Nachträgliche Klagezulassung bei verloren gegangener Kündigung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 10.06.2015

Eine schriftlich erklärte Kündigung geht dem Arbeitnehmer nach § 130 Abs. 1 BGB zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er die Möglichkeit hat, vom Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt auch der Lauf der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG. Ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt die Kenntnisnahme tatsächlich erfolgt, ist unerheblich. Allerdings ist die Klage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG). Ein solcher Fall kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn ein Mehrfamilienhaus nur über einen Briefkastenschlitz verfügt, durch den die Post für alle Mieter zugestellt wird. Hier mag es vorkommen, dass andere Mitmieter die Post versehentlich (oder gar absichtlich) an sich nehmen und dadurch verhindern, dass der Arbeitnehmer Kenntnis von ihrem Inhalt erhält.

Allerdings kann auch die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des der Klageerhebung entgegen stehenden Hindernisses beantragt werden (§ 5 Abs. 3 KSchG). Das LAG Hamm hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob diese Frist schon dann zu laufen beginnt, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb erfährt, dass er eine Kündigung erhalten hat, ihm diese selbst aber nicht zur Kenntnis gelangt ist. Das LAG meint:

Gelangt ein Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten des Arbeitsnehmers und geht dieses aus ungeklärten Gründen vor tatsächlicher Kenntnisnahme verloren, so kann die Klagezulassungsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG unter Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles bereits dann beginnen, wenn der Arbeitnehmer von einer nach ihrer Stellung im Unternehmen als zuständig und informiert einzuschätzenden Person mündlich im Detail über Kündigungsart, Kündigungsdaten und Zustellungsmodalitäten informiert wird.

(LAG Hamm, Urt. vom 18.12.2014 - 8 Sa 432/14, BeckRS 2015, 68701)

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