Basiswissen StPO: Zur Beweisantragsablehnung wegen Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.08.2015
Rechtsgebiete: BeweisantragStrafrechtVerkehrsrecht|2900 Aufrufe

Mal wieder etwas aus dem "Basiswissen-Bereich". Der BGH hat hier immer schöne Entscheidungen, an denen man sich entlangarbeiten kann, wenn man sich mit der Thematik selbst einmal befassen muss. Diesmal geht es um die Frage: Wann kann eigentlich das Gericht einen Beweisantrag, durch den eine Indiztatsache bewiesen werden soll wegen Bedeutungslosigkeit zurückweisen?

Hierzu der BGH:

1. Bereits die Annahme von Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten. Bei Behauptung einer relevanten belastenden Tatsache durch die Staatsanwaltschaft oder einen Nebenkläger muss deshalb eine bislang für den Angeklagten positive Beweislage durch die begehrte Beweiserhebung umschlagen können. Legt der Tatrichter rechtsfehlerfrei dar, dass die in dem Beweisantrag behauptete Tatsache auch dann, wenn sie durch die beantragte Beweisaufnahme bewiesen würde, ihn nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugen könnte, ist er nicht verpflichtet, den beantragten Beweis zu erheben (zum Ganzen hinsichtlich einer Revision der Staatsanwaltschaft: BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - 4 StR 293/14, NStZ 2015, 355, 356 mwN).

b) Daran gemessen ist die Annahme von Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen hinsichtlich der in dem zweiten Beweisantrag aufgestellten Beweisbehauptung rechtsfehlerhaft. Denn die Ankündigung einer von einem entsprechenden Vorsatz getragenen Tötungshandlung ist für die Beweiswürdigung hinsichtlich der subjektiven Seite der tatsächlich vorgenommenen, der Ankündigung entsprechenden Handlung regelmäßig von erheblicher Bedeutung (vgl. zur Bewertung des Zufahrens auf einen Fußgänger als versuchtes Tötungsdelikt: Senat, Urteile vom 29. Januar 2015 - 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392 ff.; vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156 ff).

Zudem lassen die Ausführungen der Strafkammer in dem Ablehnungsbeschluss besorgen, dass das Landgericht in unzulässiger Weise die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen miteinander vermengt hat. Zwar trifft es zu, dass Tötungsvorsatz für die Bewertung einer Handlung als gefährliche Körperverletzung oder als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr - aus Rechtsgründen - ohne Bedeutung ist, weil er sich auf keines der dortigen Tatbestandsmerkmale bezieht. Maßgeblich sind insofern jedoch nicht (nur) die in der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss bejahten Straftatbestände, sondern die Tatbestandsmerkmale sämtlicher der tatrichterlichen Kognition unterliegenden Straftatbestände, mögen sie dem Angeklagten auch erst durch einen Hinweis im Sinne des § 265 Abs. 1 StPO angelastet worden sein oder angelastet werden können (vgl. auch BGH, Urteil vom 29. April 2010 - 3 StR 63/10, juris Rn. 10; Beschluss vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13, juris Rn. 41).
162. Ferner ist der Beschluss, mit dem das Landgericht den Beweisantrag abgelehnt hat, unzureichend begründet.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte. Die erforderliche Begründung entspricht dabei grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen; sie ist auf konkrete Erwägungen zu stützen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 135/13, NStZ-RR 2014, 54, 55; vom 18. März 2015 - 2 StR 462/14, juris Rn. 5). Geht es um den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen, muss die Ablehnung das ganze Beweisthema ohne Einengung, Verkürzung oder Unterstellung erfassen und darlegen, warum dem Tatrichter die im Beweisantrag behauptete Tatsache in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - 4 StR 293/14, NStZ 2015, 355, 356; vgl. insbesondere zu einem Beweisantrag des Nebenklägers ferner BGH, Urteil vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714 jeweils mwN).

BGH, Urteil vom 30.07.2015 - 4 StR 199/15

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