Anrechnung verstetigter Jahressonderzahlungen auf den Mindestlohn

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.10.2015

Zahlt der Arbeitgeber das vertraglich zugesagte Weihnachts- oder Urlaubsgeld monatlich anteilig zu je 1/12 aus, sind diese Beträge zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs nach dem MiLoG geeignet. Das hat das ArbG Herne entschieden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 2006 als Servicekraft im Restaurant beschäftigt und arbeitet monatlich 84,5 Stunden. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien findet auf das Arbeitsverhältnis kein Tarifvertrag Anwendung. Ursprünglich erhielt die Klägerin eine Weihnachtsgratifikation und ein zusätzliches Urlaubsgeld. Nach einer einvernehmlichen Vertragsänderung im Dezember 2010 wurden diese Leistungen ab dem Jahresbeginn 2011 anteilig zu je 1/12 mit dem Monatslohn ausgekehrt. Im Januar und Februar 2015 erhielt die Klägerin eine Vergütung in Höhe von jeweils 718,24 Euro brutto. Sie verlangt für beide Monate zusätzlich jeweils 44,89 Euro, da zu ihrer Überzeugung die anteilige Jahressonderleistung nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfe.

Dieser Auffassung ist das Arbeitsgericht nicht gefolgt:

Nach Auffassung der Kammer haben die anteiligen Urlaubsgeld- und Weihnachtsgeldzahlungen der Beklagten auch Entgeltcharakter und weisen deshalb einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung auf. Sie sind insofern auch „Lohn im eigentlichen Sinne“ und deshalb mindestlohnrelevant. Dies wird nach Auffassung der Kammer aus der Änderungsvereinbarung der Parteien vom 13.12.2010 hinreichend deutlich. In dieser Vereinbarung haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin die bisher jährlich gewährten Sonderzahlungen von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld anteilig zu einem 1/12 monatlich ausgezahlt erhält und deshalb ab 01.01.2011 eine „entsprechend höhere, gleichmäßige monatliche Grundvergütung“ erhält. Aus Sicht der Kammer geht aus dieser Formulierung mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass die monatliche Grundvergütung der Klägerin nunmehr höher sein sollte, da die zu einem 1/12 ausgezahlten bisherigen jährlichen Sonderzahlungen in diese Grundvergütung einfließen. Allein der Umstand, dass die Weihnachtsgeldzahlungen und Urlaubsgeldzahlungen in den Lohnabrechnungen der Beklagten noch gesondert ausgewiesen werden, ändert nach Auffassung der Kammer an diesem Umstand nichts. Insbesondere ist hierbei zu berücksichtigen, dass sie in den Lohnabrechnungen jeweils auch als Grundgehalt bezeichnet werden, wenn auch mit dem Zusatz „1/12 JL“ bzw. „1/12 UG“. Da es sich jedenfalls um Vergütung handelt, ist der erforderliche Entgeltcharakter ohne Weiteres gegeben.

Vollständig abgewiesen wurde die Klage dennoch nicht: Bei geleisteten 84,5 Arbeitsstunden stand der Klägerin ein Mindestlohn in Höhe von (84,5 x 8,50 Euro =) 718,25 Euro monatlich zu. Da die Beklagte in beiden Monaten jeweils nur 718,24 Euro erfüllt hatte, wurde sie zur Zahlung in Höhe von weiteren 2 Cent (natürlich nebst Zinsen!) verurteilt. Und - sicherlich zur Freude der Anwälte bei diesem beträchtlichen Streitwert: Die Berufung wurde zugelassen.

ArbG Herne, Urt. vom 7.7.2015 - 3 Ca 684/15, BeckRS 2015, 72022

Zu weiteren Einzelfragen der Anrechnung bestimmter Lohnbestandteile auf den Mindestlohn siehe auch die Diskussion hier im BeckBlog.

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