Sehr gut: Strafbarkeit bei unzulässiger OWi-Verteidigung - nicht falschen Fahrer benennen und nicht mit diesem zusammenwirken!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.10.2015

Sicher wird`s im Blog allein schon aufgrund der Überschrift Protest geben. Zumal das, was nunmehr als strafbar erklärt wurde immer wieder vorkommt und oft als rechtens angesehen wird. Es geht um die Abrede eines unrichtigen Tätergeständnisses durch einen unschuldigen Dritten:

 Führen der Täter einer Ordnungswidrigkeit und eine mit ihm zusammenwirkende, an der Tat unbeteiligte Person die Bußgeldbehörde bewusst in die Irre, indem sich die weitere Person selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt, kann dies für den Täter zu einer Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu führen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 23.07.2015 - 2 Ss 94/15

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15 Kommentare

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Kein Protest von meiner Seite. Nur wenn mittelbarer Täter und der Beihelfer den guten alten Grundsatz befolgen, Schweigen ist Gold, wird es sich mit dem Nachweis der "Verabredung zum Schummeln" schwierig gestalten.

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Die Überschrift: "unzulässige OWi-Verteidigung" klingt, als sei der Verteidiger auf diese Idee gekommen. Es waren doch aber der Fahrer und sein Arbeitskollege.
 

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RA de Berger schrieb:

Die Überschrift: "unzulässige OWi-Verteidigung" klingt, als sei der Verteidiger auf diese Idee gekommen. Es waren doch aber der Fahrer und sein Arbeitskollege.
 

 

Vollkommen richtig - ich denke auch nicht, dass ein seriöser Verteidiger solche Ratschläge geben würde...

Der Straftatbestand der falschen Verdächtigung soll doch wohl Bürger davor schützen, durch von ihnen feindlich gesonnen Personen (Nachbarn, Kollegen, Nebenbuhler, ...) in ein Verfahren nach der Strafprozessordnung oder nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz hineingezogen zu werden.

Wenn aber zum Beispiel die Ehefrau eines Kraftfahrzeughalters (die in Wirklichkeit nicht gefahren ist) damit einverstanden ist, daß sie als (vermeintliche) Fahrerin benannt wird, und wenn sie selbst freiwillig ein (tatsächlich unzutreffendes) Geständnis ablegt, dann verzichtet sie doch eigenverantwortlich auf den Schutz, der § 164 StGB ihr gewährt.

Bei Minderjährigen oder Geschäftsunfähigen wäre solch ein Verzicht zwar wohl nicht wirksam, aber bei geschäftsfähigen Erwachsenen doch wohl schon.

Die "Nichtkraftfahrzeugführerin" wird man hier wohl schwerlich als "Opfer einer falschen Verdächtigung" des tatsächlichen Fahrers annehmen können.

Erst recht unlogisch erschiene es wohl, dem vermeintliche "Opfer" eine strafbare Beihilfe wegen einer letzlich gegen sich selbst gerichteten Tat strafrechtlich zur Last legen zu wollen.

Ein Angeklagter oder Beschuldigte hat grundsätzlich das Recht zu lügen.

Und Ehefrauen von Angeklagten oder Beschuldigten haben regelmäßig Aussageverweigerungsrechte.

Und sich selbst zu belasten, ist grundsätzlich nicht strafbar, und zwar selbst dann nicht, wenn das Geständnis tatsächlich nicht zutrifft.

Viele Staatsanwälte, viele ihrer Hilfsbeamten, und vielleicht auch manche Richter, freuen sich über jedes Geständnis, und realistisch betrachtet nehmen sie wohl auch nicht selten billigend in Kauf, das das eine oder andere Geständnis vielleicht inhaltlich nicht zutreffend ist - soll man jetzt etwa auch all die beteiligten Staatsanwälte, Polizisten und Richter anklagen?     

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@Till: Strafnormen stehen nicht zur Disposition des "Opfers", sondern sind Sanktionsrecht des Staates. Nur in einzelnen gesetzlich genau geregelten Sonderfällen berücksichtigt der Staat eine etwaige Einwilligung des Opfers, vgl. § 228 StGB.

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@ rakuemmerle:
Schweigen wird bei derart offensichtlich abgesprochenen Handeln nichts nützen:

"Spätestens am 30. November 2012 beschlossen die Angeklagten Ka und sein Arbeitskollege, der Angeklagte Kr , die Bußgeldbehörde gezielt und im Wissen um die Täterschaft des Angeklagten Ka in die Irre zu führen. Sie vereinbarten, dass sich der Angeklagte Kr zunächst gegenüber der Bußgeldbehörde als Fahrer bezeichnen und sodann das nachfolgende, den Angeklagten Kr betreffende Bußgeldverfahren so lange hinauszögern sollte, bis der Angeklagte Ka wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung bei ihm nicht mehr belangt werden könne. Dann sollte der Angeklagte Kr offenlegen, dass er den Verstoß doch nicht begangen habe, worauf auch das gegen ihn gerichtete Bußgeldverfahren ohne seine Verurteilung beendet werden müsse. Genauso verfuhren die Angeklagten dann."

@ Till: den Tatbestand hat der Fahrer Ka dadurch verwirklicht, indem er in dem ihm zugesandten Anhörungsbogen wider besseres Wissen seinen Kollegen Kr als Fahrer benannt hat.

Naja, naja..

 

Sehr gut? Ich weiß ja nicht. Sollen jetzt hier rechtspolitische Entscheidungen getroffen werden oder wollen wir es nicht vllt. doch lieber mit dem Recht versuchen?

Der Gesetzgeber hat diese Konstellation gesehen und in §§ 145d, 258 StGB ausdrücklich entschieden, solches Verhalten nur für Straftaten für strafwürdig zu erklären. Der Umweg über § 164 StGB und die mittelbare Täterschaft erscheint mir sehr an den Haaren herbeigezogen. Zumal ich hier an der Tatherrschaft des mittelbaren Täters starke Zweifel habe. Die konstruiert sich das OLG wohl eher zusammen. Wenn es dem Tatmittler nichts bringen würde, dann würde er es wohl auch nicht machen, oder?

Zudem: Wenn die Initiative für das Vorgehen vom Tatmittler kommt und er evtl. noch irgendwelche materiellen Vorteile für seine Mitwirkungsbereitschaft kommt, dann wird es mit der Tatherrschaft eng und ein eigenes Interesse am Taterfolg hat er dann auch noch...

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Woher wissen Sie allwissender "rechtschaffener Bürger" denn so genau, dass es nicht genauso war, wie der Angeklagte es dort seinen Verteidiger vortragen ließ? Wenn jeder so allwissend wäre, wie Sie, könnte man sich ja jeden Strafprozess sparen und das dadurch frei gewordene Geld den all den besserwisserischen "rechtschaffenen Bürgern" für den Bezug der BILD-Zeitung spenden...

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Blogger schrieb:

Woher wissen Sie allwissender "rechtschaffener Bürger" denn so genau, dass es nicht genauso war, wie der Angeklagte es dort seinen Verteidiger vortragen ließ? Wenn jeder so allwissend wäre, wie Sie, könnte man sich ja jeden Strafprozess sparen und das dadurch frei gewordene Geld den all den besserwisserischen "rechtschaffenen Bürgern" für den Bezug der BILD-Zeitung spenden...

Ich weiß das daher, weil der Verteidiger anderenfalls nicht derart vor Stolz platzen würde, sich diese "Verteidigungsstrategie" "überlegt" zu haben.

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@ emhazett: in den von Ihnen genannten Rechtsnormen ist die Rede von "rechtswidrigen Taten" und dazu gehören nicht nur Straftaten, sondern auch Ordnungswidrigkeiten (s. § 1 OWiG).

Infolge eines aktuellen Urteils des Oberlandesgericht Stuttgart vom 23.07.2015 (2 Ss 94/15) weist Rechtsanwalt Dr. Bernd Scharinger, Fachanwalt für Strafrecht, darauf hin, dass die bewusste falsche Angabe eines Fahrers in einem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren kein bloßes Kavaliersdelikt darstellt, sondern eine handfeste Straftat! Wie das Oberlandesgericht Stuttgart in dem vorbezeichneten Urteil entschieden hat, kann in den Fällen, in denen jemand, der eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen hat, aber eine andere Person dazu bringt, dass diese sich fälschlicherweise als Fahrer ausgibt, wegen falscher Verdächtigung (in so genannter mittelbarer Täterschaft) bestraft werden. Derjenige, der sich als (falscher) Täter ausgibt, kann wegen Beihilfe zu dieser Straftat bestraft werden! Die damit verbundenen Strafen sind um ein Vielfaches höher, als regelmäßig die Geldbuße für den eigentlichen Ordnungswidrigkeitenverstoß!

Unter folgendem Link finden Sie das Urteil des Oberlandesgericht Stuttgart vom 23.07.2015 (2 Ss 94/15)

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Sehr tricky. Ich finde, da ist die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft überspannt worden. Der unmittelbare Täter handelt doch "volldeliktisch" (wenn denn seine eigene Tat strafbar wäre). Und ein volldeliktisch handelnder unmittelbarer Täter kommt doch wohl als Tatmittler nicht in Betracht, denke ich.

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Update: LG Heilbronn, Beschl. v. 09.03.2017 – 8 KLs 24 Js 28058/15

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. berichtet in seinem Blog Burhoff online am 17.03.2017 unter der Überschrift: Was Fachanwälte manchmal so alles machen, oder:  "Straflose Anstiftung zur (falschen) Selbstbezichtigung?" über eine neue Entscheidung des LG Heilbronn, Beschl. v. 09.03.2017 – 8 KLs 24 Js 28058/15.

  Das LG Heilbronn hat hier die Eröffnung des Hauptverfahrens in einem Strafverfahren gegen einen RA abgelehnt. Grundlage der Anklage war das hier im Okt. 2015 bereits vorgestellte  Urteil des OLG Stuttgart, Urt. v. 23.07.2015 – 2 Ss 94/15.   Das LG Heilbronn kommt zu folgendem Ergebnis: "Bestimmt jemand eine andere Person zur straflosen Selbstbezichtigung bezüglich einer Ordnungswidrigkeit, so ist dies - ohne Hinzutreten weiterer, eine tatsächliche Tatherrschaft begründender Umstände - als straflose Anstiftung und nicht als falsche Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft zu qualifizieren (entgegen OLG Stuttgart Urteil vom 23. Juli 2015, 2 SS 94/15)"   Mit beachtlichen - und zutreffenden - Gründen, u.a. unter Verweis auf die Urteilsanmerkungen zum Urteil des OLG Stuttgart von RiLG Jan Dehne-Niemann, Karlsruhe, in HRRS 2016, 453 "Mittelbar-täterschaftliche Falschverdächtigung durch ein objektiv tatbestandslos handelndes doloses Gehilfenwerkzeug?" kommt das LG zu einer Straflosigkeit des angeklagten RA:   "Entgegen der Ansicht des OLG Stuttgart weder das Verhalten des Hintermanns noch das des Vordermanns strafrechtlich zu erfassen ist: Zunächst gibt es keine – auf der Grundlage des dem Beteiligungssystem der §§ 25-27 StGB zugrundeliegenden restriktiven Tatbegriffs aber erforderliche – Grundlage dafür, dem Hintermann A das Handeln des Vordermanns R zuzurechnen; insbesondere nicht tragfähig ist die vom OLG gezogene Parallele zur Figur des qualifikationslos-dolosen Werkzeugs. Liegt damit keine straftatbestandsmäßige Haupttat vor, so kann der Vordermann schon aus diesem Grund nicht als Gehilfe teilgenommen haben. Unabhängig davon scheidet Beihilfe des Vordermanns R auch deshalb aus, weil sich unter der Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) die Vornahme der Tathandlung nicht als unterstützendes "Hilfeleisten" i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB begreifen lässt."     Die Entscheidung des LG Heilbronn ist - im Gegensatz zu der des OLG Stuttgart m. E. zutreffend und überzeugend.   Der LS des OLG Stuttgart:    "Führen der Täter einer Ordnungswidrigkeit und eine mit ihm zusammenwirkende, an der Tat unbeteiligte Person die Bußgeldbehörde bewusst in die Irre, indem sich die weitere Person selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt, kann dies für den Täter zu einer Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu führen."   ist völlig unzutreffend und verkennt, daß es einen Täter hinter dem Täter, nämlich einen mittelbaren Täter gem.  § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB schon begrifflich nicht geben kann, wenn es schon an einer Haupttat fehlt, weil es keinen unmittelbaren Täter gibt.    1. Da hilft auch kein "Verantwortungsprinzip", denn der Angeklagte Kr XXX ist nicht als Täter nach § 164 Abs. 2 StGB verantwortlich, weil er nicht einen anderen, sondern sich selbst bei der Behörde angezeigt hat!   2. Der RA hat zudem schon keine "Tatherrschaft". Ein animus auctoris kann sich nur auf eine Haupttat richten, die vielleicht undolos, gerechtferigt oder ohne Schuld von einem unmittelbaren Täter begangen wird. Voraussetzung ist aber allemal, daß ein Tatbestand objektiv von einem unmittelbaren Täter verwirklicht wurde. Und da es keine Versuchsstrafbarkeit bei § 164 gibt, und damit auch der RA schon gar nicht nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung eines nicht gegeben Tatbestandes unmittelbar ansetzen kann.   3. Diese "undogmatische Konstruktion" stellt zudem einen schwerern Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz dar; nullum crimen, nulla poena sine lege – Art. 103 II GG, § 1 StGB; Art. 7 I EMRK.   Fazit: In diesem Sonderfall wo es ja ursprünglich um eine *Ordnungswidrigkeit* ging und damit auch tatbestandlich § 145 d StGB ausscheidet, stellt sich für mich vielmehr die Gretchenfrage, ob ein ein Verteidiger - auch als "Organ der Rechtspflege" den Mdt. in obigem Sinne (straflos) beraten darf, bzw. im Sinne einer "effektiven Verteidigung" dann sogar muß?

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