Verteidigervollmacht "geht" auch nur rechtsgeschäftlich...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.07.2015

Bei Vollmachtsproblemen sollte man natürlich immer das VollMachtsBlog konsultieren. Hier finden sich zahlreichenVollmachtsentscheidungen. Bei OLG Hamm ging es auch um Vollmachtsfragen. Das OLG konnte sich kurz fassen - hat aber auch nochmals bekräftigt, dass neben der schriftlich sich bei der Akte befindenden Verteidiger(zustellungs)vollmacht auch eine rechtsgeschäftliche Vollmacht für Zustellungen ausreichen kann:

Es kann dahinstehen, ob die Verfolgungsverjährung als Institut des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts oder als eine Mischform aus beidem anzusehen ist (vgl. dazu: Fischer, StGB, 61. Aufl., Vor § 78 Rdn. 3). Jedenfalls sind nach § 80 Abs. 5 OWiG Verfahrenshindernisse, die vor Erlass des Urteils im ersten Rechtszug ergangen sind, dazu zählt auch die hier geltend gemachte Verjährung, im Zulassungsverfahren unbeachtlich, es sei denn es läge gerade im Hinblick darauf ein Zulassungsgrund vor (OLG Hamm NJW 1995, 2937). Hier ist zur Fortbildung des Rechts insoweit eine Zulassung nicht geboten. Dass eine Zustellung an den Wahlverteidiger,  dessen Verteidigervollmacht sich bei den Akten befindet (hier: Rechtsanwalt T), erfolgen kann, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 51 Abs. 3 OWiG). Dass auch eine Zustellung im Einzelfall an einen Rechtsanwalt, dessen Verteidigervollmacht sich nicht bei den Akten befindet, dem aber rechtsgeschäftlich eine Zustellvollmacht, die nachgereicht werden kann, erteilt wurde, ist allgemein anerkannt (vgl. nur: Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 51 Rdn. 44a). Es ist auch obergerichtlich anerkannt, dass in bestimmten Konstellationen, in denen in den Akten zwar eine Vollmacht (ohne Zustellvollmacht) vorhanden ist, sich aber erst aus der Hinzuziehung weiterer Umstände zweifelsfrei ergibt, dass es sich um eine Verteidigervollmacht handelt, eine Zustellung an diesen Verteidiger wirksam sein kann (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2009, 295; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.04.2008 – 1 Ss 51/08 = BeckRS 2008, 09911). Ein solcher Fall dürfte hier nicht vorgelegen haben, da sich bzgl. Rechtsanwältin H keine Vollmachtsunterlagen in den Akten befinden. Auch ist nicht erkennbar, dass – wovon das Amtsgericht ausgeht – eine Unterbevollmächtigung von Rechtsanwältin H stattgefunden hat. Hierbei handelt es sich indes um eine Tatsachenfrage, nicht um eine Rechtsfrage, bzgl. der eine  Fortbildung des Rechts stattfinden könnte.

OLG Hamm, Beschl. v. 14.4.2015 - 1 RBs 65/15

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Vielen Rechtsanwälten und Richtern ist auch nicht bekannt, daß die nur mündlich erteilte allgemeine Vertretungsvollmacht auch die Vollmacht umfaßt, sich selbst eine schriftliche Vollmacht im Namen des Mandanten auszustellen.  Wenn also einmal (selten) der Mangel einer schriftlichen Vollmacht gerügt werden sollte, ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, sich selbst im Namen und im Auftrag des Vertretenen eine Vollmacht auszustellen und diese zu den Akten zu reichen (BayOLG, NStZ 2002, 277; OLG Dresden, Beschluß vom 21.08.2012, 3 Ss 336/12).

 

Kurios. Denn die in manchen Verfahrensordnungen vorgeschriebene schriftliche Vollmacht wäre weitgehend ohne Wert, wenn der Anwalt sie sich auch im Namen des Mandanten selbst ausstellen kann. Könnte man demgegenüber als Gericht nicht die Auffassung vertreten, daß aber nachgewiesen werden müsse, daß die allgemeine mündliche Vollmacht auch die Vollmacht enthält, sich selbst im Namen des Mandanten eine schriftliche Vollmacht auszustellen?  Wohl nicht, denn mit der Beauftragung eines Anwalts erklärt der Mandant selbstredend, daß er diesen für alle Prozeßhandlungen wirksam  und vollumfänglich bevollmächtigt, ohne sich über einzelne Fragen der Bevollmächtigung Gedanken zu machen. Der auftretende Anwalt erklärt hingegen konkludent, uneingeschränkt bevollmächtigt zu sein und alle rechtserheblichen Handlungen und Erklärungen für den Mandanten abgeben zu können (die dieser sich im Zweifel auch zurechnen lassen muß, selbst wenn er nicht damit einverstanden war).

 

 

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