Mal wieder: Rechtlicher Hinweis nötig bei "isolierter Sperre" - erfolgreiche Sprungrevision

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.10.2015
Rechtsgebiete: SperreStrafrechtVerkehrsrecht1|3544 Aufrufe

Die Sprungrevision ist trotz guter Erfolgsquoten nicht gerade ein Renner unter Verteidigern. Nachfolgender Fall zeigt ganz gut, dass etwa der Klassiker "vergessener rechtlicher Hinweis" eine erfolgreiche Revision einfach begründen kann:

I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt und angeordnet, dass ihm vor Ablauf von zwölf Monaten keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen die Anordnung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wendet sich der Angeklagte mit seiner (Sprung-) Revision, mit der er in erster Linie die Verletzung formellen Rechts rügt. Entgegen § 265 Abs. 2 StPO sei er nicht auf die Möglichkeit der Anordnung einer Sperre nach §§ 69, 69a StGB hingewiesen worden. Mit der Sachrüge macht er geltend, den Urteilsgründen lasse sich nicht entnehmen, weshalb die Sperre angeordnet worden sei. Die Revision hat in dem beantragten Umfang Erfolg.

II........Nach § 265 Abs. 1 StPO bedarf es eines Hinweises, wenn der Angeklagte wegen eines nicht in der zugelassenen Anklage enthaltenen Strafgesetzes verurteilt werden soll; dies gilt nach § 265 Abs. 2 StPO auch, wenn die Anordnung einer Maßregel in Betracht kommt. Deshalb hat das Gericht in der Hauptverhandlung auf die Möglichkeit einer isolierten Sperrfrist hinzuweisen, wenn die Anklage oder der Eröffnungsbeschluss die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat nicht als Voraussetzung für die Anordnung einer Sperrfrist bezeichnet hat (vgl. BGH StraFo 2003, 276; LK/Geppert, StGB, 12. Aufl., § 69, Rn. 230).

Die Anklageschrift vom 26. November 2014 enthält keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung einer Sperre nach §§ 69, 69a StGB. Dem Eröffnungsbeschluss vom 9. Februar 2015 ist ein solcher Hinweis ebenfalls nicht zu entnehmen. Indem das Amtsgericht im Urteil eine Maßregel verhängt hat, die weder in der Anklage noch im Eröffnungsbeschluss enthalten war, ohne zuvor in der Hauptverhandlung einen entsprechenden Hinweis zu erteilen, hat es gegen die Hinweispflicht aus § 265 Abs. 1 und 2 StPO verstoßen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 8. April 2004 - 1 St RR 56/04 -, Rn 8, juris). Der Hinweis war auch nicht dadurch entbehrlich, dass die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag die Anordnung einer Sperrfrist beantragt hat. Der nach § 265 Abs. 1 und 2 StPO erforderliche Hinweis muss durch das Gericht selbst gegeben werden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 1993 - 1 StR 152/93 -, Rn. 2, juris; BayObLG aaO., Rn. 13).

3. Die Anordnung der Maßregel beruht auf dem Verfahrensverstoß (§ 337 StPO). Da kein Regelfall nach § 69 Abs. 2 StGB für die Erteilung der Maßregel vorliegt, lässt sich nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte im Falle der Erteilung eines Hinweises anders verteidigt hätte, insbesondere so, wie er dies in der Revisionsbegründungsschrift dargelegt hat.

KG, Beschl. v. 14.07.2015 - (3) 121 Ss 96/15 (75/15)

Ausführlich kann man zu Sperre in meinem Buch Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis, Alkohol, Drogen, 6. Aufl. 2015 nachlesen

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