AG Bonn - TK-Anbieter ist bei ungewöhnlichen Nutzungsverhalten zur Verbindungstrennung verpflichtet: Cut-off bei €150?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 22.06.2015

Ob dieses Urteil bei albtraumhaften Telefonrechnungen hilft? Nach Auffassung des Gerichts habe die Klägerin (ein Mobilfunk-Anbieter) ihre vertraglichen Nebenpflichten dadurch verletzt, dass sie die Internetverbindung trotz des ungewöhnlichen Nutzungsverhaltens – welches zu einer Kostenexplosion führte –, ab einem Betrag von 178,50 €  nicht sperrte bzw. den Beklagten nicht zuvor etwa per SMS warnte.

Das AG führte dazu aus, dass insbesondere in Dauerschuldverhältnissen beide Vertragspartner eine Fürsorgepflicht dahingehend treffe, möglichst Schaden von der anderen Seite abzuwenden. Daraus ergebe sich für den jeweiligen Vertragspartner die Verpflichtung, möglichst kurzfristig auf ein schadensträchtiges Verhalten der anderen Seite zu reagieren.  

Für diese Fürsorgepflicht spricht auch, dass der Beklagte ein Nutzungsverhalten an den Tag gelegt habe, dass im krassen Widerspruch zu dem von ihm gewählten „Internet by call“ Tarif stand. Es hätte sich der Klägerin aufdrängen müssen, dass hier eine offensichtlich ungewollte Selbstschädigung vorlag, denn ein vernünftiger Kunde hätte bei einem derartigen Nutzungsverhalten eine Flatrate gewählt.

Die Grenze liegt für das Gericht bei €150. Für ein im Inland automatisch eingewähltes Mobiltelefon war dieser Betrag auf das Dreifache des Betrages der EU-Verordnung anzuheben, da sich -anders als im Ausland- dem Mobilfunkanbieter eine automatische Einwahl im Inland und damit eine ungewollte Selbstschädigung des Kunden nicht so schnell aufdrängen muss wie im Ausland.  Die EU-Roaming Verordnung II (EG) Nr. 544/2009 sieht einen Betrag von 50,00 € zuzüglich  MWSt vor.

Fundstelle: AG Bonn: 104 C 432/13 (mittlerweile rechtskräftig). Vielleicht kennen Sie ja noch weitere neue Urteile zu dem Themenkreis...

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7 Kommentare

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Bereits 2012 hat das KG festgestellt (https://dejure.org/2012,17518), dass die Nutzung einer Prepaid-Telefonkarte für 10,00 EUR nicht zu einer Folgerechnung von über 14.000,00 EUR führen darf. Der Beklagte musste 10 EUR (+ Zinsen) zahlen.

Aus dem Bereich Drittanbieterleistungen (Sexdienstleistung, ein Klingelton- oder ähnliches Abos), die mit über die Handy-/Telefonrechnung abgerechnet werden:

http://www.kanzlei-rader.de/2014/01/2799/

Interessant zum einen, dass man die Abrechnung der besagten Drittanbieterleistungen über die Handyrechnung von seinem Telekommunikationsanbieter kostenfrei sperren lassen kann (§ 45d Abs. 3 TKG). Zum anderen muss der Telekommunikationsanbieter auf Anfrage kostenfrei Namen und ladungsfähige Adresse des Drittanbieters nennen. Sitzt der Drittanbieter im Ausland, muss ein Zustellungsbevollmächtigter im Inland benannt werden (§ 45p TKG).

Der Telekommunikationsanbieter muss sich die im Verhältnis des Kunden zu dem Drittanbieter bestehenden Einwendungen entgegenhalten lassen. Eine hiervon abweichende Regelung wäre insbesondere unter Berücksichtung der in § 15 Abs. 3 TKV (a.F., jetzt §45h Abs. 3 TKG) enthaltenen Wertung gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BGH, 16.11.2006 - III ZR 58/06).

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Aus der Praxis für die Praxis folgender Fall, dessen Sachverhalt mich bei Mandatsannahme in Kenntnis der Rechtsprechung sehr verwunderte.

Ein bundesweit tätiger Arbeitgeber, den jeder kennt und der ein gutes Renommee hat, hat in einem von mir auf Arbeitnehmerseite vertretenen Fall einen Mitarbeiter seiner Mannheimer Filiale fristlos entlassen, weil dieser über sein dienstliches Mobiltelefon plötzlich nach vorher völlig moderatem Konsum über zwei Monate ca. 7.000,00 EUR an Kosten produzierte, für die er keine Erklärungen hatte. Gegen die von mir im Namen des Arbeitnehmers vor dem Arbeitgericht Mannheim erhobene Kündigungsschutzklage erhob der Arbeitgeber widerklagend Zahlungsklage auf o. g. Summe.

Unstreitig hatte der Mobilfunkanbieter - ebenfalls ein renommiertes Unternehmen - keine Warnungen ausgesprochen, d. h. der Arbeitgeber hatte nicht etwa die an ihn als Kunden gegangenen Warnungen nicht an den Mandanten weitergegeben, vielmehr erfolgten solche Warnungen schon vom Anbieter überhaupt nicht, geschweige denn, dass man den Anschluss rechtzeitig gesperrt hätte. 

Die Sache wurde verglichen, aber der telekommunikationsrechte Aspekt war ein gutes Argument, um die Widerklageforderung herunterzuhandeln. 
 

Interessierter Leser schrieb:

Hallo Herr Bender,

 

war denn die Kündigungsschutzklage erfolgreich?

 

 

 

Wie ich schon schrieb: die Sache wurde verglichen. Also Klage und Widerklage.

Die BNetzA sieht - aus dem Kopf - momentan einen Betrag vor, der über 500% des üblichen Nutzungsverhaltens liegt. Erst dann dürfe über eine Sperre nachgedacht werden und das auch nur, wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Teilnehmer diese Entgeltforderung beanstanden wird." (Zitat aus § 45k IV TKG).

 

Ich bin gespannt, was nach der geplanten TranparenzVO nach § 45n I TKG sein wird.

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Ich verstehe das Problem überhaupt nicht.

Jeder seriöse Anbieter gibt seinen Kunden von sich aus die Möglichkeit ein solches Kostenlimit zu setzen. Wer das nicht tut ist meiner Meinung nach selber Schuld.

Ich für meinen Teil möchte darauf verzichten, dass mein Nutzungsverhalten alle Nase lang analysiert wird, da der nächste Schritt, nämlich die Daten (natürlich anonymisiert) zu Forschungszwecken *hust* weiterzugeben dann auch nicht mehr weit entfernt ist.

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Herr Kreß schrieb:

Ich verstehe das Problem überhaupt nicht.

Jeder seriöse Anbieter gibt seinen Kunden von sich aus die Möglichkeit ein solches Kostenlimit zu setzen. Wer das nicht tut ist meiner Meinung nach selber Schuld.

Nach dem was ich ergoogeln konnte gibt es die Möglichkeit nicht bzw. nur eingeschränkt:

http://praxistipps.chip.de/telekom-kostenlimit-einrichten-geht-das_33924

http://praxistipps.chip.de/vodafone-kostenlimit-einrichten-geht-das_33941

http://praxistipps.chip.de/o2-kostenlimit-einrichten-geht-das_34082

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