Verteidiger ist Verteidiger und braucht auch für Abwesenheitsverhandlung keine Vertretungsvollmacht...wohl aber für Erklärungen für den Betroffenen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.10.2015

Abwesenheitsverhandlung und Vertretungsvollmacht mal anders: Der Betroffene war auf seinen Antrag hin von der Erscheinenspflicht entbunden worden. Er war dann auch nicht zum Termin da. Wohl aber sein Verteidiger, der jedoch keine Vertretungsvollmacht dabei hatte (kurzer Hinweis für Verteidiger: Hätte er sich auch einfach selbst ausstellen und zur Akte reichen können). Dementsprechend kam es zu einer ganz schnöden Abwesenheitsverhandlung. Das Problem der fehlenden Vertretungsmacht spilete dann aber in der Rechtsbeschwerde wieder eine Rolle:

Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, der Betroffene habe „begründeten Anlass zur Annahme“ gehabt, „dass der ‚Hintermann’ auf sein KFZ auffahren würde“, prozessrechtswidrig abgelehnt, ist jedenfalls unbegründet.

a) Allerdings steht der Zulässigkeit der Verfahrensrüge nicht entgegen, dass der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausweislich der Urteilsgründe keine schriftliche Vertretungsvollmacht vorlegen konnte und sich diese zu diesem Zeitpunkt auch nicht bei den Akten befand. Zwar konnte sich der Betroffene, der von der Anwesenheitsverpflichtung nach § 73 Abs. 2 OWiG entbunden war, nach § 73 Abs. 3 OWiG nur durch „einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen“. Es kann aber offen bleiben, ob die Vertretungsvollmacht, wie es trotz der unterschiedlichen Formulierungen von § 73 Abs. 3 OWiG und § 51 Abs. 3 OWiG („Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet“) einhelliger Meinung entspricht, dem Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung schriftlich vorliegen muss (so OLG Bamberg NZV 2011, 509; OLG Jena VRS 111, 200; Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG 4. Aufl., § 73 Rn. 41) oder ob etwa eine anwaltliche Versicherung des Bestehens einer schriftlichen Vertretungsvollmacht genügen könnte. Denn der nur mit einer Verteidigervollmacht versehene Rechtsanwalt kann zwar anstelle des Betroffenen keine Erklärungen abgeben oder entgegennehmen, er hat aber sämtliche dem Verteidiger zustehenden Befugnisse (vgl. BayObLG VRS 61, 39; Senge in Karlsruher Kommentar, aaO, § 73 Rn. 42). Dazu gehört auch das Recht, in der Hauptverhandlung Anträge zu stellen.

Da der Verteidiger hier ausweislich der Rechtsbeschwerdeschrift bevollmächtigt war und die Verteidigervollmacht, anders als die Vertretungsvollmacht, auch im Abwesenheitsverfahren keiner Form bedarf (vgl. Seitz in Göhler, OWiG 16. Aufl., § 73 Rn. 26), konnte der Verteidiger in der Hauptverhandlung im eigenen Namen wirksam Anträge stellen.

KG, Beschl. v.    02.09.2015 - 3 Ws (B) 447/15

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