Kein Mindestlohn in Werkstätten für behinderte Menschen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.10.2015

Behinderte Menschen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfB) tätig sind (§ 136 Abs. 1 SGB IX), haben in der Regel keinen Anspruch auf den Mindestlohn nach dem MiLoG. Das hat das ArbG Kiel entschieden.

Der sachliche Anwendungsbereich des MiLoG beschränke sich nach § 22 Abs. 1 MiLoG grundsätzlich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für die Abgrenzung zur Tätigkeit von schwerbehinderten Menschen im Rahmen eines Werkstattverhältnisses zur Arbeitnehmertätigkeit komme es nicht auf das Maß der Weisungsgebundenheit, sondern darauf an, ob eine Teilhabe am bzw. Eingliederung in das Arbeitsleben im Vordergrund steht (§ 136 SGB IX) oder die Erbringung einer wirtschaftlichen Leistung geschuldet ist (§ 611 BGB). Im Regelfall würden in einer Werkstatt für schwerbehinderte Menschen diese im Rahmen eines Werkstattverhältnisses und nicht als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer tätig. Damit gelte der Mindestlohn nicht für im Rahmen eines Werkstattverhältnisses Tätige.

ArbG Kiel, Urt. vom 19.6.2015 - 2 Ca 165a/15, BeckRS 2015, 72100

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

 

Das dürfte ein krasser Verstoß gegen das AGG sein. Benachteiligungen wegen einer Behinderung mit der Folge Schadensersatz (Differenzlohn) sowie Entschädigung.

2

Tja Gästchen,

schau mal in den Geltungsbereich des AGG und da wird es schon schnell klar, dass das AGG nicht berührt wird und folglich der Schadenersatz wohl ausbleibt. So ist das mit einem mageren AGG. Eher wird man wohl was mit der Grundrechts-/Menschenrechtsbegründeten Diskriminierung. Denn die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung sagt auch etwas über strukturelle Ausgrenzung aus, die ja schon im Ausschluss der Gesetzesformulierung des Mindestlohns angelegt ist. Darüber hinaus ist wohl kaum vermittelbar, dass stark eingeschränkte Menschen, die 38 Stunden in der Woche bis an ihre Leistungsgrenze produktiv sind, als erwerbsunfähig diffamiert werden, um sie von den Segnungen des Mindestlohns ausschließen zu können.

0

Kommentar hinzufügen