/23/bverfg-st-rkt-das-kirchliche-selbstbestim...

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Bleibt immer noch der Knackpunkt dass bei vielen Einrichtungen wo "katholische Kirche" draufsteht die Finanzierung zur Mehrheit aus öffentlichen Mitteln bzw. über öffentliche Haushalte erfolgt und daher sehe ich so eine Extrawurst wie kirchliches Arbeitsrecht dort kritisch....

bombjack

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bombjack schrieb:
Bleibt immer noch der Knackpunkt dass bei vielen Einrichtungen wo "katholische Kirche" draufsteht die Finanzierung zur Mehrheit aus öffentlichen Mitteln bzw. über öffentliche Haushalte erfolgt [...]

Mir ist das aus dem Bereich Kindergärten bekannt (gilt auch für evangelisch), und natürlich die Besoldung kirchlicher Würdenträger aus Steuermitteln. Gibt es weitere Beispiele?
Krankenhäuser dürften doch im Wesentlichen mit den Krankenkassen abrechnen, oder?

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MT schrieb:
Gibt es weitere Beispiele?

Die Katholische Universität Eichstätt fällt mir da noch ein. War mal Anfang der 90er (unter Braun, bevor Mixa Eichstätter Bischof wurde) dort beschäftigt. Damals wurde auch - zum ersten Mal wohl - eine evangelische (und langjährige) Angestellte der Universität in den Beamtenstatus "erhoben", was ihr vorher aus Konfessionsgründen verweigert worden war. Die Kirche finanziert die Uni zu 15 Prozent, sagt Wikipedia (und die Zahl deckt sich mit meinen Erinnerungen).

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@ bombjack: völlig richtig. Eine gGmbH ist eine gGmbH, egal ob das Grundkapital vom Roten Kreuz oder der Caritas stammt.

Eine wirkliche "Reform" ist das auch nicht, eher ein Anpassen an die erfolgte Rechtsprechung, nachdem das öffentlicher Echo auf solche Kündigungen - die auch als Bruch des Schikaneverbots aufgefasst werden konnten - verheerend war. Es liest sich eher wie eine PR-Maßnahme.

siehe auch

Struck, Die kirchliche Dienstgemeinschaft auf dem Prüfstand des Mitarbeitervertretungsgesetzes, ZRP 1992, 290-292

ders., Entwicklung und Kritik des Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich, NZA 1991, S.249 ff.

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