BSG zu Beitragsnachforderungen aufgrund des CGZP-Beschlusses

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.12.2015
Rechtsgebiete: Arbeitsrechtequal paySozialversicherungCGZP|4120 Aufrufe

"Die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auch für Zeiten vor dem Beschluss des BAG über die Tarifunfähigkeit der 'Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agen­turen' (CGZP) ist bundesrechtlich grundsätzlich zulässig."

Das hat der 12. Senat des BSG fast auf den Tag genau fünf Jahre nach dem CGZP-Beschluss des BAG (vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10, NZA 2011, 289) am 16.12.2015 entschieden (B 12 R 11/14 R, Pressemitteilung hier). Den konkreten Fall hat das Gericht allerdings zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das LSG Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tarifunfähigkeit der CGZP

Bekanntlich hatten viele Unternehmen der Zeitarbeitsbranche mit ihren Arbeitnehmern die Anwendung der CGZP-"Tarifverträge" vereinbart. Infolgedessen haben sie entgegen § 9 Nr. 2 AÜG nicht den im Betrieb des Entleihers für Stammkräfte üblichen Lohn ("equal pay"), sondern nur den deutlich geringeren "Tariflohn" gezahlt. Nachdem das BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt hatte, war klar, dass die "Tarifverträge" keine solchen waren und folglich die für sie mögliche Abweichung vom Equal-pay-Gebot nicht zum Tragen kam. Dadurch wurden auf die Differenzbeträge - unabhängig davon, ob sie arbeitsrechtlich verjährt oder aufgrund wirksam vereinbarter Ausschlussfrist verfallen waren - rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge fällig. Die Verjährungsfrist beträgt mindestens vier, bei Vorsatz sogar 30 Jahre.

Nachforderung von über 75.000 Euro

Im Streitfall wandte sich eine Zeitarbeitsfirma, die über eine AÜG-Erlaubnis verfügt, gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von über 75.000 Euro. Nach dem Urteil des BSG ist die Nachforderung der Beiträge auch für Zeiten vor dem 14.12.2010 zwar grundsätzlich zulässig, die genaue Höhe der Forderung muss jedoch noch weiter geprüft werden. Auf das Landessozialgericht kommt eine Menge Arbeit zu:

Vor einer abschließenden Entscheidung müssen zunächst die betroffenen Beschäftigten und alle insoweit von den nachgeforderten Beiträgen begünstigten anderen Sozialversicherungsträger als notwendig Beigeladene am Rechtsstreit beteiligt werden.

Darüber hinaus müssen Tatsachenfeststellungen dazu nachgeholt werden, welche Beiträge auf welche konkreten Entgeltansprüche entfallen und welche Beitragsanteile darüber hinausgehend auf einer (an sich grundsätzlich zulässigen) Schätzung beruhen. Sollen zudem – wie hier – über die vierjährige Verjährungsfrist hinaus Beiträge wegen vorsätzlicher Vorenthaltung unter Berufung auf die 30-jährige Verjährungsfrist nacherhoben werden, bedarf es genauerer Feststellungen zum Vorsatz, also zum Beispiel zu Kenntnis und Verhalten der im Betrieb verantwortlichen Personen.

Kein Vertrauensschutz

Zur Überzeugung des BSG kann die Klägerin sich aufgrund der vorangegangenen Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit und beim BVerfG grundsätzlich nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz berufen. Wegen der Unwirksamkeit der "tariflichen" Regelungen besteht ein Anspruch der Leiharbeitnehmer auf ein den Stammbeschäftigten des Entleihers gleich hohes Arbeitsentgelt (§ 9 Nr. 2 AÜG). Dieses bildet auch die Grundlage für die Beitragshöhe. Allerdings konnte mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Sozialgerichts nicht entschieden werden, in welcher Höhe und für welche Zeiträume genau hier Beiträge nachzuzahlen sind.

Insgesamt geht es um 220 Mio. Euro

Bei dem jetzigen Urteil handelt es sich um die erste höchstrichterliche Entscheidung des BSG zu den Beitragsnachforderungen der Sozialversicherungsträger aufgrund des CGZP-Beschlusses des BAG. Insgesamt hat die Deutsche Rentenversicherung Bund bei über 3.000 Arbeitgebern für Zeiten vom 1.12.2005 bis 31.12.2009 Beitragsnachforderungen von zusammen mehr als 220 Mio. Euro geltend macht.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen