Akteneinsicht in Betreuungsakten für die StA Aachen: Muss die Direktorin des AG entscheiden...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.05.2015
Rechtsgebiete: AkteneinsichtStrafrechtVerkehrsrecht1|3576 Aufrufe

Ein bisschen wie beim Ping-Pong haben sich Richter und Direktorin ein Akteneinsichtsgesuch der StA Aachen gegenseitig zugeleitet. Das OLG Köln hat klargestellt: Die Direktorin muss entscheiden!

I.

Die Staatsanwaltschaft Aachen führt ein Ermittlungsverfahren – 1 Js 1128/14 – gegen die Betroffene I. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft Aachen am 19.09.2014 bei dem Amtsgericht Aachen Einsicht in das für die Betroffene bei dem Amtsgericht Aachen – 71 XIV 3296.L – geführte Betreuungsverfahren. Mit Schreiben vom 29.09.2014 lehnte der zuständige Abteilungsrichter die Aktenversendung ab unter Verweis auf die für einen Antrag auf Akteneinsicht seiner Auffassung zufolge zuständige Direktorin des Amtsgerichts, an welche der Antrag zu richten sei. Der nachfolgende Antrag der Staatsanwaltschaft vom 15.10.2014 auf Akteneinsicht an die Direktorin des Amtsgerichts Aachen wurde dort mit Verfügung vom 28.10.2014 wiederum dem Richter der Betreuungsabteilung zugeleitet mit der Bitte, „das Gesuch der StA Aachen … in eigener Zuständigkeit zu bearbeiten“. Mit Bescheid vom 07.01.2015 lehnte der fragliche Abteilungsrichter des Betreuungsgerichts die Akteneinsicht unter Berufung auf seine Unzuständigkeit ab und verwies unter Bezugnahme auch auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats auf die  Zuständigkeit der Direktorin des Amtsgerichts Aachen.

Mit ihrem am 11.02.2015 eingegangenen Antrag vom 05.02.2015 hat die Antragstellerin Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff EGGVG gestellt. Auf Hinweise des Senats hat die Antragstellerin klargestellt, dass sich ihr Begehren (nur) gegen die Direktorin des Amtsgerichts Aachen richtet mit dem Antrag, diese zu verpflichten, der Staatsanwaltschaft Aachen zu dem Ermittlungsverfahren 1 Js 1128/14 Akteneinsicht in die für die Frage der Schuldfähigkeit relevanten Bestandteile der Betreuungsakte 71 XIV 3296.L zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hält an ihrer Auffassung fest, dass für die Gewährung von Akteneinsicht im Wege der Amtshilfe in einem laufenden Verfahren der befasste Abteilungsrichter zuständig sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachstands wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Akten Amtsgericht Aachen – 71 XIV 3296.L – und Staatsanwaltschaft Aachen – 1 Js 1128/14 - Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist als Verpflichtungsantrag nach § 23 Abs. 2 EGGVG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Der Senat folgt, worauf er bereits hingewiesen hat, in ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12.02.2013 – 7 VA 8/12 – und vom 02.12.2013 – 7 VA 2/13) der herrschenden Meinung (vgl. Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 2. Aufl., § 13, Rn. 19; Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 13, Rn. 47 u. 73; Musielak/Borth, Familiengerichtliche Verfahren, 1. und 2. Buch, 3. Aufl., § 13, Rn. 1; Bahrenfuss in Bahrenfuss, FamFG, § 13, Rn. 9; OLG Hamm v. 7.10.2008 - 15 VA 7-9/08, FamRZ 2009, 806; BayObLG FamRZ 1998, 438), wonach der – wie hier – von einer nicht am Verfahren beteiligten Behörde gestellte Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sich als Amtshilfeersuchen gemäß Art. 35 Abs. 1 GG darstellt, über das der Vorstand des Gerichts, im Streitfall mithin die Direktorin des Amtsgerichts Aachen, zu entscheiden hat. Denn bei der Gewährung von Akteneinsicht an andere Behörden in laufenden Verfahren aufgrund von Amtshilfe handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt und nicht um richterliche Tätigkeit, wie nunmehr auch ausdrücklich in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 02.12.2014 – 1 BvR 3106/09 – (zitiert nach juris, dort Tz. 21) festgestellt.

Unerheblich ist, dass das Präsidium des Amtsgerichts Aachen mit Beschluss vom 23.10.2014 - der jedenfalls inzwischen als überholt anzusehenden Mindermeinung in Rechtsprechung und Literatur noch folgend - die Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche von Behörden grundsätzlich dem jeweiligen Abteilungsrichter zugewiesen hat. Soweit eine Delegation der Entscheidungsbefugnis in Betracht kommt, kann diese jedenfalls nicht von dem für Verwaltungsaufgaben der hier fraglichen Art unzuständigen Präsidium eines Gerichts wirksam angeordnet werden.

Da die Antragsgegnerin es pflichtwidrig unterlassen hat, in eigener Zuständigkeit über den an sie gerichteten Akteneinsichtsantrag zu entscheiden, war sie nunmehr nach Maßgabe des Tenors hierzu zu verpflichten.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss v. 27.03.2015 - 7 VA 1/15

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1 Kommentar

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Zunächst darf man der Staatsanwaltschaft dazu gratulieren, daß sie es vermocht hat, die Zulässigkeitshürden des § 23 EGGVG zu überwinden. Denn die Anforderungen an die Sachverhaltsdarstellung sind durchaus nicht ohne werden so manchem Antragsteller zum Verhängnis (vor allem, wenn er solche Anträge, wie die StA, normalerweise nicht stellen muß).

 

In der Sache ist erstaunlich, daß sich überhaupt einmal Richter Gedanken über die Gewährung von Akteneinsicht an die Staatsanwaltschaft machen. Üblicherweise wird mit Akteneinsicht an Behörden und private Dritte ein wenig zu großzügig umgegangen. Andererseits ging es ja hier gar nicht um eine inhaltliche Prüfung, sondern "nur" um die Frage der Zuständigkeit. Inhaltlich wurde dann wahrscheinlich gar nicht mehr geprüft, nachdem die ach so wichtige Zuständigkeitsfrage geklärt war... :-)

 

 

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