Zugang der Kündigung - Zugangsvereitelung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 13.10.2015

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und vorab über die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage. Diese kann nur Erfolg haben, wenn sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht erhoben worden ist (§ 4 Satz 1 KSchG).

Die Klägerin war bei der – inzwischen insolventen – Arbeitgeberin seit März 2011 als Altenpflegerin beschäftigt. Am 22.10.2012 fand im Büro der Gesellschafterinnen ein Gespräch zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin statt. Der dort anwesende Anwalt der Arbeitgeberin erklärte der Klägerin, sie werde eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Die Arbeitgeberin behauptet, der Anwalt habe der Klägerin die Kündigung „hingehalten“, diese habe sich aber geweigert, die Kündigung entgegenzunehmen und habe das Büro sodann ohne das Kündigungsschreiben verlassen. Am Nachmittag desselben Tages hätten ihr Pflegedienstleiter und ein Auszubildender die Klägerin unter ihrer Wohnanschrift aufgesucht. Diese habe die Haustür zunächst nicht geöffnet. Schließlich sei sie den beiden Mitarbeitern in Dienstkleidung entgegengekommen. Auf deren Hinweis, sie wollten ihr einen Brief übergeben, habe sie erklärt, keine Zeit zu haben und habe das Haus verlassen. Die Mitarbeiter hätten das Kündigungsschreiben daraufhin in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen.

Die Klägerin hat am 14.11.2012 beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie bestreitet den Vortrag der Arbeitgeberin und trägt ihrerseits vor, sie habe das Kündigungsschreiben erst am Vormittag des 24.10.2012 in ihrem Briefkasten vorgefunden.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen, das LAG Hamburg hat ihr stattgegeben. Die Revision der Arbeitgeberin (bzw. ihres Insolvenzverwalters) führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Das LAG muss noch feststellen, ob – wie von der Arbeitgeberin behauptet – die Kündigung am 22.10. oder jedenfalls am 23.10.2012 zugegangen ist oder wegen „treuwidriger Zugangsvereitelung“ als zugegangen gilt. Denn dann wäre die Klage verspätet erhoben, sodass die Kündigung nach § 7 KSchG als wirksam gölte.

BAG, Urt. vom 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183

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2 Kommentare

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Liest man die Urteilsgründe unter 2.aa) dann dürfte es im Ergebnis darauf ankommen, ob derjeinige, der die Kündigung ausgehändigt hat, diese auf dem Tisch hat liegen lassen oder aber wieder an sich genommen hat. Interessant.

 

Hat er sie liegen gelassen, dann gelte die Kündigung als zugestellt, hat er sie wieder entgegengenommen, dann nicht?

 

Stellt sich noch die Frage, wie lange die Kündigung dann auf dem Tisch liegen bleiben müsste, damit sie als zugegangen gilt.

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