Wirksame Befristung trotz vorheriger Arbeitsaufnahme?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.02.2016
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtSchriftformBefristungElternzeit4|8860 Aufrufe

Das kann vor allem in größeren Unternehmen schnell passieren: Der Arbeitgeber (vertreten durch ein Mitglied der Personalabteilung) will den Arbeitnehmer nur befristet einstellen. Noch bevor der den Arbeitsvertrag gegengezeichnet zurückgeschickt hat, fängt er schon zu arbeiten an. Dann kann durch die bloße Arbeitsaufnahme konkludent ein (unbefristeter) Arbeitsvertrag zustande gekommen sein, nicht aber ein befristeter, weil die dafür nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderliche Schriftform nicht gewahrt wurde. Diesen unbefristeten Vertrag dann nachträglich noch zu befristen, ist kompliziert und jedenfalls nicht ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 TzBfG) möglich.

Teilnahme an Schuljahreskonferenz durch eine Lehrerin noch vor Unterrichtsbeginn

Die Klägerin, die die Ausbildung zur Lehrerin nicht abgeschlossen hat (kein zweites Staatsexamen), war aufgrund mehrerer befristeter Verträge bereits seit zweieinhalb Jahren für das Land NRW tätig. Ihr Vertrag sollte am 29.8.2013 auslaufen. Am 6.8.2013 übersandte die zuständige Bezirksregierung ihr einen arbeitgeberseitig bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag für das Schuljahr 2013/14 (30.8.2013 bis 19.8.2014), als Elternzeit-Vertretung befristet nach § 21 BEEG. Die Klägerin unterzeichnete den Vertrag zunächst nicht, sondern nahm am 2.9.2013 an der einleitenden Schuljahreskonferenz teil. Erst vor Aufnahme ihrer ersten Unterrichtstätigkeit in diesem Schuljahr am 5.9.2013 unterzeichnete sie den Vertrag. Sie macht die Unwirksamkeit der Befristung geltend und ist der Auffassung, dass bereits mit ihrer Teilnahme an der Konferenz ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Die nachfolgende Unterzeichnung des befristeten Vertrages wandele das bereits bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis nicht in ein befristetes um. Hierfür fehle es an einem darauf gerichteten rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien. Demgegenüber macht das beklagte Land geltend, die Teilnahme an der Lehrerkonferenz sei zum einen noch gar keine Arbeitsaufnahme und zum anderen vor dem Hintergrund des beiden Seiten bewussten Schriftlichkeitserfordernisses unerheblich gewesen. Schließlich fehle dem Schulleiter, der die Klägerin an der Konferenz habe teilnehmen lassen, die erforderliche Vertretungsbefugnis für das beklagte Land. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

LAG Düsseldorf: Kein unbefristetes Arbeitsverhältnis gegen den Willen des Landes

Die Berufung des Landes NRW hatte vor dem LAG Düsseldorf Erfolg:

Nimmt der Arbeitnehmer in diesen Fällen vor Unterzeichnung der Vertragsurkunde die Arbeit auf, besteht zwischen den Parteien nur ein faktisches Arbeitsverhältnis, weil es an der Abgabe der zum Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen fehlt. Dabei kann dahinstehen, ob in der Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gesehen werden kann. Denn jedenfalls fehlte es an der Annahme durch den Arbeitgeber. Hat der Arbeitgeber durch sein vor der Arbeitsaufnahme liegendes Verhalten verdeutlicht, dass er den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags von der Einhaltung des Schriftformgebots des § 14 Abs. 4 TzBfG abhängig machen will, liegt in der bloßen Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers regelmäßig keine Annahme eines vermeintlichen Vertragsangebots des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann das schriftliche Angebot des Arbeitgebers dann noch nach der Arbeitsaufnahme durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags annehmen.

Die Revision wurde zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urt. vom 23.9.2015 - 4 Sa 1287/14, BeckRS 2015, 73262

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4 Kommentare

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Die Rechtslage dürfte eigentlich, so wie Sie Sagen Herr Rolfs nach § 14 Abs. 4 TzBfG eindeutig sein. Dass die Teilnahme an einer Lehrerkonferenz keine Arbeitsleistung sei, ist mehr als "gewürfgt".

Hier dürfte mal wieder der alteingesessene Satz " Die eine Krähe....", denn Beklagte war vorliegend die öffentliche Hand.

Dieser traurige Fall führt unsere Arbeitsmaterie mal wieder "ad absurdum". Was hilft das ständige Arbeiten an verschiedenen "Gesetzesauslegungen", wenn letztlich vor Gericht immer so alles hingebogen wirde, dass das gewünschte Ergebnis herauskommt.

Das ist die gelebte "Verlogenheit" unseres Metiers....

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Ich verstehe das Urteil nicht. Wenn ich als Dienstherr anweise (oder wissend dulde), dass jemand vor Vertragsbeginn an einer Konfernz teilnimmt, bin ich damit einverstanden, dass die Arbeit zu diesem Zeitpunkt aufgenommen wird. Ja, Konferenzteilnahmen sind Kerngeschäft von Lehrern. Sie allein auf die reine Lehrtätigkeit beschränken zu wollen (Frei nach dem Motto: "Ja aber sie heißen doch Lehrer, nicht Konferenzeilnehmer!"), ist noch lebensfremder als die ursprüngliche BAG-Rechtsprechung zur Arbeitsaufnahme vor Vertragsbeginn.

Wäre man wirklich so scharf darauf gewesen, dass die Befristung weiterhin gelten soll, hätte man den ursprünglichen Vertrag aufheben können und einen neuen abschließen können, der die Teilnahme an der Konfernz entsprechend berücksichtigt.

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HR Lawyer (m/w) schrieb:

Wäre man wirklich so scharf darauf gewesen, dass die Befristung weiterhin gelten soll, hätte man den ursprünglichen Vertrag aufheben können und einen neuen abschließen können, der die Teilnahme an der Konfernz entsprechend berücksichtigt.

Zunächst mal ist für das Gericht schon fraglich, ob die Klägerin zum entsprechenden Zeitpunkt die Konferenzteilnahme als Arbeitsaufnahme oder lediglich als vorbereitende Handlung ansieht. Als Indiz hierfür nimmt es die widerspruchslose Unterzeichnung des Vertrags im Anschluss. Die Frage bleibt aber offen.

 

Sinngemäß folgt das Gericht dann Ihrem Ansatz. Es sieht in dem Vertragsschluss vom 5.9. eine "eigenständige rechtsgestaltende Regelung", nicht nur das schriftliche Niederlegen einer zuvor formwidrig vereinbarten Befristung. Es nimmt also eine Regelung an, die auch einen eventuell schon bestehenden Arbeitsvertrag hätte ändern können.

Denn es handelt sich um eine Sachgrundbefristung, bei der grundsätzlich zulässig ist, auch nach Beginn der Tätigkeit noch eine Befristung zu vereinbaren. (Lediglich rückwirkend ist das nicht möglich, daher für Zeitbefristungen wegen §14 Abs. 1 S.2 TzBfG nicht gestattet.) Es ist also gar nicht nötig, den alten Vertrag aufzuheben, sondern man kann eine Befristung noch nachträglich vereinbaren.

 

 

Das Urteil fand ich zunächst überraschend, aber die Begründung des Gerichts ist nachvollziehbar, wenn man das Urteil vollständig liest.

 

Interessant dabei auch die Aussage, dass eine automatisch als Antwort auf eine eingehende Mail verschickte Abwesenheitsnachricht den Zugang der Mail nachweisen kann.

Ich finde dieses Urteil vollkommen nachvollziehbar. Am 06.08 wird der unterschriebene Vertrag übersendet und soll ab dem 30.08 gelten. Die Arbeitnehmerin hat also mehr als 3 Wochen zeit den Vertrag zu unterschreiben und zurück zu senden! Das nicht unterschreiben und zurücksenden, ist also ganz klar aufgrund ihres Versäumnisses geschehen. Wenn sie dann am 02.09 an einer Konferenz teilnimmt, ist dies nach dem eigentlichen Vertragsbeginn. Und nur weil die Arbeitnehmerin, evtl. bewusst, die Unterschrift verzögert, kann sich daraus doch kein unbefristetes AV begründen. Sie Es war seitens des Arbeitgebers ja deutlich, dass der befristete Vertrag vor Vertragsbeginn schriftlich geschlossen werden soll und damit das schriftformerfordernis eingehalten werden soll.

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