Böse Falle - Die Lebensversicherung nach Scheidung

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 13.08.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht7|3136 Aufrufe

Er hatte 1987 geheiratet. Im gleichen Jahr wurde über seinen Arbeitgeber eine Kapitallebensversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen. Als Bezugsberechtigte der Lebensversicherung wurde für den Fall des Todes „der verwitwete Ehegatte“ bestimmt.


April 2002 Scheidung

Oktober 2002 Neuheirat


Auf Nachfrage teilte die Lebensversicherung 2003 mit, dass er "folgende Begünstigungen ausgesprochen" habe: "Ihre verwitwete Ehegattin. Die Begünstigung gilt für den Todesfall.“


Er verstarb 2012. Die Lebensversicherung zahlte die Versicherungssumme von ca. 34.000 € an die geschiedene Ehefrau aus.


Damit war die Witwe nicht einverstanden und verklagte die Lebensversicherung auf Zahlung. Vor dem LG und dem OLG hatte sie Erfolg. Der BGH hingegen hob das Urteil auf und wies die Klage der 2. Ehefrau ab.


Bei der Auslegung von Willenserklärungen sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in der sie abgegeben wurde. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht der Erklärung "der verwitwete Ehegatte" aus dem Jahr 1997 einen Willen des Ehemannes entnommen, damit nicht die zum damaligen Zeitpunkt mit ihm verheiratete Streithelferin zu begünstigen, sondern eine zukünftige Ehefrau.Ein Versicherungsnehmer verbinde mit dem Wort "Ehegatte" - solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen - regelmäßig nur die Vorstellung, dass damit derjenige gemeint ist, mit dem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Erklärung verheiratet ist. Eine Vorstellung, dass es sich bei einer solchen Bezugsrechtsbestimmung nicht um die Bezeichnung einer ganz bestimmten, lebenden Person, sondern um eine abstrakte Bezeichnung handelt, ist dem Versicherungsnehmer fremd. Erst recht ergibt sich ein solcher Erklärungsinhalt nicht nach der - allein maßgeblichen - Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont des Versicherers.


Die Auslegung des Berufungsgerichts, die dies aus dem Eigenschaftswort "verwitwet" entnehmen will, ist rechtsfehlerhaft. Denn insoweit kommt es allein auf das Verständnis des Ehemannes zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung an, wie es sich nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) der Beklagten darstellt. Hier ist jedoch aus Sicht des Ehemannes typischerweise die zu diesem Zeitpunkt mit ihm verheiratete Frau im Versicherungsfall der "verwitwete Ehegatte", weil das Bezugsrecht nach der ausdrücklichen Regelung nur im Todesfall greifen soll für die Verknüpfung des Begriffs "Ehegatte" mit dem Begriff "Todesfall"). Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich der Ehemann der Klägerin Gedanken über den Fortbestand seiner Ehe mit der Streithelferin machte oder gar den Fall einer Scheidung und Wiederheirat in Betracht zog, als er die Bezugsrechtsbestimmung  erklärte.

Auch aus dem Umstand, dass die bezugsberechtigte Person nicht konkret benannt worden ist, folgt nichts anderes. Der Verzicht auf die volle Namensnennung rechtfertigt keine differenzierende Betrachtungsweise Noch weniger ist ersichtlich, wie der Empfänger der Erklärung, der Versicherer, von seinem Horizont her davon hätte ausgehen sollen, dass der Ehemann mit seinem "verwitweten Ehegatten" eine andere Person gemeint haben könnte, als diejenige, mit der er zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung verheiratet war 

BGH v. 22.07.15 - IV ZR 437/14

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7 Kommentare

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Ich halte die BGH-Entscheidung für falsch. Wenn der Versicherungsnehmer im Jahre 2003 - also nach der Scheidung der ersten Ehe und der Wiederverheiratung - bei der Versicherung nachgefragt hat, wer im Falle seines Todes bezugsberechtigt sei und hier zur Antwort erhalten hat "Ihre verwitwete Ehegattin. Die Begünstigung gilt für den Todesfall.“ bezog sich dies nach seiner Vorstellung auf die aktuelle - zweite - Ehefrau. Dadurch hat ihn die Versicherungsgesellschaft von einer (nachträglichen) Änderung der Bezugsberechtigung zugunsten der zweiten Ehefrau abgehalten und dürfte sich zumindest schadenersatzpflichtig gemacht haben.

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Sehe ich genauso: Der Begriff "Ehegatte" bezieht sich doch auf keine bestimmte Person, sondern auf den zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles verheirateten Partners. Selbst ohne Nachfrage steht der geschiedenen Exfrau nichts zu.

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Man muss wahrscheinlich schon einige Jahre Richter am BGH sein; und weit weit Weg von Leuten, die mit Jura nichts zu tun haben, um auf die vom BGH gefundene Auslegung zu kommen: Dass nicht die abstrakt benannte Person im Moment des Bedingungseintrittes gemeint ist, sondern die Person im Moment des Vertragsschlusses, auch wenn der Bedingungseintritt Jahe oder Jahrzehnte in der Zukunft liegt.

 

Muss man auch erstmal drauf kommen…

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Für so abwegig, wie Sie das tun, halte ich die Entscheidung des BGH überhaupt nicht. Der Grundsatz "bei der Auslegung von Willenserklärungen sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in der sie abgegeben wurde" ist sehr gut vertretbar, wenn nicht sogar richtig.

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Blogger schrieb:

Für so abwegig, wie Sie das tun, halte ich die Entscheidung des BGH überhaupt nicht. Der Grundsatz "bei der Auslegung von Willenserklärungen sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in der sie abgegeben wurde" ist sehr gut vertretbar, wenn nicht sogar richtig.

Natürlich ist das richtig. Nach diesem Grundsatz bestand der Wille des Verstorbenen zum Zeitpunkt der Erklärung aber naheliegender Weise darin, eben die "verwitwete Ehegattin", also die Frau, mit der er zum Todeszeitpunkt verheiratet sein würde, zu begünstigen. Abwegig ist die Vorstellung des BGH, trotz der abstrahierenden Umschreibung würde sich der Gehalt dieser Erklärung im Moment des Vertragsschlusses auf die Person konkretisieren, die verwitwen würde, wenn der Erklärende unmittelbar nach Vertragsschluss sterben würde. Das würde voraussetzen, dass der Erklärende sich keinerlei Gedanken gemacht hätte, was "verwitwet" heißt, und warum das in seinem Vertrag steht - denn eine geschiedene Frau verwitwet nun mal nicht -, oder nie im Leben mit einer Auflösung der Ehe rechnete.

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Also muss man der Versicherung gegenüber als Begünstigten "den Ehepartner zum Zeitpunkt des Todes" angeben. Ob die Versicherungen wohl in der Lage sind, das dann von den normalen "verwitwete Ehegattin"-Formulierungen auseinanderzuhalten.
 

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