LAG Niedersachsen zur Massenentlassung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.10.2015

2013 hatte das BAG in einer Reihe von Verfahren die Konsultationspflichten des Arbeitgebers vor Ausspruch einer Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung deutlich erweitert. Der Zweite Senat hatte betont, dass die Informations- und Beratungspflichten nach § 17 Abs. 2 KSchG neben die Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1 und 3 KSchG treten und eine Verletzung dieser Pflichten die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB zur Folge hat (BAG, Urt. vom 21.3.2013 - 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 und weitere Urteile vom gleichen Tage).

Das LAG Niedersachsen hatte jetzt zu entscheiden, ob mit der Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte im Zuge von Betriebsänderungen, insbesondere Verhandlungen über einen Interessenausgleich (§ 112 Abs. 1 BetrVG), zugleich den Konsultationserfordernissen des § 17 Abs. 2 KSchG Genüge getan ist. Der Arbeitnehmer hatte im Rahmen seines Kündigungsschutzverfahrens die Verletzung von § 17 Abs. 2 KSchG gerügt. Seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des ArbG Hameln blieb beim LAG Niedersachsen ohne Erfolg:

Die Verhandlung über einen Interessenausgleich im Sinne des § 112 Abs. 1 BetrVG und die Beratungen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mögen sich möglicherweise formal unterscheiden, sind jedoch in der Praxis inhaltlich deckungsgleich. Hier eine Unterscheidung zu treffen, wäre ein übertriebener Formalismus, welchem die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichtes eine klare Absage erteilt. Bei aller Formalisierung der nationalen Rechtsordnung, auch unter Einfluss der zunehmenden Europäisierung muss das Recht praxistauglich sein. Gekünstelte theoretische Ergebnisse sind zu vermeiden. Das Angebot, über einen Interessenausgleich im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu verhandeln, umfasst auch das Beratungsangebot im Sinne des 17 Abs. 2 KSchG.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

LAG Niedersachsen, Urt. vom 26.2.2015 - 5 Sa 1318/14, BeckRS 2015, 68010

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