Blutprobenentnahme im OWi-Verfahren: Versuch der Polizei eine richterliche Genehmigung zu bekommen nicht feststellbar?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.02.2016

Der Richtervorbehalt für Blutprobenanordnungen gilt  noch immer. Eigentlich dachte ich, das Thema wäre schon so ausgelutscht, dass es nichts mehr für`s Blog hergibt. Von wegen. Das AG Zeitz musste sich mit einem Fall befassen, in dem im Nachhinein nicht mehr festetsellbar war, ob der Polizeibeamte einen Versuch gestartet hatte, eine richterliche Anordnung zu bekommen:

...wird der Betroffene freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffe-nen.

Gründe: 
Der Betroffene hat gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde - Zentrale Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt - vom 22.12.2014 (AZ: ...) fristgerecht Einspruch einge-legt.
Mit dem Bußgeldbescheid wird der Betroffene beschuldigt, am 05.10.2014 um 16:30 Uhr in Zeitz, Am Güterbahnhof, als Führer des PKWs Mercedes mit amtl. Kennzeichen CCCCCCC das Kraft-fahrzeug unter Wirkung des berauschenden Mittels (Tetrahydrocannabinol 8,3 ng/ml, Methamphe-tamin 180 ng/ml, Amphetamin 30 ng/ml) geführt zu haben.

Von diesem Vorwurf war der Betroffene freizusprechen, weil ihm die Tat nicht in rechtsstaatlich noch hinzunehmender Weise nachzuweisen ist. Das einzige zum Tatnachweis zur Verfügung geeignete Beweismittel, das Untersuchungsergebnis der Blutprobenentnahme, darf nicht verwertet werden. Eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung i.S.d.§ 81 a Abs.2 StPO hat es nicht gegeben. Dass kein erkennbarer Versuch stattgefunden hat, den Bereitschaftsrichter zu erreichen, stellt sich insgesamt als nicht frei von Willkür dar

Das ergibt sich aus Folgendem:

Der Zeuge POM XXXX. ist am 05.10.2014 dokumentiert, um 16:30 Uhr sei der PKW Mercedes XXXXX. am Güterbahnhof in Zeitz festgestellt, angehalten und kontrolliert worden. Fahrzeugführer sei der Betroffene gewesen. Ein freiwilliger Drogenschnelltest habe eine positive Reaktion auf Ein-nahme von Methamphetamin und Amphetamin ergeben. Der Betroffene sei belehrt worden und zwecks Blutprobenentnahme zum Klinikum Zeitz verbracht worden. Der Blutprobenentnahme habe der Betroffene nicht zugestimmt. Die Anordnung sei daher aufgrund Gefahr im Verzuge durch den Zeugen erfolgt (Bl.4, 18 d.A.).

Der Zeuge ppp. ordnete die Blutprobenentnahme gem.81a StPO an (BI.6).

Bei der Untersuchung wurden folgende Substanzen nachgewiesen (BI.10 d.A.):
Cannabinoidbestätigung:
Serum: Tetrahydrocannabinol 8,3 ng/ml
und THC-Metabolite 
11-Hydroxy-THC 4,3
ng/ml THC-Carbonsäure 120 ng/ml
Bestätigung für Amphetamine:
Serum: Amphetamin 30 ng/m1
Methamphetamin 180 ng/ml

Ausweislich des Dienstplans für den gemeinsamen richterlichen Bereitschaftsdienst der Amtsge-richte Naumburg, Weißenfels und Zeitz stand am Sonntag, 05.10.2014, RiAG XXXX. AG Zeitz, von 08:30 Uhr bis 21:00 Uhr als Bereitschaftsrichter zur Verfügung (BI.45-45R d.A.).

Der Zeuge XXXX. hat zur Frage nach Gefahr im Verzug angegeben: „Zur Frage der Anordnung der Blutprobenentnahme können durch Unterzeichner keine Angaben mehr gemacht werden. Im Laufe der letzten Monate und Jahre wurden ständig neue Weisungen und Verfügungen der StA und Richterschaft bzw. durch die Polizeidirektionen erlassen, sodass es dem Unterzeichner schlichtweg unmöglich ist, zum heutigen Zeitpunkt nachzuvollziehen, welche Verfügung oder Weisung zum Tatzeitpunkt Gültigkeit besaß. In der Regel wird und wurde auch in der Vergangenheit bei fehlen-der Zustimmung des Beschuldigten/Betroffenen durch den handelnden Beamten der Diensthabende des RK Zeitz darüber informiert, welcher dann den Bereitschaftsstaatsanwalt bzw. den Bereit-schaftsrichter telefonisch in Kenntnis setzt, sofern ein solcher erreichbar ist. Ob dies im vorliegen-den Fall geschehen ist, kann durch Unterzeichner nicht negiert oder bestätigt werden. Es ist je-doch davon auszugehen, dass zumindest der Diensthabende des RK Zeitz benachrichtigt wurde.

Evtl. hat zum Tatzeitpunkt sogar eine Weisung oder Verfügung existiert, die von vornherein am Wochenende einen richterlichen Eildienst ausschloss. Dies kann durch Unterzeichner jedoch nicht mit Gewissheit gesagt werden. Aktuell ist es definitiv so, dass die Erreichbarkeit des Bereitschafts-richters in der Zeit von 21:00 Uhr bis 05:00 Uhr per Weisung nicht gegeben ist, sodass immer von "Gefahr im Verzuge" auszugehen ist. Warum eine solche Weisung existiert, ist für den Unterzeichner ebenso nicht nachvollziehbar. Außerdem gibt es genügend Beispiele dafür, dass Bereitschaftsrichter tel. nicht erreichbar sind, obwohl sie dies laut Zeitangabe sein müssten.

Weiteres kann durch Unterzeichner nicht angegeben werden. In Zukunft wird der Unterzeichner immer persönlich und zu jeder Zeit versuchen, den Bereitschaftsrichter bzw. den Bereitschafts-staatsanwalt zu erreichen, wie es der § 81 a Abs. 2 StPO vorschreibt' (BI.41 d.A.).

Der Zeuge POK XXXX. hat vermerkt: „Zur Frage, ob durch Unterzeichner versucht wurde, den richterlichen Bereitschaftsdienst zwecks der Blutprobenentnahme zu erreichen, kann dieser zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Angaben mehr tätigen. Es konnten keine Aufzeichnungen bekannt gemacht werden, wo vermerkt wurde, ob durch Unterzeichner versucht wurde, den richterlichen Eildienst zu erreichen.

Im Laufe der letzten Jahre gab es ständig neue Verfügungen bzw. Weisungen der Richterschaft und Staatsanwaltschaft bzw. Polizeidirektionen, wie es mit der Informationspflicht des richterlichen Eildienstes zu handeln gewesen ist. Welche der Verfügungen zum damaligen Zeitpunkt bestanden kann durch Unterzeichner nicht nachvollzogen werden.

Weitere Angaben können nicht getätigt werden."

Eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung bestand objektiv nicht. Ein Be-reitschaftsrichter stand zur Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass die richterliche Anordnung ohne Aktenvorlage von vornherein verweigert worden wäre, sind weder dokumentiert noch sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Eine fernmündliche richterliche Anordnung war nicht nur nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit sogleich erfolgt. Es han-delte sich um einen überschaubaren und einfachen Sachverhalt, die Fahrereigenschaft des Betroffenen stand außer Frage, und es gab aufgrund des Ergebnisses des Drogenschnelltests Drogenbeeinflussung, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit begründeten.

Es ist nichts dokumentiert, aus dem entnommen werden könnte, dass es einen Versuch gegeben hätte, den Bereitschaftsrichter zu erreichen. Es ist liegt vielmehr auf es einen solchen Versuch auch nicht gegeben hat, denn es ist davon auszugehen, dass dann der Bereitschaftsrichter er-reicht worden wäre und die Blutprobenentnahme fernmündlich angeordnet hätte.

Das Unterbleiben des Versuchs stellt sich im konkreten Fall als nicht frei von Willkür dar und führt zum Beweisverwertungsverbot. Von einem Beweisverwertungsverbot ist nur dann auszugehen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen ge-ordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird und folglich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbots unerträglich wäre. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor bei bewusster und zielgerichteter Umgehung des Richtervorbehalts sowie bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines gleichwertigen, besonders schwerwiegenden Fehlers (OLG Schleswig, Beschluss vom 23.12.2009 - 2 Ss OWi 153/09, BeckRS 2010, 26145).

Vorliegend hat sich der Zeuge entweder gar nicht um den Richtervorbehalt gekümmert oder er wurde durch fehlerhafte Anweisungen seiner Vorgesetzten zur Erreichbarkeit der Richter davon abgehalten, sich um die richterliche Anordnung zu bemühen. Die Ignorierung des Richtervorbehalts stellt einen ein Beweisverwertungsverbot begründenden Umstand dar; werden Polizeibeamte durch fehlerhafte Anweisungen davon abgehalten, sich um die richterliche Anordnung zu bemühen, stellt dies nach Auffassung des Gerichts einen gleichwertigen, besonders schwerwiegenden Fehler dar.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 Abs.1 OWiG.

AG Zeitz, Beschl. v. 03.08.2015 - 13 OWi 723 Js 204201/15

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