Jetzt auch: FamilienVATER ist besonders haftempfindlich - sorgfältige Begründung der Strafe ist angesagt!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.01.2016

Vor einigen Monaten (oder ist dies schon länger her?) gab es eine Entscheidung hier im Blog, bei der es darum ging, dass eine Mutter gerade als solche besser im Strafverfahren wegkam als andere. Klang auf den ersten Blick erstaunlich, macht aber Sinn....und ist natürlich auch auf Väter zu übertragen. Hier eine Entscheidung des OLG Hamm, in der das OLG die Erwägungen im Rahmen der Strafzumessung (und auch im Rahmen der Bewährungsbeurteilung) nicht für ausreichend erachtet hat:

Die Revision rügt mit Recht, dass die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, ob sich das Amtsgericht der besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB für die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bewusst gewesen ist.

Gemäß § 47 Abs. 1 Alt. 1 StGB verhängt das Gericht eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur, wenn es deren Verhängung aufgrund besonderer Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters für unerlässlich erachtet, wenn also unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention der Strafzweck „zur Einwirkung auf den Täter“ durch eine Geldstrafe nicht oder kaum zu erreichen ist und aus diesem Grund eine Freiheitsstrafe unverzichtbar erscheint, um den Täter dazu zu bringen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden (vgl. BGHSt. 24, 164, 165; Fischer, StGB, 62. Aufl., §47 Rdnr. 7 m.w.Nachw.). Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. BGH, StV 1994, 370; Senatsbeschluss vom 02. September 2014 - HI-5 RVs 82/14 -). Zwar müssen im Rahmen der Strafzumessung nicht sämtliche Gesichtspunkte, sondern nur die wesentlichen dargestellt werden, um den in §§ 46, 47 StGB insoweit gestellten Anforderungen gerecht zu werden, und es ist auch nicht geboten, dass in den Urteilsgründen das Wort „unerlässlich“ genannt wird. Jedoch muss sich jedenfalls aus dem Zusammenhang der Strafzumessungserwägungen im Übrigen ergeben, dass sich das Tatgericht der engen Voraussetzungen des Gesetzesbegriffs der Sache nach bewusst war und diesen seiner Entscheidung auch zutreffend zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsbeschluss, a. a. O.). Zudem muss die Begründung erkennen lassen, dass sich das Gericht der Bedeutung des Übermaßverbotes bewusst war (vgl. KG, StV 2007, 35; Fischer, a. a. O., § 47 Rdnr. 10). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Urteil geht auf die Vorschrift des § 47 StGB nicht ein. Statt dessen hat das Amtsgericht die erkannte Freiheitsstrafe von vier Monaten - im Tenor des angefochtenen Urteils irrtümlich als Gesamtfreiheitsstrafe bezeichnet - für „tat- und schuldangemessen“ erachtet, was gerade nicht dem Begriff der Unerlässlichkeit entspricht. Auch den allgemeinen Strafzumessungserwägungen kann nicht hinreichend entnommen werden, dass besondere Umstände in der Person oder in der Tat des Angeklagten die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich machen.

Dass besondere Umstände, die in der Tat oder in der Persönlichkeit des Angeklagten liegen, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (§ 47 Abs. 1 Alt. 2 StGB), ist ebenfalls nicht dargetan.

b) Außerdem hat das Amtsgericht erneut verkannt, dass bereits im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 46 StGB) zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen ist, dass dieser als Familienvater, der bislang keine Hafterfahrung gesammelt hat, besonders haftempfindlich ist.

Soweit das Amtsgericht bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB ausgeführt hat, im Fall des Angeklagten sei gerade nicht von einer besonderen Haftempfindlichkeit auszugehen, wird zum einen die gebotene Trennung von Strafzumessungserwägungen und Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung außer acht gelassen. Zum anderen hat das Amtsgericht die nach § 358 Abs. 1 StPO bestehende Bindungswirkung hinsichtlich der Aufhebungsansicht des Revisionsgerichts verkannt. Zu den für die Aufhebungsansicht tragenden sachlich-rechtlichen Erwägungen können Rechtsausführungen aller Art gehören, so auch über Strafzumessungserwägungen (vgl. BGH, NStZ 1993, 552; Gericke, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., §358 Rdnr. 9). Der teilweisen Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils vom 31. Juli 2014 durch den Senatsbeschluss vom 27. November 2014 lag ausdrücklich die Rechtsauffassung zugrunde, dass zugunsten des Angeklagten, der Familienvater ist und bislang noch keine Haftstrafe verbüßt hat, eine besondere Haftempfindlichkeit anzunehmen ist. Das Amtsgericht hat gleichwohl eine besondere Haftempfindlichkeit mit der Erwägung verneint, der Angeklagte habe als Familienvater gewusst, welches Risiko er mit der weiteren Begehung einer Straftat eingegangen sei. Damit hat das Amtsgericht die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Der Verstoß gegen § 358 Abs. 1 StPO ist bereits auf die allgemeine Sachrüge hin zu prüfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 358 Rdnr. 10).

OLG Hamm, Beschluss vom 29.09.2015 - III-5 RVs 121/15, III-5 Ws 314/15

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