EGMR billigt Kontrolle der elektronischen Korrespondenz eines Arbeitnehmers

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 18.01.2016
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtKontrolleKündigungEGMRMails1|3877 Aufrufe

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einer Entscheidung vom 12.1.2016 (61496/08) entschieden, dass ein Arbeitgeber unter ganz bestimmten Umständen auch die private Kommunikation eines Mitarbeiters auswerten darf. In dem Fall ging es um einen rumänischen Ingenieur, der den zum Vertrieb von Waren eingerichteten Instand-Messenger-Dienst von Yahoo in erheblichem Umfang auch für private Zwecke eingesetzt hatte. Die Auswertung der Chatprotokolle (insgesamt 45 Seiten) hatte ergeben, dass der Ingenieur im Dienst mit seiner Verlobten und seinem Bruder gechattet hatte. Dabei ging es u.a. um Themen wie Sex und Gesundheit. Der Arbeitgeber sah vor diesem Hintergrund zur Kündigung veranlasst. Die rumänischen Gerichte bestätigten die Kündigung. Dagegen hatte der Mitarbeiter vor dem EGMR geklagt, weil er Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt sah: Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. Nach Ansicht des Gerichtshofs liegen in dem jetzt entschiedenen Fall jedoch einige sehr spezifische Voraussetzungen vor, die das Vorgehen des Unternehmens decken. So war es den Mitarbeitern ausdrücklich verboten, technische Geräte (auch Computer) für persönliche Zwecke zu nutzen. Sodann ging die Firma davon aus, beim Überwachen ausschließlich Daten zur eigentlichen Arbeit des Ingenieurs zu finden. Nach Einschätzung des Gerichts war der Kläger ausreichend über diese Regeln informiert worden. Laut dem Gerichtshof ist der Artikel 8 bei diesem Fall zwar zutreffend, jedoch sei es nicht unangemessen anzunehmen, dass der Arbeitgeber sicherstellen wolle, dass der Ingenieur seine Aufgaben während der Arbeitszeit erledige. Zudem habe das Gericht ausschließlich notwendige Details seiner privaten Korrespondenz verwendet und so ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Ingenieurs und denen der Firma eingehalten. Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht sind zunächst nicht erkennbar. Auch das BAG sieht in der zeitintensiven Nutzung des Internets oder von Mail-Programmen einen Pflichtverstoß (Verletzung der Hauptleistungspflicht zur Erbringung der geschuldeten Arbeit), der grundsätzlich mit einer Kündigung sanktioniert werden kann. Allerdings ist der Arbeitgeber gut beraten, die Zulässigkeit der privaten Nutzung transparent zu regeln, also entweder die Modalitäten zu nennen oder ein generelles Verbot zu verhängen. Dies sollte, wenn ein Betriebsrat existiert, in einer Betriebsvereinbarung erfolgen.  

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