Eltern haften für ihre Kinder?

von Dr. Philippe Rollin, veröffentlicht am 23.09.2015

So begründet der Bundesminister für Wirtschaft und Energie die geplante Neuregelung zur Begründung einer Konzernhaftung für Verbindlichkeiten aus Stilllegung, Rückbau und Entsorgung in Zusammenhang mit Kernkraftwerken (http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/entwurf-eines-gesetzes-zur-nachhaftung-fuer-rueckbau-und-entsorgungskosten-im-kernenergiebereich,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf).

Dem Ministerium missfällt, dass Unternehmen insbesondere durch die Beendigung von bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen und/oder Umwandlungsmaßnahmen, insbesondere Abspaltungen diese Verbindlichkeiten bei einer bestimmten Konzerngesellschaft isolieren können. Grundsätzlich kann ein Gläubiger bei Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages Sicherheitsleistung verlangen, weil der Verlustausgleichsanspruch der beherrschten Gesellschaft (§ 302 AktG), der mittelbar auch die Gläubiger schützt, endet (§ 303 AktG). Ebenso kann der Gläubiger einer Verbindlichkeit, die auf einen anderen Rechtsträger abgespalten wird (§ 126 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), von beiden Rechtsträgern als Gesamtschuldner Befriedigung verlangen (§ 133 UmwG).

Diese Nachhaftungsansprüche sind jedoch zeitlich auf fünf Jahre begrenzt, und zwar im Falle der Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages nach herrschender Meinung durch §§ 26, 160 HGB analog (z.B. Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 303 Rn. 3) und im Falle der Spaltung durch § 133 Abs. 3 UmwG. Diese Fristen, mit denen normale Gläubiger – auch von langlaufenden Dauerschuldverhältnissen – leben müssen, reichen dem Staat nicht.

Stattdessen soll – als lex specialis – das Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz helfen. Neben dem unmittelbar als Zustandsstörer haftenden Eigentümer zieht es sämtliche „herrschende Unternehmen“ zur Haftung heran, und zwar alle zusammen als Gesamtschuldner (§ 1). Bei der Frage, was eine Beherrschung ist, denkt man zunächst an die üblichen konzernrechtlichen Definitionen aus dem Aktienrecht, die auch für andere Gesellschaftsformen gelten, hier § 17 AktG. Diese ist dem Staat jedoch nicht gut genug, weil sie zu ausdifferenziert sei und darüber hinaus Umgehungsmöglichkeiten zuließe. Stattdessen wird weit an die Kapital- und/oder Stimmenmehrheit angeknüpft; daneben gilt § 22 Abs. 1 bis 3 WpHG (!). Ebenfalls „dran“ sind auch persönlich haftende Gesellschafter und diejenigen, die sie ebenfalls beherrschen (§ 2).

Konsequent ist, dass die Haftung auch nach Ende der Beherrschung fortbesteht (§ 3 Abs. 1).

Es bleibt spannend, ob die Praxis trotz der deutlichen Bemühungen des Gesetzgebers Umgehungsmöglichkeiten findet.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Die Lösung ist doch einfach.

Es wird keine Bad-Bank zur Auslagerung der Risiken gebildet, sondern eine zuerst beherschte, später freigelassene Good-Bank mit den Werten und Renditebringern. 

 

0

Kommentar hinzufügen