Ermittlungen des GBA wegen Landesverrats - Schlag ins Wasser

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 01.08.2015

Gegen die zwei Betreiber des Blogs "netzpolitik.org" hat der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats eingeleitet. Zum Tatvorwurf und dazu, was von der Subsumtion unter § 94 StGB übrig bleibt (= fast nichts) habe ich hier im Beck-Blog schon vorgestern Stellung genommen. Innerhalb kürzester Zeit haben der schon seit zehn Tagen online gestellte Beitrag zum GBA und den Ermittlungen wegen der NSA-Affäre und die mehrfach aktualisierten Updates tausende neue Leser bekommen, die Nachricht und der Link zum hiesigen Beitrag verbreitete sich hauptsächlich über twitter.

Nach und nach haben vorgestern und gestern beinahe alle großen Medienwebsites, Sender und Printmedien weitere juristische Stellungnahmen zum Ermittlungsverfahren publiziert, alle mit demselben Tenor: Der Verdacht des Landesverrats ist geradezu abwegig, ein Ermittlungsverfahren wegen § 94 StGB hat keine Grundlage, die Ermittlungen sind ein Schlag ins Wasser.  Sogar der Justizminister hat sich gestern mit dieser Tendenz geäußert. Deutlich wurde jetzt auch: Die Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz richtete sich gegen "Unbekannt" und zielte vornehmlich darauf, das Leck im Geheimnisschutz aufzudecken. Die fragwürdige Ermittlungsrichtung gegen die Netzpolitik-Blogger Beckedahl und Meister und damit die Bedrohung der Pressefreiheit hat der GBA zu verantworten. Die Empörung ist wohl auch deshalb so groß, weil dieselbe Behörde bei den bekannt gewordenen Spionagevorwürfen gegen die NSA sich so auffällig zurückhält.

Nach dem sehr starken Medienecho und der Reaktion des Bundesjustizministers ruderte der GBA gestern erkennbar zurück und verkündete, es würden vorerst keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen stattfinden. Die FAZ titelte sogar, das Verfahren werde "gestoppt". Aber ein solcher "Ermittlungsstopp" oder ein "Ruhen" der Ermittlungen ist in der StPO nicht vorgesehen.

Wenn erkannt wird, dass die Ermittlungen ohnehin nicht zum Ergebnis einer Strafbarkeit führen können, z.B. weil die Annahme, es handele sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheminisse sich als falsch herausstellt, oder andere Voraussetzungen des Tatbestands klar zu verneinen sind, dann kommt nur eine Entscheidung in Betracht: Die umgehende Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO.

Aber auch wenn diese wohl richtige Entscheidung alsbald getroffen wird, wird wohl jetzt die Frage aufgeworfen werden, ob der derzeitige Inhaber des Amts Generalbundesanwalt noch politisch tragbar ist.

 

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228 Kommentare

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Aus dem Tagesschau-Bericht:

http://www.tagesschau.de/inland/netzpolitik-ermittlungen-115.html

"Anders als bisher dargestellt, wusste das BMI auch, dass der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrates gegen die Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister eingeleitet hatte. Das dem BMI unterstehende Bundeskriminalamt (BKA) habe die zuständige Fachabteilung schon im Juni informiert, dass es vom Generalbundesanwalt (GBA) mit den konkreten Ermittlungen wegen Landesverrats beauftragt worden sei."

Damit ist auch widerlegt, es habe keinerlei Ermittlungstätigkeit seitens des GBA gegen die Journalisten gegeben, weil man zunächst das Ergebnis des Gutachtens habe abwarten wollen (und damit die Begründung der Zuständigkeit des GBA). Offenbar wurde das BKA vom GBA spätestens schon im Juni mit "konkreten Ermittlungen" beauftragt.

Neskovic: "Verfassungsrechtliche Analphabeten"
http://www.heise.de/tp/artikel/45/45649/1.html

Mit diesem Vorwurf will Herr Range ganz offensichtlich den Eindruck erwecken, die Weisung des Justizministers sei rechtswidrig gewesen. Wenn er dieser Auffassung ist, dann trifft ihn die so genannte beamtenrechtliche Remonstrationspflicht, d.h. er hätte eine Gegenvorstellung oder eine Einwendung gegen die Weisung erheben müssen. Er hat nicht mitgeteilt, dass er von dieser beamtenrechtlichen Verpflichtung Gebrauch gemacht hat.

Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er eine solche Gegenvorstellung unterlassen hat. Bei der gegebenen Sachlage wäre ansonsten zu erwarten gewesen, dass er die Öffentlichkeit über diesen Schritt unterrichtet hätte. Mit dem Vollzug der behaupteten Weisung und dem Verzicht auf eine Remonstration, die eine beamtenrechtliche Pflicht darstellt, räumt er aber gleichzeitig ein, dass er die Weisung für rechtmäßig hält.

Ist das so, dann ist es schon ein dreistes Verhalten, den Bundesjustizminister in der Öffentlichkeit in dieser demagogischen Weise zu attackieren.

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Wenn dem so ist, sein sollte, wie der streitbare BGH-Ri i.R. Neskovic schreibt, dann fragt sich, wie sich der übermittelte kollektive Applaus der versammelten Bundesanwälte (siehe Leyendecker in der SZ, gestern) ob des öffentlichen Widerstands des (damals noch im Amt befindlichen) GBA gegenüber dem JMi erklärt.

 

Hier ist der LINK

http://www.sueddeutsche.de/politik/landesverrats-ermittlung-gegen-netzpo...

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mkveits schrieb:

Wenn dem so ist, sein sollte, wie der streitbare BGH-Ri i.R. Neskovic schreibt, dann fragt sich, wie sich der übermittelte kollektive Applaus der versammelten Bundesanwälte ... ob des öffentlichen Widerstands des (damals noch im Amt befindlichen) GBA gegenüber dem JMi erklärt.

Steht doch im letzten Satz des SZ-Artikels: sie wollen sich nicht auf die Finger schauen lassen.
Wie Prof. Müller richtig schrieb: Macht braucht Kontrolle; die Exekutive durch politische Verantwortung und der Öffentlichkeit gegenüber.

Wenn dem so ist, sein sollte, wie der streitbare BGH-Ri i.R. Neskovic schreibt, dann fragt sich, wie sich der übermittelte kollektive Applaus der versammelten Bundesanwälte (siehe Leyendecker in der SZ, gestern) ob des öffentlichen Widerstands des (damals noch im Amt befindlichen) GBA gegenüber dem JMi erklärt.

Nichts einfacher als das: Viele Staatsanwälte und Richter wollen die Affäre nun als Aufhänger nutzen, ihrem alten Ziel "Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft" näher zu kommen. Auch die diversen Äußerungen der Richter- und Staatsanwaltsvereine richten sich nur vordergründig gegen Maas. In Wahrheit geht es um rechtspolitischen Aktivismus. Siehe etwa die diversen Äußerungen von T.H., RiLG im Blog von RA Hoenig: "Oberste Priorität müsste die Abschaffung des Weisungsrechts für die Justizminister haben. Nächster Schritt wäre die Abschaffung von Berichts- und Vorlagepflichten an übergeordnete Behörden." (http://goo.gl/y3w68j)

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Sehr geehrter Herr Lemmer, sehr geehrter Herr MT,

Sie stimmen also überein, dass StA und Gerichte entflechtet werden müssen, meinen aber beide, dies habe mit der Unabhängigkeit der Staatsanwälte von politischen Weisungen nichts zu tun. Man könne also letzteres fordern, ohne dass dies Einfluss auf die andere Forderung habe. Dies ist aber  eine fehlgehende Annahme: Die personelle Verflechtung von Staatsanwaltschaften und Gerichten wird gerade dann erst richtig "gefährlich", wenn das Weisungsrecht und damit eine externe Kontrollmöglichkeit  fehlt. Denn dann besteht für die (dann insgesamt nur noch als "Justiz" firmierende einheitliche Macht) keinerlei Anlass mehr, eigenes Unrecht und Fehler aufzudecken. Denn durch das politische Weisungsrecht erlangt (indirekt) auch die Öffentlichkeit ein bisschen Kontrolle. Der Widerstand des Bay. Richtervereins gegen die Aufdeckung des Justizunrechts im Fall Mollath macht das deutlich.

Macht ohne Kontrolle - das ist das Problem. Und wenn man eine (mögliche) Kontrolle wegnimmt, weil man gewählten Politikern nicht trauen mag, dann muss es innerhalb der Justiz zwei divergierende sich gegenseitig kontrollierende Apparate geben. Man gibt die Kontrollmöglichkeit vollkommen preis, wenn es nur noch einen Block gibt, der StA und Gerichte umfasst. Das wird besonders deutlich, wenn sich die Justiz gegen ein anderes (mögliches) Kontrollorgan, die Presse, richtet. Daher halte ich es für rechtspolitisch verfehlt, gerade jetzt eine "Unabhängigkeit" der Staatsanwaltschaft zu fordern, wo die Kontrolle durch Öffentlichkeit und Politik einmal funktioniert hat.

Ich hoffe, nicht wieder Missverständnisse auszulösen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Also vor allem sollte jetzt mal der Gesetzgeber zurücktreten. Denn der ist doch an allem schuld. Da macht der ein Gesetz, das die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen unter Strafe stellt. Einfach so. Ohne jede Ausnahme für Journalisten (wie es sie bei normalen Dienstgeheimnissen gibt). Haben die sich gar keine Gedanken gemacht, dass das Journalisten einschüchtern kann?? Womöglich geht demnächst ein Journalist her und unterlässt die Publikation eines Staatsgeheimnisses, bloß weil er sich der Drohung mit Kriminalstrafe ausgesetzt sieht. Ist das noch Pressefreiheit, frage ich? Oder jetzt die armen Leute von “netzpolitik.org”: Da finden die bei Oma auf dem Dachboden die Strategieplanung des Inlandsgeheimdienstes und stellen die, ohne sich groß was dabei zudenken, so wie sie ist ins Internet, und schon werden sie mit einem Ermittlungsverfahren überzogen!? Ist das noch gerecht? Bloß weil sie die Welt ein wenig über das illegale Treiben dieser Finsterlinge vom Geheimdienst informieren wollten? Das muss man doch dürfen! Also, wie gesagt, wir brauchen jetzt erstmal einen neuen Gesetzgeber, der hier ein bisschen Remedur schafft.

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@Gastmann

Sie reden, wie schon die ganze Zeit, am Fall vorbei. Ihr Feindbild "Internetgezeter setzt sich durch" etc. kann nicht ersetzen, die Fakten des konkreten Falles zur Kenntnis zu nehmen. Ich stimme Ihnen in dem Ausgangspunkt zu, daß es fatal wäre, wenn sich die Vorstellung durchsetzen würde, "Journalisten dürfen alles". Das wäre gefährlich (nicht zuletzt für die Journalisten). Darum geht es aber im vorliegenden Fall nicht (außer, man liebt es zu verfälschen).

Vielleicht können Sie einfach mal schlüssig erklären, wie ein Dokument, das von der ausgebenden Stelle nicht als Staatsgeheimnis klassifiziert worden ist, in einem Rechtsstaat zur Strafbarkeitsbegründung zu einem solchen umdeklariert werden kann, wenn es veröffentlicht wurde?

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OGarcia schrieb:
Vielleicht können Sie einfach mal schlüssig erklären, wie ein Dokument, das von der ausgebenden Stelle nicht als Staatsgeheimnis klassifiziert worden ist, in einem Rechtsstaat zur Strafbarkeitsbegründung zu einem solchen umdeklariert werden kann, wenn es veröffentlicht wurde.
Das ist eine jetzt mal gute Frage, die mich auch schon beschäftigt hat (und zu der ich im Kommentar nichts gefunden habe): Kann nur das ein Staatsgeheimnis im Rechtssinne sein, wo "geheim" drauf steht?

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Gastmann schrieb:

OGarcia schrieb:
Vielleicht können Sie einfach mal schlüssig erklären, wie ein Dokument, das von der ausgebenden Stelle nicht als Staatsgeheimnis klassifiziert worden ist, in einem Rechtsstaat zur Strafbarkeitsbegründung zu einem solchen umdeklariert werden kann, wenn es veröffentlicht wurde.
Das ist eine jetzt mal gute Frage, die mich auch schon beschäftigt hat (und zu der ich im Kommentar nichts gefunden habe): Kann nur das ein Staatsgeheimnis im Rechtssinne sein, wo "geheim" drauf steht?

Das glaube ich nicht. Ich ziehe meine Argumentation dazu, noch aus dem Blickwinkel Vorsatz, von oben herunter:

Quote:

Wenn man Anhaltspunkte dafür hat, daß objektiv ein Staatsgeheimnis vorliegt (was ich, wie Sie, hier für hanebüchen halte), dann kann man auf der subjektiven Ebene bei verschiedenen Beteiligten unterscheiden. Ich würde nicht bei der "überschießenden Innentendenz" der Nachteilsabsicht ansetzen. Denn wenn die fehlt, dann greift anstelle von § 94 StGB § 95 ein. Und wenn sogar der einfache (zumindest bedingte) Vorsatz hinsichtlich der Nachteilsgefahr fehlt, dann gibt es noch den "Auffangtatbestand" des § 97 StGB. Was im Falle der Betreiber von netzpolitik.org hingegen mit Sicherheit fehlt, ist der (auch nur bedingte) Vorsatz, daß das veröffentlichte Material ein Staatsgeheimnis ist (§ 93 Abs. 1 StGB). Und insoweit ist Fahrlässigkeit nicht strafbar (aber auch die würde m.E. fehlen). Denn wenn die Unterlagen sogar amtlicherseits die Geheimhaltungsstufe (https://de.wikipedia.org/wiki/Geheimhaltungsstufe ) "Vertraulich" erhalten haben im Unterschied zu der Stufe "Geheim" oder "Streng geheim", dann muß niemand auch nur damit rechnen, daß "die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" besteht (es sei denn, er hat ein Sonderwissen gegenüber dem Fachmann, der die Einstufung vorgenommen hat). Zur Klarstellung: Die Geheimhaltungsstufe gehört nicht unmittelbar zu den Voraussetzung einer Strafbarkeit, auch gar nicht eingestufte Dokumente können sicherlich Staatsgeheimnisse sein. Wenn sie aber eingestuft sind, dann schlägt dies jedenfalls im subjektiven Tatbestand durch.

Von 1936 bis 1969 war es strafbar, als vertraulich gekennzeichnete amtliche Schriftstücke zu veröffentlichen, wenn dadurch ein Gefährdungserfolg eintritt (http://lexetius.com/StGB/353c,4). Dann wurde dies entkriminalisiert und nur noch die Strafbarkeit für die Veröffentlichung von als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnete amtliche Schriftstücke beibehalten (http://lexetius.com/StGB/353c,3). 1980 wurde auch sie abgeschafft (http://lexetius.com/StGB/353c) und es blieb nur noch die Strafbarkeit der Veröffentlichung eines "Staatsgeheimnisses". Auch wenn es sich um einen materiellen Begriff handelt und keine Einstufung vorausgesetzt ist, zeigt bereits die Gesetzgebungsgeschichte, daß es ein Stufenverhältnis gibt, auf das man sich im Normalfall verlassen können muß. Alles andere wäre geradezu Willkür in der Anwendung des Strafgesetzes. Und wer will die schon?

 

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OGarcia schrieb:

Das glaube ich nicht. Ich ziehe meine Argumentation dazu, noch aus dem Blickwinkel Vorsatz, von oben herunter:

Wenn man Anhaltspunkte dafür hat, daß objektiv ein Staatsgeheimnis vorliegt (was ich, wie Sie, hier für hanebüchen halte), dann kann man auf der subjektiven Ebene bei verschiedenen Beteiligten unterscheiden. Ich würde nicht bei der "überschießenden Innentendenz" der Nachteilsabsicht ansetzen. Denn wenn die fehlt, dann greift anstelle von § 94 StGB § 95 ein. Und wenn sogar der einfache (zumindest bedingte) Vorsatz hinsichtlich der Nachteilsgefahr fehlt, dann gibt es noch den "Auffangtatbestand" des § 97 StGB. Was im Falle der Betreiber von netzpolitik.org hingegen mit Sicherheit fehlt, ist der (auch nur bedingte) Vorsatz, daß das veröffentlichte Material ein Staatsgeheimnis ist (§ 93 Abs. 1 StGB). Und insoweit ist Fahrlässigkeit nicht strafbar (aber auch die würde m.E. fehlen). Denn wenn die Unterlagen sogar amtlicherseits die Geheimhaltungsstufe (https://de.wikipedia.org/wiki/Geheimhaltungsstufe ) "Vertraulich" erhalten haben im Unterschied zu der Stufe "Geheim" oder "Streng geheim", dann muß niemand auch nur damit rechnen, daß "die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" besteht (es sei denn, er hat ein Sonderwissen gegenüber dem Fachmann, der die Einstufung vorgenommen hat). Zur Klarstellung: Die Geheimhaltungsstufe gehört nicht unmittelbar zu den Voraussetzung einer Strafbarkeit, auch gar nicht eingestufte Dokumente können sicherlich Staatsgeheimnisse sein. Wenn sie aber eingestuft sind, dann schlägt dies jedenfalls im subjektiven Tatbestand durch.

Das ist nur halb richtig. Vorsatz (Kenntnis) muss bezüglich der tatbestandlichen Merkmale der Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen. Der Täter muss die Bewertung eines Sachverhalts als „Staatsgeheimnis“ nicht vollziehen. Es reicht die Kenntnis und Billigung der sie tragenden Tatsachen. Er muss nur wenigstens billigend in Kauf nehmen, dass der in Betracht kommende Sachverhalt nicht allgemein zugänglich und aus den Gründen, die das Geheimnis zu eibnem Staatsgeheimnis machen, geheimhaltungsbedürftig ist. Nicht erforderlich ist, dass der Täter die von ihm verratenen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse rechtlich zutreffend als Staatsgeheimnis bewertet (das betrifft nur das Vorliegen eines Verbotsirrtums). Es genügt, wenn er die einer solchen Wertung zugrunde liegenden Umstände kennt (Schmidt in LK, § 94 Rn. 11). Da mag es einer Verteidigung zwar helfen, wenn nur "vertraulich" und nicht "geheim" auf dem Papier steht. Dass allein genügt aber nicht, um ohne weitere Ermittlungen zu den Umständen von einem Tatbestandsirrtum ausgehen zu können.

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Wie schon völlig zu Recht jemand gefragt hat: ist nur Staatsgeheimnis wo Geheimnis draufsteht? Oder für Juristen: gilt ein formeller oder ein materieller Geheimnisbegriff?  Schmidt in LK, § 93 StGB Rn. 7: materieller Geheimnisbegriff. 

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Kann es in Zeiten von NSA und anderen unbekannten Mitlesern überhaupt noch Staatsgeheimnisse geben?

 

Wissen alle, wie oft ihr Rechner nach Hause telefoniert? Was er meldet?

Das Computersystem des Bundestags war doch kürzlich mehrere Wochen offen ... alles was da gespeichert war, kann ja schon kein Geheimnis mehr sein ...

 

 

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@Gastmann,

Sie schreiben:

Also vor allem sollte jetzt mal der Gesetzgeber zurücktreten. Denn der ist doch an allem schuld. Da macht der ein Gesetz, das die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen unter Strafe stellt. Einfach so. Ohne jede Ausnahme für Journalisten (wie es sie bei normalen Dienstgeheimnissen gibt).

Bitte lesen Sie doch endlich einmal die einschlägigen Kommentare zur Entstehung der §§ 94 ff. StGB. Dann werden Sie erfahren, dass § 94 gerade NICHT den Fall von Journalisten (die ja regelmäßig eben nicht die dort geforderten Absichten verfolgen) erfasst, sondern dies - im Extremfall, dass eine Preisgabe von Staatsgeheimjissen fahrlässig den schw. Nachteil für dei äußere Sicherheit hervorruft -  durch § 97 StGB (mit der Ermächtigungsregelung § 97 Abs.3!) geregelt ist. Auch der Begriff Staatsgeheimnis wurde vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Pressefreiheit  ENG geregelt. Es ist der Vorstoß von Verfassungsschutz und GBA, der eben an Gesetzgeber (und GG) vorbeigeht und deshalb auch zu Recht öffentlichen Protest hervorgerufen hat.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:
Dann werden Sie erfahren, dass § 94 gerade NICHT den Fall von Journalisten (die ja regelmäßig eben nicht die dort geforderten Absichten verfolgen) erfasst.
Ich habe nie behauptet, dass der Hinweis auf § 94 StGB eine besonders glückliche Idee war. Aber §§ 95 (ohne Ermächtigung), 97 (mit Ermächtigung) können Sie auch als Blogger locker mal verwirklichen, wenn Sie alles publizieren, was Sie in die Finger kriegen. Dass der Gesetzgeber hier gerade zum Schutz von Journalisten eine besonders enge Fassung gewählt hätte, sehe ich nicht.

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Henning Ernst Müller schrieb:

Bitte lesen Sie doch endlich einmal die einschlägigen Kommentare zur Entstehung der §§ 94 ff. StGB. Dann werden Sie erfahren, dass § 94 gerade NICHT den Fall von Journalisten (die ja regelmäßig eben nicht die dort geforderten Absichten verfolgen) erfasst, sondern dies - im Extremfall, dass eine Preisgabe von Staatsgeheimjissen fahrlässig den schw. Nachteil für dei äußere Sicherheit hervorruft -  durch § 97 StGB (mit der Ermächtigungsregelung § 97 Abs.3!) geregelt ist. Auch der Begriff Staatsgeheimnis wurde vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Pressefreiheit  ENG geregelt. Es ist der Vorstoß von Verfassungsschutz und GBA, der eben an Gesetzgeber (und GG) vorbeigeht und deshalb auch zu Recht öffentlichen Protest hervorgerufen hat.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Die Absicht, der Bundesrepublik Deutschland einen Nachteil zuzufügen, muss nicht auch bei einem Teilnehmer (z.B. einem Journalist, der das Geheimnis nach Absprache veröffentlicht) vorliegen, wenn er die Absicht des Haupttäters kennt, z.B. weil dieser sie ihm erzählt hat. Jedenfalls zu kurz gedacht (ich verkneife mir die Benotung, die Sie anderen Ansichten geben) ist es, zur Benachteiligungsabsicht allein auf die Absicht der Journliasten abzustellen. Das findet sich übrigens bei Kommentarlektüre, die Sie Gastmann so empfohlen haben: Schmidt in LG § 94 StGB Rn. 14.

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@ OGarcia

@ Mein Name

 

Danke für das Fback. Ich sehe, wie schon von HEM erwähnt, die beiden Seiten der Plakete, was das seit langen Jahren umkämpfte Thema der Unabhängigkeit, wohl besser: Selbstverwaltung der Staatsanwaltschaft, gar der gesamten Justiz angeht.

 

Wenn richtigerweise Macht Kontrolle benötigt (da die freiwillige oder dem Amt verpflichtete Selbstkontrolle selten wirklich funktioniert), aber auch Kontrolle durch die Exekutive (Regierung) politisch missbraucht werden kann/wird - siehe Erfahrung Wilhelm Schlötterer - dann scheiden sich die Geister.

 

Je nachdem, was der einzelne für Erfahrungen in seiner Rolle gemacht hat und macht, wird er zu der einen oder der anderen Variante tentieren.

 

Eine wirklich wirkliche Lösung ist das  aber nicht.

 

Frage:

 

Annahme:  Es gibt eine Selbstverwaltung von a) der StA (bis heute: Exekutive) und b) der Richterschaft (Judikative). Beide Selbstverwaltungen sind von einander unabhängig. Ein Einfluss der Politik (der Länder, der das Legalitätsprinzip unterwandern mag, etwa um z.B. Parteigenossen dem Zugriff des staatlichen Machtmonopols zu entziehen) findet nicht (mehr) statt.

 

Wie kann dann - etwa unter Einschaltung von "Weisen" der Zivilgesellschaft - eine funktionierende Kontrolle der beiden Selbstverwaltungen realisiert werden?

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Harald Range „Ich wollte nicht wie ein geprügelter Hund vom Hof schleichen“

Der von Justizminister Maas als Bundesgeneralanwalt entlassene Harald Range verteidigt sein Handeln in der Netzpolitik-Affäre. Im Gespräch mit der F.A.Z erläutert der Jurist, warum er seinem Dienstherrn offen widersprach.

 

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/harald-range-ich-wollte-nicht-...

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Recht originell finde ich jedenfalls die Auffassung von Vieuxrenard bei netzpolitik, der gleich einmal forsch behauptet, die Journalisn hätten nicht vorsätzlich gehandelt. Abgesehen davon, dass sie sich offenbar noch gar nicht zu dieser inneren Tatsache geäußert haben, kann man sich angesichts der Artikelüberschriften (" enthüllt die geheimen...") schon fragen, wieso sie nicht gewusst haben sollen, was sie tun. Ich hoffe mal, dass vieuxrenard als Richter, der er angeblich ist, etwas weniger oberflächlich arbeitet und argumentiert.

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Fragesteller schrieb:

Die Absicht, der Bundesrepublik Deutschland einen Nachteil zuzufügen, muss nicht auch bei einem Teilnehmer (z.B. einem Journalist, der das Geheimnis nach Absprache veröffentlicht) vorliegen, wenn er die Absicht des Haupttäters kennt, z.B. weil dieser sie ihm erzählt hat. Jedenfalls zu kurz gedacht (ich verkneife mir die Benotung, die Sie anderen Ansichten geben) ist es, zur Benachteiligungsabsicht allein auf die Absicht der Journliasten abzustellen. Das findet sich übrigens bei Kommentarlektüre, die Sie Gastmann so empfohlen haben: Schmidt in LG § 94 StGB Rn. 14.

Wenn es sich bei den unter dem Beitrag https://goo.gl/R3Ujvb hängenden Dokumenten um Staatsgeheimnisse handeln sollte, dann hätte sie der Autor des Beitrags (Andre Meister) im Sinne von § 94 Abs. 1 Nr. 2 StGB täterschaftlich "öffentlich bekanntmacht". Ein Journalist, der ein Staatsgeheimnis veröffentlicht, ist Täter. Die Konstellation einer Teilnahmehandlung durch den Journalisten sehe ich nicht so recht (es sei denn im Verhältnis der Journalisten zueinander, aber darum geht es Ihnen nicht). Wo sehen Sie sie?

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OGarcia schrieb:

Ein Journalist, der ein Staatsgeheimnis veröffentlicht, ist Täter. Die Konstellation einer Teilnahmehandlung durch den Journalisten sehe ich nicht so recht (es sei denn im Verhältnis der Journalisten zueinander, aber darum geht es Ihnen nicht).

Ist ein Staatsgeheimnis überhaupt noch ein Staatsgeheimnis, wenn ein Whistleblower (ein Maulwurf in der Behörde) das Staatsgeheimnis schon an eine Vielzahl von Journalisten verraten hat (Fall Snowden). Täter ist ohne Zweifel der Whistleblower. Man kann doch nicht mehr von einem Staatsgeheimnis sprechen, wenn der Whistleblower seine Kenntnisse schon an 100 Journalisten verraten hat und diese dann lediglich zur Weiterverbreitung beitragen. Ich kann in der bloßen Veröffentlichung einer bereits vielen Unbefugten zugänglichen Information beim besten Willen keinen Landesverrat erkennen.

 

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Fragesteller schrieb:

Das ist nur halb richtig. Vorsatz (Kenntnis) muss bezüglich der tatbestandlichen Merkmale der Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen. Der Täter muss die Bewertung eines Sachverhalts als „Staatsgeheimnis“ nicht vollziehen. Es reicht die Kenntnis und Billigung der sie tragenden Tatsachen. Er muss nur wenigstens billigend in Kauf nehmen, dass der in Betracht kommende Sachverhalt nicht allgemein zugänglich und aus den Gründen, die das Geheimnis zu eibnem Staatsgeheimnis machen, geheimhaltungsbedürftig ist. Nicht erforderlich ist, dass der Täter die von ihm verratenen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse rechtlich zutreffend als Staatsgeheimnis bewertet (das betrifft nur das Vorliegen eines Verbotsirrtums). Es genügt, wenn er die einer solchen Wertung zugrunde liegenden Umstände kennt (Schmidt in LK, § 94 Rn. 11). Da mag es einer Verteidigung zwar helfen, wenn nur "vertraulich" und nicht "geheim" auf dem Papier steht. Dass allein genügt aber nicht, um ohne weitere Ermittlungen zu den Umständen von einem Tatbestandsirrtum ausgehen zu können.

Das dürfte alles richtig sein. Auf die Besonderheit bei "normativen Tatbestandsmerkmalen" habe ich vorgestern unter dem Beitrag von Buermeyer (vieuxrenard) hingewiesen (https://goo.gl/LXK1G5). Ihre Meinung, daß dieser Gesichtspunkt den Nachweis von Vorsatz erleichtert, teile ich nicht. Es trifft m.E. eher das Gegenteil zu.

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gaestchen schrieb:

Recht originell finde ich jedenfalls die Auffassung von Vieuxrenard bei netzpolitik, der gleich einmal forsch behauptet, die Journalisn hätten nicht vorsätzlich gehandelt. Abgesehen davon, dass sie sich offenbar noch gar nicht zu dieser inneren Tatsache geäußert haben, kann man sich angesichts der Artikelüberschriften ("enthüllt die geheimen...") schon fragen, wieso sie nicht gewusst haben sollen, was sie tun. Ich hoffe mal, dass vieuxrenard als Richter, der er angeblich ist, etwas weniger oberflächlich arbeitet und argumentiert.

Sie scheinen nicht auf der Höhe der Diskussion zu sein. Vielleicht sollten Sie den Beitrag von Buermeyer (vieuxrenard) ein bißchen aufmerksamer lesen.

Zu "enthüllt die geheimen...": Es dürfte Konsens sein, daß es sich bei den Dokumenten um Dienstgeheimnisse (Sie sehen: "geheim") im Sinne von § 353b StGB handeln kann und daß sich nach dieser Vorschrift jemand strafbar gemacht haben kann, wenn auch die übrigen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Aber nicht der, der sich auf die Veröffentlichung beschränkt (§ 353b Abs. 3a StGB).

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@Gast,

nach der gängigen Auslegung des Geheimnisbegriffs darf die Information zur Zeit der Tat nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich gewesen sein. Sollte es so sein, dass der whistleblower die Dokumente schon an eine unbekannte Anzahl von Journalsiten geschickt hatte, bevor sie von Netzpolitik veröffentlicht wurden, dann läge in der Tat schon deshalb kein Geheimnis mehr vor. Allerdings gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Insofern durfte der GBA  - bei seinem "Anfangsverdacht" - davon ausgehen, dass die Papiere vorher noch nicht einem unbegrenzten Personenkreis bekannt waren.

Jedoch: Das "Geheimnis" beschränkt sich insofern auf diejenigen konkreten Informationen, die sich aus den Papieren selbst ergeben. Die Tatsache, dass der VS eine neue Abteilung zur Internetüberwachung aufbaut, war schon vorher verbreitet, also kein Geheimnis mehr.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

@Gastmann,

Sie schrieben:

Ich habe nie behauptet, dass der Hinweis auf § 94 StGB eine besonders glückliche Idee war.

Dann habe ich es wohl missverstanden, als Sie schrieben, das Ermittlungsverfahren (wegen § 94 StGB!) sei die  niedrigschwelligste Reaktion gewesen, die dem GBA offenstand.

Ich behaupte jetzt einmal, dass die öffentliche Reaktion auch deshalb so heftig war, weil der Anfangsverdacht wegen "Landesverrat, § 94 StGB" besondere historische Bezüge aufweist und im vorliegenden Fall auch strafrechtlich so abwegig ist, dass eigentlich schon ein zwischengeprüfter Student erkennen kann, dass hier ein unzutreffender Tatbestand in Betracht gezogen wird. Hätte in der Nachricht an Beckedahl/Meister von vornherein gestanden, dass Ermittlungen wegen "Preisgabe", also § 97 StGB geführt werden, hätte der GBA unter Hinweis auf die niedrige Schwelle des Anfangsverdachts aus der Nummer auch relativ unproblematisch wieder herausgekonnt.

Noch geschickter ("glücklicher") wäre es gewesen, die Frage der Zuständigkeit des GBA in einem Ermittlungsverfahren gegen unbekannt zu klären und dies so schnell zu tun, dass eine Verjährung nicht eintreten kann. Offenbar ist es jetzt dem externen Gutachter ja doch möglich, innerhalb kurzer Frist eine "vorläufige" Einschätzung zu nennen - es sollte auch im Allgemeinen möglich sein, eine solche Frage (Staatsgeheimnis oder nicht) innerhalb von 4 Wochen zu klären.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Gast schrieb:

Bundeskriminalamt blockierte Ermittler Generalbundesanwalt Range massiv unter Druck gesetzt

http://www.focus.de/politik/deutschland/bundeskriminalamt-blockierte-erm...

Eins sollte klar sein: Wenn ein Staatsanwalt die Polizei (einschließlich das BKA, § 4 BKAG) mit Ermittlungen beauftragt, unterliegt die Polizei dessen Verfahrensleitung. Wenn also "Bundesanwalt G." (OStA b. BGH Greven?) den Stand der von ihm in Auftrag gegebenen Ermittlungen beim "leitenden Beamten für Spionage- und Verratsdelikte" angefragt hat, ist ein Auskunftsverbot durch BKA-Präsident Holger Münch ein Skandal.

Es stellt sich aber auch die Frage - wie schon von Prof. Müller angesprochen - wie das zusammenpaßt mit der Erklärung von GBA Range, er habe angeordnet, daß über die Einholung des Gutachtens hinaus gerade keine Ermittlungen durchgeführt werden sollen, und zwar  - entgegen dem, wie es noch letzte Woche dargestellt wurde - schon von Anfang an. Um welche Ermittlungen ging es also, von deren Fortgang "Bundesanwalt G." wissen wollte?

Ebenso inakzeptabel sind die Äußerungen von Justiz-Staatssekretärin Stefanie Hubig gegenüber Range, wenn (!) die Meldung denn stimmt. Das müßte personelle Konsequenzen haben.

Diese Punkte müssen aber getrennt betrachtet werden von der Beurteilung des Verhaltens des GBA und der Beurteilung der Weisung (?) ihm gegenüber. Unseriös wäre es, dies alles zu verrühren.

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OGarcia schrieb:

 

Eins sollte klar sein: Wenn ein Staatsanwalt die Polizei (einschließlich das BKA, § 4 BKAG) mit Ermittlungen beauftragt, unterliegt die Polizei dessen Verfahrensleitung. Wenn also "Bundesanwalt G." (OStA b. BGH Greven?) den Stand der von ihm in Auftrag gegebenen Ermittlungen beim "leitenden Beamten für Spionage- und Verratsdelikte" angefragt hat, ist ein Auskunftsverbot durch BKA-Präsident Holger Münch ein Skandal.

Es stellt sich aber auch die Frage - wie schon von Prof. Müller angesprochen - wie das zusammenpaßt mit der Erklärung von GBA Range, er habe angeordnet, daß über die Einholung des Gutachtens hinaus gerade keine Ermittlungen durchgeführt werden sollen, und zwar  - entgegen dem, wie es noch letzte Woche dargestellt wurde - schon von Anfang an. Um welche Ermittlungen ging es also, von deren Fortgang "Bundesanwalt G." wissen wollte?

 

 

Sehr geehrter Herr Garcia,

 

woher wissen Sie, dass das BKA vom GBA mit Ermittlungen beauftragt wurde?

Gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG kann auch eine Landesbehörde das BKAG mit Ermittlungen beauftragen. Vielleicht war das Ziel des Anrufs, zu erfahren, ob Ermittlungen anderweitig in Auftrag gegeben wurden.

Es ist zu unterscheiden, ob das BKA über einen Sachverhalt in Erfüllung einer Berichtspflicht informiert wird, oder ob ein Ermittlungsersuchen (=Entscheidung ob Ermittlung ja oder nein bei BKA) oder Ermittlungsauftrag (=Ermittlungen durchführen) gegeben wurde.

 

Freundliche Grüße

 

ELL

 

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ELL schrieb:

woher wissen Sie, dass das BKA vom GBA mit Ermittlungen beauftragt wurde?

Ergibt sich das nicht aus dem von Prof. Müller zitierten tagesschau Artikel?

Henning Ernst Müller schrieb:

Aus dem Tagesschau-Bericht:

http://www.tagesschau.de/inland/netzpolitik-ermittlungen-115.html

"Anders als bisher dargestellt, wusste das BMI auch, dass der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrates gegen die Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister eingeleitet hatte. Das dem BMI unterstehende Bundeskriminalamt (BKA) habe die zuständige Fachabteilung schon im Juni informiert, dass es vom Generalbundesanwalt (GBA) mit den konkreten Ermittlungen wegen Landesverrats beauftragt worden sei."

[...]

5

Es besteht die Möglichkeit, dass das BKA - entsprechend der Berichtspflicht - informiert wurde, hat diese Information einem Journalisten mitgeteilt und daraus wurde in Unkenntnis der Berichtspflicht ein Ermittlungsauftrag.

Es fehlen nach meiner Ansicht die grundlegenden Dokumente (z. B. Strafanzeige vom BfV) oder anderer Schriftwechsel, um wirklich beurteilen zu können, was rechtmäßig und was rechtswidrig war. Aus den Berichts- und Vorlagepflichten ergeben sich bestimmte Stellen, die informiert sein hätten müssen. Hier fehlen noch entweder Interviews oder wörtliche Zitate von involvierten Stellen, um eine Schlussfolgerung zu ziehen.

5

Presseerklärung der Initiative der Bayerischen Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger und der Nordrhein-Westfälischen Strafverteidigervereinigung e.V. zu der Weisungsbefugnis des BMJ gegenüber dem Generalbundesanwalt

Skandal um Range? Nein, Skandal um Maas!

Die Entlassung des Generalbundesanwalts Range hat die Vereinigung der Richter und Staatsanwälte beim Bundesgerichtshof zu der Forderung veranlasst, erneut kritisch über das „politische Weisungsrecht“ gegenüber den Beamten der Staatsanwaltschaft nachzudenken.

In dieser Form ist der Aufruf verfehlt.

Die Staatsanwaltschaft wird nicht der rechtsprechenden Gewalt zugerechnet, wie sich z.B. aus der umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Richtervorbehalt ergibt. Sie ist Teil der Exekutive, eine Behörde eigener Art, die der Rechtsprechung zuarbeitet, ihr aber nicht angehört und keine rechtsprechende Gewalt ausübt. Seit Jahrzehnten weisen Strafverteidiger daraufhin, dass wegen der Berichtspflicht des Generalsbundesanwalts über laufende Strafverfahren gegenüber dem BMJ die Strafverfahren rein politisch motiviert und auch geführt werden. Der Gesetzgeber hat dem erneut Ausdruck verliehen, indem er bei der Verfolgung von ausländisch terroristischen Vereinigungen fordert, dass das BMJ hierzu die Ermächtigung erteilt. Hierüber hat sich noch kein Bundesrichter beschwert.

Eine ganz andere Frage ist die Art und Weise, wie der Justizminister im vorliegenden Fall sein Weisungsrecht ausgeübt hat. Das Weisungsrecht ist nämlich gerade kein „politisches“, sondern hat sich in den Grenzen von Gesetz und Recht zu halten. Nach den vorliegenden Informationen hat der Justizminister in ein laufendes Verfahren eingegriffen nicht etwa, weil rechtliche Fehler begangen worden wären, sondern weil ihm das mögliche Ergebnis politisch nicht opportun erschien. Das ergibt sich klar aus seinen Äußerungen, dass über eine Änderung der Strafvorschrift über den Landesverrat nachgedacht werden müsse. Damit hat er die Grenzen seines Weisungsrechts überschritten. Das ist der eigentliche Skandal, ein Skandal um Maas. Daher fordern wir seinen unverzüglichen Rücktritt!

Man sollte aber darüber nachdenken, die Ausübung des Weisungsrechts unabhängiger Kontrolle zu unterwerfen. Es sollten nicht nur Richter, sondern auch Staatsanwälte frei von politischer Beeinflussung und Weisung sein und sich ausschließlich am Gesetz orientieren. Ein unabhängiges Kontrollgremium mit Mitgliedern aus dem Parlament, der Richterschaft, Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft und Zivilgesellschaft sollte geschaffen werden, sowohl auf Länder- wie auf Bundesebene, welches ausschließlich überprüft, ob Weisungen der vorgesetzten Behörden sich an Gesetz und
Recht halten.

Für die Vorstände
Ricarda Lang
Rechtsanwältin

Axel Nagler
Rechtsanwalt

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>"Nach den vorliegenden Informationen hat der Justizminister in ein laufendes Verfahren eingegriffen nicht etwa, weil rechtliche Fehler begangen worden wären, sondern weil ihm das mögliche Ergebnis politisch nicht opportun erschien."

Welche "Informationen" sind denn das?

In meinem bisherigen Verständnis um die Vorgänge ging es nämlich durchaus um eine unterschiedliche rechtliche Einschätzung, und eben nicht um eine "politische".

Aber vielleicht helfen Ihre "Informationen" mir da ja weiter ...

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Sehr geehrter Prof. Müller (#4),

ich erkenne die Funktion des Weisungsrechts als indirekter demokratischer Kontrollmöglichkeit durchaus an. Das Weisungsrecht erweist sich aber zumindest als zweischneidiges Schwert, da ein weiter Graubereich für Willkür geschaffen wird. Es gibt Erfolgsgeschichten wie im Fall Mollath, aber es geht auch andersherum:

Quote:

Anlass für die Rücktrittsforderung ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bautzen gegen einen Beamten des Innenministeriums wegen versuchter Strafvereitelung. Er hatte auf der Polizeiwache in Radeberg versucht zu verhindern, dass bei einem Freund nach einer Trunkenheitsfahrt eine Blutprobe genommen wird.

Weil er eine Geldauflage von 3000 Euro zahlen sollte, beschwerte er sich bei seinem Vorgesetzten, dem Innenstaatssekretär. Der wandte sich an seine Kollegin im Justizministerium, Gabriele Hauser. Hauser, justizintern auch „Königskobra“ genannt, führte zwei Telefonate mit dem Leiter der Staatsanwaltschaft Bautzen. Das Ergebnis: Das Verfahren wurde ohne Geldauflage eingestellt.

http://www.sz-online.de/sachsen/frau-staatssekretaerin-es-ist-zeit-zu-ge...

Das ist ebenso Macht ohne Kontrolle.

Es geht auch nicht nur um Misstrauen gegenüber gewählten Politikern. Der Graubereich spielt sich meist auf den darunter liegenden Ebenen ab. Die Öffentlichkeit erfährt davon wohl meist nichts, die Kontrollfunktion läuft damit ins Leere.

Eine unabhängige Staatsanwaltschaft - die im übrigen nicht der Justiz zugeordnet werden müsste - würde den Graubereich auf Dauer aufhellen. Denn solche Anrufe kämen dann nicht mehr vom Vorgesetzten, hätten also nicht dasselbe Gewicht wie im status quo.

Ich meine nicht gesagt zu haben, dass Unabhängigkeit und Veflechtung nichts miteinander zu tun haben. Vielleicht habe ich mich insoweit aber auch unklar ausgedrückt.

Beides sind Problemfelder, die im Zusammenhang zueinander gesehen werden müssen. Sicherlich kann man nicht das Weisungsrecht abschaffen und dann meinen alles wäre gut. Die eigentliche Frage ist, wie gestaltet man die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft unter Berücksichtigung der Verflechtung aus. Ein erster Schritt wäre m.E. im Gesetz klarzustellen, dass der Justizminister nur eine Rechtsaufsicht, aber keine Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaft führt. Eigentlich ergibt sich das schon von selbst aus dem Verfolgungszwang. Bei der uneingeschränkten Formulierung von § 146 GVG scheint mir das aber doch oft zu sehr in den Hintergrund zu geraten.

Viele Grüße,

MT

 

5

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

 

ich habe eine Frage zum Begriff "Staatsgeheimnis": Ist die Art der Geheimhaltung bei der Definition des Begriffs Staatsgeheimnis bzw. Geheimnisverrat relevant. Mit anderen Worten: Kann ein Dokument überhaupt ein Staatsgeheimnis sein, wenn überhaupt kein vernünftiger Schutzmechanismus für die Geheimhaltung eingerichtet ist. Es ist ja so, dass vor langer Zeit solcher Dokumente auf Schreibmaschine geschrieben mit einem Stempel versehen und unter Verschluss (eingeschlossen in einem Schrank innerhalb einer gesicherten Behörde) aufbewahrt wurden. Somit waren solche Dokumente automatisch nur bestimmten Personen zugängig und konnten natürlich auch nicht ohne weiteres vervielfältigt werden. In der heutigen Zeit befinden sich solche Dokumente normalerweise in elektronischer Form auf irgendwelchen elektronischen Speichermedien von denen wir heute wissen, dass diese auch in Behörden vor Fremdzugriff nur unzureichend geschützt sind. Muss also nachgewiesen werden, dass ein maximaler Schutzmechanismus - auch für die Verteilung der Dokumente - eingerichtet wurde, damit der Sachverhalt "Verrat eines Staatsgeheimnis" zutrifft.

Und ist das eventuell auch ein Grund dafür, dass ein Gutachten erstellt werden muss, weil es ja dann nicht nur um die juristische Beurteilung sondern auch um technische Fragen ginge. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

JO

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@Gast#42

Die namentliche Nennung der Mitglieder des Vertrauensgremiums und der Internet-Journalisten in der Strafanzeige ist auch nicht zu beanstanden. Das versteht sich von selbst. Es handelt sich dabei um Geheimnisträger - befugte und unbefugte. Eine strafrechtlich relevante Tatsache zur Beurteilung der Geheimhaltung und des Anfangsverdachts. 

Zu beanstanden ist aber, dass das BfV nicht alle ihm bekannten Geheimnisträger genannt hatte. Nach SPIEGEL-Informationen sind keine Angaben zu Geheimnisträgern innerhalb des Bundesamts gemacht worden und der von ihm informierten Externen. Der Sprecher des BfV sagte der FAZ:

Das Bundesamt habe nach  der zweiten Strafanzeige gegenüber dem damals ermittelnden Landeskriminalamt Berlin dargelegt, dass mehr als 120 Mitarbeiter Zugang zu den eingestuften Dokumenten hatten und wie viele Druckexemplare für Externe erstellt wurden. Die Frage nach "Innentätern" sei also keineswegs ausgeklammert worden, heißt es in Sicherheitskreisen.

Es stellt sich die Frage: Warum also nur dem LKA aber und nicht auch dem GBA? Daraus hätte sich möglicherweise dem GBA eine andere Beurteilung des Geheimseins und des Anfangsverdachts ergeben können.

Ich denke, vor allem der Justizminister und seine Behörde werden über Informationen zum Geheimhaltungserfordernis und der tatsächlichen Geheimhaltung verfügen können, die verlässlicher und genauer sein dürften als es bei einem namentlich nicht bekannten externen Gutachter zu erwarten ist. Seine Expertise dürfte daher schon Vorrang haben. 

Diejenigen, die die Unabhängigkeit der Justiz (!) fordern und dem Justizminister einen Eingriff zum Vorwurf machen, haben sich dafür einen sehr ungünstigen Fall ausgesucht. Gerade in Zusammenhang mit einem Geheimhaltungserfordernis dürfte man dem Justizminister das Weisungsrecht belassen wollen - auch bzgl. der Fachaufsicht. 

@ Waldemar Robert Kolos

Das Legalitätsprinzip ist die Grenze des Weisungsrechts. Man kann dem Justizminister keine Fachaufsicht belassen, die ihm schon de lege lata gar nicht zusteht.

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@MT

 

Darüber könnte man lange debattieren und philosophieren. Die Lösung läßt sich nicht herbeischnipsen. Nur so viel: Wäre Ihre strikte Meinung richtig, wäre auch kein Raum für eine Weisung hinsichtlich des Tatverdachts durch den StA (GL) gegenüber dem StA, durch den OStA, durch den Ltd. OStA und durch den GStA. Das Zauberwort "Legalitätsprinzip" ist nicht bereits die Lösung, wenn die Frage ist, wessen Beurteilung bei divergierenden Auffassungen zählt.

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Gast schrieb:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article144979267/Range-raeumte-mi...

So lang dieser Pressebeitrag ist, sehr seriös ist er nicht: Nur den Gegnern des Weisungsrechts gibt er breiten Raum, auch indem er sie das Märchen verbreiten läßt, es wäre eine Art Konsens, daß das Weisungsrechts abgeschafft gehört, nur die bösen Politiker wären dagegen. Entsprechend hat der Beitrag das Geschrei in der Leserkommentarspalte darunter herangezüchtet.

Interessant auch, welchen unsinnigen Bogen der Beitrag schlägt von der Gefahr des Geheimnisverrats aufgrund der Berichtspflichten ans Ministerium (vgl. die Verurteilung der Justizministerin Werwigk-Hertneck: http://dejure.org/2008,1281) zum Fall Edathy: Dort war das "Leck" offensichtlich nicht im Bereich der Justiz, sondern des Innenressorts (BKA). Wo bleiben die Rufe nach der Unabhängigkeit des BKA?

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@ OGarcia (#46)

Natürlich wäre auch nach meiner Ansicht Raum für Weisungen - soweit sie gesetzlich zulässig sind. Divergierende Meinungen mag es geben, wenn sich aber eine im Einklang mit der StPO (übrigens kein Zauberwerk, sondern Gesetz) befindet und die andere nicht, kann auch das Weisungsrecht nicht der Letzteren zum Erfolg verhelfen. Das ist meines Wissens auch herrschende Meinung, wenn auch offensichtlich nicht herrschende Praxis.

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