Sachgrundlose Befristung trotz Benennung eines Sachgrundes?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 03.06.2015
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtBefristungsachgrundlose Befristung1|4505 Aufrufe

Ein Arbeitsvertrag kann unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 TzBfG mit sachlichem Grund befristet abgeschlossen werden. Nach Maßgabe der folgenden Absätze ist auch die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses möglich. Diese Normen stellen einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht dar. Das bedeutet, dass von ihnen zwar nicht zum Nachteil, wohl aber zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Insbesondere darf der Arbeitgeber ausdrücklich darauf verzichten, von der Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung Gebrauch und die Wirksamkeit der Befristung damit davon abhängig zu machen, dass ein sachlicher Grund für sie streitet. Ob in der ausdrücklichen Benennung eines Sachgrundes im Arbeitsvertrag eine solche (konkludente) Abbedingung der Absätze 2 bis 3 des § 14 TzBfG liegt, wird uneinheitlich beurteilt (vgl. BAG v. 28.6.2000 - 7 AZR 920/98, NZA 2000, 1110; BAG v. 26.7.2000 - 7 AZR 51/99, NZA 2001, 546).

In einem Verfahren vor dem LAG Hamm streiten die Parteien um die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses. Im Arbeitsvertrag heißt es: "Folgende Sonderbedingungen gelten als vereinbart: … Befristungsgrund: Krankheitsvertretung für unsere Mitarbeiter Herrn U und Herrn L." Die Arbeitgeberin beruft sich zur Wirksamkeit der Befristung auf § 14 Abs. 3 TzBfG. Das ArbG Herne hat die Befristungskontrollklage der Arbeitnehmerin abgewiesen. Ihre Berufung beim LAG Hamm blieb ohne Erfolg:

Die Benennung eines Sachgrundes kann hier zwar ein wesentliches Indiz sein, reicht allerdings allein nicht zur Annahme eines Ausschlusses der sachgrundlosen Befristung aus. Es müssen im Einzelfall vielmehr zusätzliche Umstände hinzutreten (BAG, 29.06.2011, a. a. O., Rn. 20).

Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach den genannten Maßstäben die Parteien die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung nicht abbedungen haben. Anhaltspunkte für eine Einigung der Parteien dahin, dass mit dem Vorliegen des im Arbeitsvertrag angegebenen Sachgrundes oder überhaupt eines solchen die Befristung „stehen und fallen“ solle, sind nicht erkennbar. Auch die Klägerin konnte Entsprechendes nicht annehmen. Im Regelfall eines befristeten Arbeitsverhältnisses will eben der Arbeitgeber ein solches und gerade kein unbefristetes Vertragsverhältnis vereinbaren und daher die Befristung unter jedem möglichen rechtlichen Aspekt anstreben (BAG, 29.06.2011, a. a. O., Rn. 21). Im Übrigen folgt die Berufungskammer den zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

LAG Hamm, Urt. vom 11.12.2014 - 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386

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1 Kommentar

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Das LAG Hamm prüft und verneint u. a. auch die Frage, ob die Befristungsvereinbarung gegen die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB verstößt.

In diesem Punkt scheint mir die Entscheidung methodisch angreifbar.

Die Unklarheitenregel steht nämlich nach der Rechtsmeinung des OLG Hamm der Wirksamkeit der Befristungsabrede deshalb nicht entgegen, weil der expressis verbis in der betreffenden Klausel genannte Sachgrund der Befristung seinerseits nicht Vertragsbestandteil der Befristungsabrede geworden sei.

 

Dieses Argument ist deshalb fragwürdig, weil es - man braucht nur die Kommentierung von Grüneberg, in: Palandt, 74. Aufl. 2015, Rn. 16 zu § 305 c BGB zu lesen - keinen Rechtssatz dahingehend gibt, wonach eine AGB-Klausel, die durch missverständliche Zusätze verdunkelt wird, etwa deshalb nicht unklar sei, weil diese Zusätze ihrerseits nicht Vertragsinhalt wurden. Dass das vom LAG Hamm gepflegte Verständnis nicht Inhalt der gesetzlichen Anordnung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB sein kann, ergibt sich aus Folgendem:

 

Die Unklarheitenregel kommt ohnehin nur dann zum Einsatz, wenn nach Ausschöpfung der betreffenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel besteht: dann und nur dann geht dies nach § 305 c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Auslegungsmethoden, die hier zum Einsatz kommen, sind, obwohl AGB keine Rechtsnormen, sondern Vertragsbedingungen sind, nach ganz h. M. und einhelliger Rspr. nicht diejenigen nach den §§ 133, 157 BGB, sondern die der objektiven Auslegung. Danach sind AGB nach den Verständnismöglichkeiten eines nicht rechtlich vorgebildeten Durchschnittskunden/-verbrauchers/-arbeitnehmers einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut vom verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweisen beteiligten Kreise verstanden wird (Palandt a. a. O. m. w. N.). Die Entscheidung, bestimmte Passagen in AGB (sozusagen nach Art des blue-pencil-Tests) von der objektiven Auslegung auszunehmen aufgrund der Vorentscheidung, sie seien ja kein Vertragsbestandteil, ist mit dem Gebot einer objektiven Auslegung von AGB folglich nicht in Einklang zu bringen, zumal das Herauspräparieren (vermeintlich oder wirklich) nicht Vertragsinhalt gewordener Teile von AGB ihrerseits auf einer Auslegung beruht, und zwar nicht der vom Gesetz vorgegebenen.

 

In dem Fall BGH NJW 1998, 2207 wurde die Klausel "Verkäufer sichert zu, dass das Kfz, soweit ihm bekannt, eine Gesamtfahrleistung von x km ausweist" unter Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB beim gewerblichen Händler trotz des Zusatzes "soweit ihm bekannt" als vertragliche Zusicherung zulasten des Verwenders ausgelegt. Nach der Methode des LAG Hamm könnte man dagegen nach freiem Belieben den verbraucher-/arbeitnehmerschützenden Zweck der AGB-Kontrolle desavouieren. Man müsste in dem Beispielsfall nur argumentieren, gerade der Passus "soweit ihm bekannt" sei nicht Vertragsinhalt geworden, z. B. mit der Begründung, hierbei handele es sich nur um eine Wissenserklärung und nicht um eine Willenserklärung. Schon wäre gerade der Teil, der die Klausel unklar macht und mehrere Auslegungsergebnisse erlaubt, der AGB-Kontrolle entzogen. Wäre dies richtig, müsste man fortan in der rechtlichen Beratung die Verwender geradezu ermuntern, ihre Klauseln um missverständliche Zusätze anzureichern, solange erkennbar bleibt, dass die Zusätze nicht selbst zum Vertragsinhalt gehören. 

 

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