Altersgrenze für Piloten erneut beim EuGH

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 01.02.2016
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtDiskriminierungAltersgrenzePiloten1|3102 Aufrufe

Bis vor fünf Jahren entsprach es ständiger Rechtsprechung des BAG, dass die tarifvertragliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten im Hinblick auf die Sicherheit des Luftverkehrs, zum Schutz der Passagiere und der Bewohner der überflogenen Gebiete wirksam ist (zB BAG 12.2.1992 - 7 AZR 100/91, NZA 1993, 998; 21.7.2004 - 7 AZR 589/03, NZA 2004, 1352). Auf Vorabentscheidungsersuchen des BAG hat der EuGH dann in der Rechtssache Prigge im gegenteiligen Sinne erkannt: Die internationalen luftfahrtrechtlichen Bestimmungen sehen vor, dass der Pilot oder Copilot zwischen 60 und 64 Jahren alt sein darf, wenn das Cockpit mit mindestens zwei Personen besetzt und die andere Person noch keine 60 Jahre alt ist (EuGH 13.9.2011 - C-447/09, NZA 2011, 1039). Seitdem ist anerkannt, dass die "Zwangspensionierung" von Piloten nicht schon mit 60, sondern erst mit 65 Jahren erfolgen darf.

Im Hinblick auf die Anhebung der Regelaltersgrenze in der Gesetzlichen Rentenversicherung verbleibt seit 2012 trotzdem eine Lücke: Während das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Flugzeugführer das 65. Lebensjahr vollendet, kann Altersrente je nach Geburtsjahr erst ein paar Monate später beansprucht werden.

Der Kläger des aktuellen Verfahrens ist 1948 geboren, kann die Regelaltersrente also erst mit 65 Jahren und zwei Monaten in Anspruch nehmen (§ 235 Abs. 2 SGB VI). Seit 1986 ist er für die Beklagte als Pilot tätig. Im Oktober 2013 vollendete er das 65. Lebensjahr, die Beklagte beschäftigte und vergütete ihn in den beiden darauffolgenden Monaten nicht mehr. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses trat gleichwohl erst mit Rentenbeginn ein. Der Kläger fordert die Vergütung für die Monate November und Dezember 2013.

Nach Auffassung des BAG hängt die Begründetheit der Klage davon ab, ob der Kläger in diesen beiden Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres luftverkehrsrechtlich als Pilot eingesetzt werden durfte oder nicht. Der 5. Senat legt daher dem EuGH mehrere Fragen zur Wirksamkeit und zur Auslegung dieser Bestimmungen (FCL.065 b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 vom 3.11.2011) vor:

1. Ist FCL.065 b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 mit dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Art. 21 Abs. 1 GRC vereinbar?
2. Ist FCL.065 b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 mit Art. 15 Abs. 1 GRC, wonach jede Person das Recht hat zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben, vereinbar?
3. Falls die erste und zweite Frage bejaht werden:
a) Fallen unter den Begriff des „gewerblichen Luftverkehrs“ im Sinne der FCL.065 b bzw. der Bestimmung dieses Begriffs in FCL.010 des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 auch sog. Leerflüge im Gewerbebetrieb eines Luftverkehrsunternehmens, bei denen weder Fluggäste, noch Fracht oder Post befördert werden?
b) Fallen unter den Begriff des „gewerblichen Luftverkehrs“ im Sinne der FCL.065 b bzw. der Bestimmung dieses Begriffs in FCL.010 des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 die Ausbildung und Abnahme von Prüfungen, bei denen der über 65-jährige Pilot sich als nicht fliegendes Mitglied der Crew im Cockpit des Flugzeugs aufhält?

BAG, Beschluss vom 27.1.2016 - 5 AZR 263/15 (A); Pressemitteilung des Gerichts hier

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Ein neuerlicher Beweis, wie unsere Gericht mit dem klaren Verständnis des "AGG"s herumseiern. Ein Armutszeugnis für unsere Arbeitsrichter. Na wenigstens tritt Besserung dahingehend ein, dass wenigstens mal der EuGH befragt wird.

1

Kommentar hinzufügen