Ryanair unterliegt vor Dänischem Arbeitsgerichtshof - und schließt seine Basis in Kopenhagen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.10.2015
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtZuständigkeitRyanairDänemark7|3721 Aufrufe

Zur Abwechslung mal wieder ein wenig Arbeitsrecht aus dem europäischen Ausland:

Die irische Fluggesellschaft Ryanair ist nicht nur für ihre günstigen Flugpreise bekannt - sondern unter Arbeitsrechtlern durchaus auch für interessante Rechtsstreitigkeiten. Am Flughafen Kopenhagen hatte Ryanair eine Niederlassung eröffnet. Seitdem stritt sie mit den dänischen Gewerkschaften um deren Zuständigkeit für Tarifverhandlungen. Nach Auffassung von Ryanair unterliegen alle Arbeitsverträge dem Recht des Firmensitzes in Irland. Aus diesem Grunde sind die dänischen Gewerkschaften nach Auffassung von Ryanair international nicht zuständig.

Mit Urteil vom 1.7.2015 erklärte der dänische Arbeitsgerichtshof die dänischen Gewerkschaften für zuständig, die Arbeitnehmer zu organisieren und in Tarifverhandlungen mit Ryanair einzutreten (nichtamtliche englische Übersetzung des Urteils auf den Internetseiten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes). Daraufhin rief der dänische Gewerkschaftsbund LO für den 18.7.2015 zu Solidaritätsaktionen am Kopenhagener Flughafen auf. Diese hätten dazu geführt, dass Ryanair von der Betankung seiner Flugzeuge, der Gepäckabfertigung und dem Catering ausgeschlossen gewesen wäre. Einige Tage später sollten vergleichbare Solidaritätsaktionen gegen Ryanair auch am Flughafen Billund in Jütland stattfinden.

Daraufhin entschied die Unternehmensleitung von Ryanair am 15.7.2015, sich aus Dänemark zurückzuziehen. Die Basis soll stattdessen nach Kaunas in Litauen verlegt werden. Außerdem will Ryanair das Urteil des dänischen Arbeitsgerichtshofs anfechten.

Korrektur:

In einer früheren Fassung des Beitrages hieß es, Ryanair biete keine Flüge mehr nach Dänemark an. Das ist nicht zutreffend. Nur die Niederlassung in Kopenhagen wurde aufgegeben. Siehe dazu den Kommentar #2 von Herrn Schöneberg. Ich bitte um Entschuldigung.

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7 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Rolfs,

der Blogeintrag umfasst leider einen gravierenden inhaltlich Fehler - bereits in der Überschrift ("und fliegt künftig nicht mehr ab Kopenhagen"; bzw. im Text: "sich vollständig aus Dänemark zurückzuziehen").
Tatsächlich betreibt Ryanair lediglich keine Basis mehr in Dänemark, Flüge von und nach Kopenhagen werden weiterhin durchgeführt, die Airline hat sich also nicht aus Kopenhagen zurückgezogen, fliegt sogar nun neu nach Köln-Bonn.

5

Die Entscheidung kann hier im dänischen Original nachgelesen werden:

http://www.arbejdsretten.dk/media/1125391/dom%20ar2015.0083.pdf

Die Spruchkammer, von der die Entscheidung stammt, heißt im Dänischen eigentlich nur "Arbejdsret" (bestimmer Artikel: Arbejdsretten). Das bedeutet übersetzt eigentlich nichts anderes als "[Das] Arbeitsgericht", aber bekanntlich sind innerhalb der verwandten germanischen Sprachen die false friends trügerisch.

Das, was man in Deutschland unter einem Arbeitsgericht verstehen würde, heißt in Dänemark nämlich nicht "Arbeitsgericht", sondern "Dienstmannsgericht", auf dänisch "Tjenestemandsretten", was es regional/kommunal und als zentrales Reichsgericht (Reich i. S. von Königreich) gibt.  

Dagegen ist die Institution, die in dem Ryan-Air-Fall zuständig war, der ähnlich klingenden Bezeichnung "Arbeijdsret" zum Trotz kein "Arbeitsgericht", sondern die Bezeichnung für die 1910 gegründete Institution, die früher "Die ständige Schlichtungsstelle" (Den Faste Voldgiftsrecht) hieß, nämlich eine Spruchkammer für kollektivrechtliche Auseinandersetzungen (§ 9 des Gesetzes über das Arbejdsret). Die Rolle von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ist in Dänemark so stark oder zumindest so speziell, dass deren Angelegenheiten aus der normalen Arbeitsgerichtsbarkeit ausgegliedert sind.

Die (übrigens unanfechbaren) Schlichtersprüche des Arbejdsret, werden als "dom" (Urteil) bezeichnet und stehen den Urteilen von Arbeits- oder ordentlichen Gerichten gleich.

 

Anm. zu meinem obigen Beitrag # 5:

Er enthält einen Tippfehler. Die dort erwähnte Bezeichnung "Die ständige Schlichtungsstelle" der 1910 gegründeten Spruchkammer heißt auf Dänisch korrekt "Den Faste Voldgiftsret"; in meinem Beitrag war in der letzten Silbe "-ret" irrig ein "ch" enthalten.

Arbeitsrechtlich hat Ryanair ohnehin Ärger in fast ganz Europa. Die Beschäftigung von Piloten geschieht z.B. vorzugsweise als Scheinselbständige:

http://www.presseportal.de/pm/7899/3164903

Nach eingehender Prüfung, heißt es nun in dem Schreiben des
Spitzenverbandes der Krankenkassen, komme man zu dem Schluss, dass
ein früherer Ryanair-Pilot "sozialversicherungsrechtlich als
Arbeitnehmer" des Personalvermittlers einzustufen sei. Der Pilot habe
Ryanair-Uniform getragen und sich laut Vertrag verpflichtet, elf
Monate im Jahr bereit zu stehen. Die Einsatzzeiten würden vom
Auftraggeber vorgegeben. Der Pilot hätte kein Recht gehabt, Einsätze
abzulehnen. Deshalb erkenne man "kein nennenswertes unternehmerisches
Handeln". "Vom zeitlichen Rahmen her liegt damit eine vollzeitige
Verfügbarkeit [...] einschließlich einer Urlaubsregelung vor, wie sie
bei Arbeitnehmern besteht", schreibt der Spitzenverband. Die Piloten
werden damit sozialversicherungsrechtlich als ganz normale
Beschäftigte des Personalvermittlers eingestuft - mit allen Pflichten
für Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung.

In Frankreich und Italien wurde sogar Ryanair selbst schon zu
Nachzahlungen in Millionenhöhe an die Sozialkassen verurteilt. In
Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen rund 50
Piloten und den Personalvermittler, der die selbständigen Piloten an
Ryanair vermittelt.

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