Rechtsmittelverzicht im Strafverfahren nicht "vorgelesen und genehmigt" - und nun?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.10.2015

Mal wieder reines Strafprozessrecht. Der Angeklagte hatte – nach Rücksprache mit seinem Verteidiger – im Anschluss an die Verkündung des Urteils und nach Rechtsmittelbelehrung erklärt: “Ich nehme das Urteil an.“ Sein Verteidiger hatte anschließend keine Erklärung abgegeben. Später wurde Revision eingelegt...die war dann unzulässig:

Die Revision des Angeklagten ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam
auf Rechtsmittel verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

1. Wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, hat der Angeklagte
– nach Rücksprache mit seinem Verteidiger – im Anschluss an die Verkündung
des Urteils und nach Rechtsmittelbelehrung erklärt: “Ich nehme das
Urteil an.“ Sein Verteidiger hat anschließend keine Erklärung abgegeben. Die
Erklärung des Angeklagten wurde zwar nicht – wie es sich im Interesse der Verfahrensklarheit
empfiehlt (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2000 – 4 StR
619/99, NStZ 2000, 441 mwN) – gemäß § 273 Abs. 3 StPO vorgelesen und
genehmigt; dies hat aber nur zur Folge, dass dem Protokollvermerk über den
Rechtsmittelverzicht keine Beweiskraft im Sinne des § 274 StPO zukommt.
Gleichwohl ist dieser Vermerk ein gewichtiges Beweisanzeichen dafür, dass der
Angeklagte die in der Niederschrift festgehaltene Erklärung abgegeben hat
(Senat aaO). Deren inhaltliche Richtigkeit wird durch die eingeholten dienstlichen
Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin bestätigt und
auch von der Verteidigung nicht in Abrede gestellt. Der Senat sieht daher keinen
weiter gehenden Aufklärungsbedarf.

2. a) Der Rechtsmittelverzicht kann als Prozesshandlung nicht widerrufen,
wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (st. Rspr.;
vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 – 1 StR 40/14, NStZ 2014, 533,
534).

b) Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts
des Angeklagten führen könnten, liegen nicht vor. Eine die Wirksamkeit
des Rechtsmittelverzichts hindernde Verständigung nach § 257c StPO oder
eine ebenso wirkende informelle Verständigung gab es in dem Verfahren nicht.

Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte für eine unzulässige Willensbeeinflussung
des Angeklagten vor Abgabe des Rechtsmittelverzichts.

BGH, Beschluss vom 8.9.2015 - 4 StR 272/15

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen