KG: "Mach nicht immer wieder denselben Fehler - sonst gibt es auch die Zulassungsrechtsbeschwerde zurück!"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.03.2016

Einzelfallfehler führen in der Regel nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Aber: Ist der Tatrichter aus Sicht des OLG unbelehrbar, so sieht das anders aus. Das Kammergericht hat hier schon unverblümt angedeutet, dass es das nächste Mal die Rechtsbeschwerde zulassen wird, wenn das möglich ist:

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons die durch Ziffer 246.1 vorgesehene Regelgeldbuße von 60 Euro festgesetzt. In dem auf seinen Einspruch anberaumten Hauptverhandlungstermin ist der nicht verkehrsrechtlich vorbelastete Betroffene wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen §§ 23 Abs. 1a Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 90 Euro verurteilt worden. Zur Begründung heißt es im schriftlichen Urteil, der festgestellte Verstoß könne lediglich vorsätzlich begangen werden. Die nunmehr festgesetzte Geldbuße sei angemessen. Mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde erhebt der Betroffene die allgemeine Sachrüge und macht die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend. Er beanstandet, dass er weder auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung noch auf die beabsichtigte Erhöhung der Geldbuße hingewiesen worden sei.

Der Zulassungsantrag bleibt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs ohne Erfolg. An der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sachlich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde ist der Senat durch § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gehindert.

1. Die Verfahrensrügen der Verletzung rechtlichen Gehörs sind unzulässig (§§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

a) Ob die Beanstandung des Betroffenen, er sei nicht auf die Möglichkeit der Erhöhung der Geldbuße hingewiesen worden, zum Erfolg führen könnte, kann offen bleiben. Dies ist zweifelhaft, weil der Senat bereits verschiedentlich angedeutet hat, dass er entgegen dem Thüringer OLG (VRS 113, 330) und dem OLG Hamm (DAR 2010, 99) der Meinung ist, dass ein Bußgeldrichter in der Regel nicht darauf hinweisen muss, wenn er eine Erhöhung der im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße beabsichtigt (vgl. NZV 2015, 355; VRS 113, 293 und Beschlüsse vom 15. Mai 2014 - 3 Ws (B) 260/14 - und 22. August 2014 - 3 Ws (B) 437/14 -). Jedenfalls hätte die ordnungsgemäße Erhebung der Verfahrensrüge hier der Darlegung bedurft, dass die mit dem Bußgeldbescheid übermittelte Rechtsbehelfsbelehrung keinen entsprechenden Hinweis enthielt (vgl. Senat NZV 2015, 355; OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Mai 2013 - 4a SsRs 66/13 - [juris]).

b) Die Rüge des Betroffenen, er sei nicht auf die veränderte Schuldform hingewiesen worden, ist gleichfalls unzulässig. Wiederum kann dahinstehen, ob es bei dem regelmäßig nur vorsätzlich begehbaren Tatbestand des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO (vgl. Senat NZV 2006, 609; OLG Hamm NZV 2008, 583; OLG Karlsruhe Justiz 2015, 14) überhaupt eines rechtlichen Hinweises bedurfte, zumal die veränderte Schuldform sich nach gefestigter Rechtsprechung gar nicht auf die Rechtsfolgenentscheidung auswirken darf (vgl. Senat NZV 2006, 609; Thüringer OLG NZV 2005, 108). Jedenfalls hätte die Rechtsbeschwerdeschrift sich nicht auf die Darlegung beschränken dürfen, dass der Hinweis in der Hauptverhandlung unterblieben ist (RB S. 2); sie hätte auch deutlich machen müssen, dass der Betroffene nicht anderweitig, etwa durch die Ladung oder sonstigen vorprozessualen Schriftverkehr, auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung hingewiesen worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 25. August 1997 - 3 Ws (B) 436/97 - [juris]; OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Mai 2012 2 - 2 SsBs 114/11 - [juris]; vgl. auch BGHSt 2, 304 [betr. § 224 StPO]; 23, 304; Meyer-Goßner/Schmidt, StPO 58. Aufl., § 265 Rn. 32).

2. Die allgemein erhobene Sachrüge offenbart, dass es das Amtsgericht versäumt hat zu begründen, warum es von der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelgeldbuße von 60 Euro (Nr. 246.1) zum Nachteil des Betroffenen abgewichen ist. Grundlage der Bußgeldbemessung bleiben zwar auch unter dem Regime der BKatVO die Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG. Eine Abweichung vom Bußgeldkatalog bedarf aber stets einer Begründung (vgl. Senat NZV 2015, 355; OLG Düsseldorf DAR 2002, 174 m. w. N.; Göhler/Gürtler, OWiG 16. Aufl., § 17 Rdn. 34; König in Hentschel/König/Dauer, StVG 43. Aufl., § 24 Rn. 64 a. E.).

a) Dass die im Urteil gewählte Floskel, die Geldbuße von 90 Euro sei „angemessen“ (UA S. 3), dem Begründungserfordernis nicht genügt, bedarf keiner Erläuterung. Auch die (vom Amtsgericht nicht herangezogene) Erwägung, die Geldbuße sei wegen der vorsätzlichen Tatbegehung zu erhöhen, könnte schon deshalb nicht tragen, weil der Bußgeldrichter zutreffend davon ausgeht, dass die vom Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße beim hier verwirklichten Tatbestand der Benutzung eines Mobiltelefons ausnahmsweise den Normalfall der vorsätzlichen Tatbegehung betrifft (UA S. 3). Auch ist der Abteilungsrichter bereits im Verfahren 290 Owi 2022/05 darauf hingewiesen worden, dass die Regelgeldbuße hier nicht unter dem Gesichtspunkt vorsätzlicher Tatbegehung erhöht werden kann (Senat NZV 2006, 609).

b) Bei dem auf die Sachrüge festgestellten Begründungsmangel handelt es sich gegen ersten Anschein nicht um einen Rechtsfehler im Einzelfall, so dass die sachlichen Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegen. Der Abteilungsrichter beim Amtsgericht Tiergarten ist nämlich zumindest in einem Verfahren (290 Owi 762/13) auf das Erfordernis, vom Bußgeldkatalog abweichende Geldbußen zu begründen, hingewiesen worden, wobei dort wegen des Anscheins eines lediglich im Einzelfall begangenen Rechtsfehlers von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen worden war. Der Senat hatte ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die unterbliebene Rechtsfolgenbegründung Ergebnis eines Versehens oder einer unzutreffenden Rechtsauffassung gewesen sei, denn „selbst im Falle einer bewussten Entscheidung wäre nicht zu besorgen, dass das Amtsgericht daran festhielte“ (vgl. Senat NZV 2015, 355). Hierin sieht sich der Senat getäuscht.

c) Der Zulassung der Rechtsbeschwerde steht allein § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nur zugelassen werden, wenn durch das angefochtene Urteil eine Geldbuße von mehr als 100 Euro festgesetzt worden ist. Dies ist hier nicht der Fall.

KG, Beschluss vom 03.03.2016 - 3 Ws (B) 108/16 - 122 Ss 33/16

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4 Kommentare

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Der Bußgeldrichter entscheidet falsch, bekommt dies auch amtlich vom OLG bescheinigt, doch der Betroffene verliert, muss die unzulässig erhöhte Geldbuße bezahlen und bleibt auf den Verfahrenskosten sitzen. Und da wundert sich jemand, dass die Bürger das Vertrauen in den Rechtsstaat verlieren.

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Für mich stellt sich die Frage, ob es klug ist, eine solche Begründung in einen Beschluss zu schreiben.

 

Dere Gesetzgeber hat bestimmt, dass es in diesen Fällen keine Zulassung der Rechtsbeschwerde gibt. Deshalb liegt es doch schon nicht ganz fern, dass der Amtsrichter bewusst eine sehr knappe Begründung gewählt hat. Wem schadet er damit? Dass das Bußgeld mit entsprechender Begründung nicht angemessen wäre, kann ich den Urteilsgründen nicht sicher entnehmen.

 

Wem dient nun der Beschluss des KG? Hat der Betroffene einen echten Vorteil zu wissen, dass das Urteil an einem Begründungsmangel leidet?

 

Wäre es deshalb nicht klüger, nach § 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG ohne Begründung zu verwerfen? Diese Verfahrensweise müsste dem KG doch offengestanden haben.

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Ein Riesenaufriss wegen nicht erfolgter Begründung für 30 Euro mehr? Es mutet mehr als merkwürdig an, dass das KG wegen eines von ihm angenommenen Begründungsmangels künftig bei ähnlichen Begründungsmängeln die Rechtsbeschwerde zulassen will.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wäre nur dann zulässig, wenn das KG tatsächlich eine Abweichung feststellt, die es erforderlich erscheinen lässt, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Ein Begründungsmangel als solcher reicht dazu nicht aus; da liegt das KG einfach daneben.

"Da die Zulassung der Rechtsbeschwerde einer einheitlichen und sachgerechten Rechtsprechung und nicht in erster Linie der Entscheidung des Einzelfalles dient, ist es auch von Verfassungs wegen nicht geboten, allein aus dem Umstand, daß Urteilsgründe fehlen, einen Zulassungsgrund herzuleiten" (BGH NJW 1996, 3157).

"Die Rechtsbeschwerde ist nicht allein deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil zwar Gründe enthält, diese aber lückenhaft sind. Das Rechtsbeschwerdegericht kann dann vielmehr anhand des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrags und der Rechtsbeschwerdebegründung entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Zulassung vorliegen (OLG Hamm, Beschluss vom 14. April 2000 – 2 Ss OWi 422/2000, 2 Ss OWi 422/00 –, juris)."

Ob eine Differenz von nur 30 Euro überhaupt geeignet sein kann, eine Zulassung für erforderlich zu halten, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen, wird man zumindest bezweifeln dürfen. Jedenfalls aber wird man vor einer Zulassung fordern müssen, dass das Rechtsbeschwerdegericht sich umfassend mit Bußgeldbescheid, Zulassungsantrag und Rechtsbeschwerdebegründung auseinandersetzt. Zumindest daraus müsste sich für eine Zulássung zwingend ergeben, dass in jeder Hinsicht ein Regelfall vorliegt, also z.B. auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Durchschnitt entsprechen.

Letztlich sollte man vielleicht doch einmal erwägen, die Rechtsbeschwerde komplett abzuschaffen.

 

 

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