KG: Rotlichtverstoß innerorts bei 3-Sekunden-Gelblichtphase bedarf keiner weiteren Feststellungen zum Anhaltenkönnen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.03.2016

Immer wieder behaupten Betroffene nach einem Rotlichtverstoß: "Ich hätte gar nicht gefahrlos rechtzeitig anhalten könenn!" Innerorts bei 50 km/h Höchstgeschwindigkeit und einer 3-Sekunden-Gelblichtphase geht das aber immer. Das Gericht muss dann auch nichts weiteres zum Anhaltenkönnen feststellen:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. Oktober 2015 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Ergänzend merkt der Senat an:
Die von der Rechtsbeschwerde vermissten Feststellungen dazu, „wo sich der Betroffene beim Umspringen der LZA auf Rot befand und ob er unter Berücksichtigung der zulässigen Geschwindigkeit und der Dauer der Gelbphase noch gefahrlos halten konnte“, waren unter den Bedingungen eines standardisierten Messverfahrens im innerstädtischen Verkehr erlässlich, denn hier ist von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer dreisekündigen Gelbphase (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, StVO 43. Aufl., § 37 Rn. 44 m. w. N.) und mithin von der Möglichkeit, gefahrlos anzuhalten, auszugehen.
Die gegen das Fahrverbot erhobenen Einwände sind, soweit sie nicht ohnehin urteilsfremd sind, nicht geeignet, die Nebenfolge in Frage zu stellen. Dies gilt auch für den vom Amtsgericht als wahr unterstellten Umstand, der Betroffene sei mit nur 20 km/h in die gesperrte Kreuzung eingefahren. Dabei kann offen bleiben, ob eine derart niedrige Geschwindigkeit wegen der Schutzzeiten der Ampelanlage gerade zu einer Erhöhung der Gefährlichkeit führt, zumal der Betroffene eine lange Sattelzugmaschine mit Anhänger steuerte. Denn das Fahrverbot ist sogar indiziert, wenn der Fahrzeugführer bei verkehrsbedingtem Halt nach Überfahren der Haltelinie nach erneuter mindestens einsekündiger Rotphase weiterfährt (vgl. BGH NJW 1999, 2978, König in Hentschel/König/Dauer, a. a. O., § 37 Rn. 53 m. w. N.).
Die Aufklärungsrüge ist unzulässig (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Rechtbeschwerde beanstandet, das Gericht habe einen polizeilichen Zeugen nicht hinreichend vernommen, legt aber zugleich dar, dass der Zeuge durch den Verteidiger befragt worden ist, so dass sich ein weiteres Aufklärungsbedürfnis nicht aufdrängt.
Die Rüge der rechtswidrigen Ablehnung eines Beweisantrags ist jedenfalls unbegründet. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überprüfung des durch die PTB zugelassenen und geeichten und als standardisiert anerkannten Messverfahrens bedurfte es nicht.
 

KG, Beschl. v. 24.02.2016 - 3 Ws (B) 649/15 - 122 Ss 183/15, BeckRS 2016, 04221

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

So pauschal und kategorisch dürfte das sehr zweifelhaft und bedenklich sein.

Wenn von hinten agressiv und bedrohlich ein großes schweres Fahrzeug angerast kommt, das offenbar um jeden Preis noch über die Kreuzung will, dann wird es dem Fahrer oder der Fahrerin des schwächeren vorderen Autos (z.B. eines Trabant-Oldtimers, mit langem Bremsweg und wenig Knautschzone) wohl kaum möglich oder zumutbar sein, eine Vollbremsung einzuleiten und es dabei in Kauf zu nehmen platt gemacht zu werden.

Klar hat der Rotlichtsünder dafür die Beweislast, aber als Gericht hinzugehen, und zu sagen, das interessiert uns nicht, da erheben wir überhaupt gar keinen (angebotenen) Beweis, dürfte rechtsfehlerhaft sein, und das Vertrauen in eine auch im Einzelfall gerechte Justiz mindern.

0

Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h ligt eine Geschwindigkeit von (50:3,6) 13,88 m/s vor und man fährt in 3 sec. etwa 40m.
Wenn man also exakt bei Rot über die Ampel fahren wollte, müsste man um die kürzeste Zeit zur Reaktion haben 42m entfernt sein. Wäre man näher dran, würde man nicht bei Rot fahren, weiter weg und man hätte mehr Zeit.
Der Reaktionsweg berechnet mit 3 x (Geschwindigkeit [km/h] / 10) = hier 15m und der Halteweg berechnet mit (Geschwindigkeit [km/h] / 10) x (Geschwindigkeit [km/h] / 10) = hier 25m führen zu einem Anhalteweg von 40m.
Wenn ein anderer Kfz-Führer dicht aufgefahren ist, kann man nicht einfach anfangen zu bremsen. Ein Rotlichtverstoß bei einer Gelbphase von 3 sec. kann daher nicht notwendigerweise verhindert werden.
Ihre pauschale analyse ist daher zwar idR wahrscheinlich richtig, im Einzelfall jedoch möglicherweise falsch.

0

Kommentar hinzufügen